Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachaufklärungspflicht und Beweiserhebung; Hinweispflicht nach Erörterungstermin; Überraschungsentscheidung; vorweggenommene Beweiswürdigung; Streitwertfestsetzung durch den Spruchkörper
Leitsatz (NV)
1. Zur schlüssigen Darlegung der Rüge mangelnder Sachaufklärung ist es u.a. erforderlich auszuführen, warum der Kläger, nachdem er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Antrag auf Vernehmung der Zeugen gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem Finanzgericht ―ohne besonderen Antrag― hätte aufdrängen müssen.
2. Ist das Finanzgericht in einem Erörterungstermin den Angaben des Klägers ersichtlich nicht gefolgt, bedarf es keines weiteren Hinweises, dass es das Vorbringen des Klägers anzweifle. In einem solchen Fall kommt insoweit auch eine Überraschungsentscheidung nicht in Betracht.
3. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung kann nicht vorliegen, wenn schon kein Beweisantrag gestellt wurde.
4. Für eine Streitwertfestsetzung durch das Gericht als Spruchkörper fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich die Höhe des Streitwerts eindeutig aus den gestellten Sachanträgen sowie aus den von der Rechtsprechung zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen entwickelten Grundsätzen ermitteln lässt.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3; RVG § 33 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), der vorbringt, das angefochtene Urteil leide an verschiedenen Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
1. Der Kläger rügt die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Er ist der Ansicht, für das Finanzgericht (FG) habe von Amts wegen Anlass zu Aufklärungsmaßnahmen über die Höhe der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) bestrittenen Zuwendungen bestanden, die er von seinen Eltern erhalten habe.
Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Zur schlüssigen Darlegung der Rüge mangelnder Sachaufklärung ist es nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO u.a. erforderlich auszuführen, warum der Kläger, nachdem er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Antrag auf Vernehmung der Zeugen gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG --ohne besonderen Antrag-- hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2008 X R 48/06, BFH/NV 2008, 1463). Entgegen dem Vorbringen des vor dem FG fachkundig vertretenen Klägers hat er nach dem Inhalt der FG-Akte einschließlich der Niederschriften über den Erörterungstermin und über die mündliche Verhandlung einen ausdrücklichen Antrag auf Vernehmung seiner Eltern zu keinem Zeitpunkt gestellt, obwohl dazu nicht nur im Erörterungstermin, sondern noch in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit bestand. Der Kläger hat zudem der Ladung zur mündlichen Verhandlung entnehmen können, dass das FG von sich aus keinen Anlass zur Zeugenvernehmung sieht. Es wäre zur Wahrnehmung seiner eigenen Interessen seine Pflicht gewesen, einen ausdrücklichen Beweisantrag zu stellen. Das hat er unterlassen.
2. Insoweit greift auch seine Rüge nicht, das FG habe mit der Feststellung, ein Beweisantrag sei nicht gestellt worden, entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt.
3. Ebenfalls nicht schlüssig ist die Rüge des Klägers, das FG habe seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO verletzt. Weil das FG ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass es seinem Vorbringen nicht folgen werde, seine Eltern hätten ihm erhebliche Geldbeträge zugewendet, habe er davon ausgehen dürfen, prozessual alles Notwendige getan zu haben. Zu einer solchen Annahme hatte das FG dem Kläger jedoch keine Veranlassung gegeben. Der Kläger lässt außer Acht, dass das FG im Erörterungstermin ausdrücklich den Angaben des Klägers über die Höhe der Zuwendungen nicht gefolgt ist und einen Vorschlag zur tatsächlichen Verständigung über diese strittige Frage vorgelegt hat, den es in der mündlichen Verhandlung nochmals wiederholte, und auf den sich sein damaliger Prozessbevollmächtigter --wenn auch widerruflich-- verständigen konnte.
4. Insoweit geht auch die Rüge des Klägers ins Leere, das angefochtene Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Seit dem Erörterungstermin waren für den Kläger auch ohne ausdrücklichen Hinweis des FG dessen Zweifel an der behaupteten Höhe der elterlichen Geldzuwendungen erkennbar. Es wäre Sache des Klägers gewesen, durch einen ausdrücklichen Beweisantrag den Weg zu eröffnen, diese Zweifel zu überwinden.
5. Weil der Kläger einen ausdrücklichen Beweisantrag unterlassen hat, kann dem FG entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht entgegen gehalten werden, es habe eine Beweiswürdigung verfahrensfehlerhaft vorweggenommen. Es hat lediglich die in den Akten befindlichen Aussagen des Vaters des Klägers gewürdigt und ist dabei zu einem anderen Ergebnis als der Kläger gekommen. Darin liegt keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.
6. Mit dem Vorbringen, das FG habe gegen Denkgesetze verstoßen, rügt der Kläger einen materiellen Rechtsfehler (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 83). Ein solcher rechtfertigt die Zulassung der Revision allenfalls dann, wenn das angefochtene Urteil greifbar gesetzwidrig ist. Dafür hat der Kläger nichts vorgetragen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
8. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung ab.
9. Die vom Kläger begehrte Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 Abs. 1 und 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) kommt nicht in Betracht, weil sich die Anwaltsgebühren im Streitfall nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen und es an einem solchen Wert auch nicht fehlt. Der Antrag wird daher als Antrag auf Festsetzung des Streitwerts gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu verstehen sein. Dieser Antrag ist im Streitfall mangels des erforderlichen besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die Festsetzung des Streitwerts durch den beschließenden Senat als unzulässig abzulehnen. Die Ermittlung und Festsetzung des Streitwerts sind im Regelfall unselbständiger Teil des Kostenansatzverfahrens bzw. -festsetzungsverfahrens und obliegen daher in erster Linie dem Kostenbeamten (ständige Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 135 Rz 38). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Streitwertfestsetzung durch das Gericht als Spruchkörper fehlt, wenn sich --wie hier-- die Höhe des Streitwerts eindeutig aus den gestellten Sachanträgen sowie aus den von der Rechtsprechung zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen entwickelten Grundsätzen ermitteln lässt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Januar 1994 VII S 36/93, BFH/NV 1994, 818; Senatsurteil vom 17. Januar 2007 X R 29/06, BFH/NV 2007, 942; Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 135 Rz 38).
Fundstellen
Haufe-Index 2081438 |
BFH/NV 2009, 186 |