Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Darlegungsanforderungen bei der NZB in einer Zwischenvermietungssache
Leitsatz (NV)
1. Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Zwischenvermietung einer Wohnung sind allgemein geklärt.
2. Geklärt ist auch, daß das Finanzamt bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist einen Steueränderungsbescheid nach § 164 Abs. 2 AO erlassen darf, ohne zuvor eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.
Normenkette
AO 1977 §§ 42, 164 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2-3; UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Abs. 1-2, § 15 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb im Rahmen eines Bauherrenmodells einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück und ließ eine Eigentumswohnung errichten. Sie vermietete die Eigentumswohnung an einen gewerblichen Zwischenmieter. Dieser vermietete die Wohnung an einen Endmieter. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) setzte für 1983 und 1984 die Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und berücksichtigte dabei Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über die Herstellung der bezeichneten Eigentumswohnung. Die Klägerin hatte erklärt, sie vermiete die Wohnung steuerpflichtig.
Mit Schreiben vom 29. August 1988 teilte das FA der Klägerin mit, es beabsichtige, die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1983 und 1984 zu ändern und den Abzug der Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Herstellung der bezeichneten Wohnung nicht mehr zuzulassen, weil für die Einschaltung des gewerblichen Zwischenmieters keine beachtlichen Gründe vorlägen; zugleich räumte das FA der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Sodann erließ das FA unter dem 19. Dezember 1988 entsprechende Steueränderungsbescheide. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Die dagegen gerichtete Klage wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) kam unter Heranziehung von Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dem Ergebnis, daß wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung eines gewerblichen Zwischenvermieters nicht vorgelegen hätten und daß die angefochtenen Bescheide auch nicht in anderer Hinsicht rechtsfehlerhaft seien.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Verfahrensfehlern.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Rechtsfragen, die die Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung als klärungsbedürftig ansieht (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), sind geklärt.
a) Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision, damit die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Versagung des Vorsteuerabzugs wegen einer regelmäßig als Gestaltungsmißbrauch nach § 42 der Ab gabenordnung (AO 1977) beurteilten Einschaltung von gewerblichen Zwischen vermietern nochmals überprüft werden kann. Insoweit vertritt die Klägerin unter Berufung auf Zeitschriftenliteratur (Wagner, Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1992, 295; Kuhsel, Der Steuerberater -- StB -- 1993, 166) die Ansicht, diese Rechtsprechung lege die Voraussetzungen für den Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Wohnraumvermietung nach § 9 Abs. 1 und § 27 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bis 1985 fehlerhaft aus und verstoße dadurch gegen das Gebot der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -- GG --), der Tatbestandsbestimmtheit, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) und verletze das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht, das auch den Vorsteuererstattungsanspruch umfasse.
Die von der Klägerin sinngemäß zum Ausdruck gebrachten Rechtsfragen bedürfen keiner erneuten Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie bereits geklärt sind. Der Senat hat zuletzt in dem Urteil vom 14. Mai 1992 V R 12/88 (BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931) entschieden, daß die bis zur Änderung des § 9 UStG 1980 praktizierte Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters in die Vermietung von Wohnungen aufgrund eines von vornherein vereinbarten Gesamtkonzepts grundsätzlich rechtsmißbräuchlich und der Umsatzbesteuerung nicht zugrunde zu legen ist. Der Tatbestand des Rechts mißbrauchs i. S. von § 42 Satz 1 AO 1977 ist erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters -- d. h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten -- wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das UStG geht bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der entgeltlichen Überlassung von Wohnraum (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 UStG 1980) davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
Im Regelfall vermietet ein -- zur Vermietung entschlossener -- Wohnungseigentümer die Wohnung selbst oder mit Hilfe eines Vertreters (Hausverwalter) an den Wohnungs(end)mieter. Die Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980), schließt aber den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Rechtliche Gestaltungen, die die Rechtsfolge der Verweigerung des Vorsteuerabzugs vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer vom Regelfall abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des Senats wird ein Eigentümer der gesetzlichen Wertung des UStG bei der Wohnungsvermietung nicht gerecht, wenn er seine Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter vermietet, sofern nicht erwiesen ist, daß die Wohnung nicht zu mutbar -- sei es auch unter Mithilfe eines Hausverwalters -- an den (jeweiligen) Wohnungs(end)mieter vermietbar war. Beacht liche die Zwischenvermietung rechtfertigende Gründe sieht der Senat als gegeben an, wenn der Eigentümer-Vermieter eigene erfolglos gebliebene Vermietungsbemühungen nachweist, die auf eine Vermietung an einen Endmieter gerichtet waren (BFH- Beschluß vom 22. Januar 1992 V B 170/91, BFH/NV 1992, 702). Derartige Gründe hat die Klägerin im FG-Verfahren nicht geltend gemacht.
Ob der Eigentümer-Vermieter verständliche Gründe für eine von der gesetzlichen Wertung abweichende, für ihn günstige Gestaltung des Mietverhältnisses durch Zwischenvermietung hatte, ist zunächst vom FA (§§ 85, 88, 89 AO 1977) unter Heranziehung des Steuerpflichtigen (§ 90 AO 1977) aufzuklären. Der Steuerpflichtige hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977) Tatsachen substantiiert darzu legen, die ihn zu einer gegenüber der vom Gesetzgeber vorausgesetzten üblichen Gestaltung der Wohnungsvermietung abweichenden Vereinbarung der Rechtsverhältnisse veranlaßt haben. Er muß bei Zweifeln an der Richtigkeit seines Tatsachenvortrags auch Beweismittel angeben (vgl. zur Darlegung von Mietausfallbefürchtungen BFH-Beschlüsse vom 11. Februar 1991 V B 175/89, BFH/NV 1991, 710; vom 20. März 1990 V B 111/89, BFH/NV 1991, 63). Ergibt sich durch Beweiswürdigung, daß die von dem Steuerpflichtigen angegebenen Gründe nicht vorgelegen haben, kann aufgrund des ermittelten Sachverhalts zum Nachteil des Steuerpflichtigen entschieden werden. Ergibt sich, daß Zweifel nicht zu beseitigen sind, ob die dargelegten Tatsachen vorgelegen haben, ist nach den Grundsätzen über die Feststellungslast zu entscheiden (vgl. dazu BFH- Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45).
Eine Zwischenvermietung der Wohnung, die nicht durch beachtliche Gründe gerechtfertigt ist, umgeht die gesetzliche Regelung (§ 42 Satz 1 AO 1977) und ist der Beurteilung des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) nicht zugrunde zu legen (§ 42 Satz 2 AO 1977). Aus der historischen Entwicklung des § 9 UStG 1980 ergibt sich nichts anderes, wie der Senat mehrfach entschieden hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007).
Die Rechtsprechung des Senats beruht auf der Auslegung von § 4 Nr. 12, § 9, § 27 Abs. 5 und von § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG sowie von § 42 AO 1977. Die Interpretation von Gesetzen und auch die Fortbildung des Rechts gehören zu den anerkannten Aufgaben und Befugnissen der Gerichte. Beide der Ermittlung der Rechtslage dienenden Methoden überschreiten nicht die den Gerichten durch das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen, weil sie weder allein auf allgemeinen Rechtsprinzipien beruhen, die eine konkrete rechtliche Ableitung nicht zulassen, noch aus rechtspolitischen Erwägungen neue Regeln schaffen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Die danach zulässige Ermittlung der Rechtslage verletzt die Klägerin nicht in den von ihr bezeichneten Rechten und stellt keinen Eingriff in ihr Eigentum dar. Ein Vorsteueranspruch, der ihr hätte entzogen werden können, stand ihr von Anfang an nicht zu. Ein Vertrauen der Klägerin auf die Möglichkeit des Abzugs von Vorsteuerbeträgen ist durch die Rechtsprechung des Senats zur gewerblichen Zwischenvermietung von Wohnraum nicht erweckt und dementsprechend auch nicht verletzt worden.
b) Die Revision ist ferner nicht deswegen zuzulassen, weil wegen grundsätzlicher Bedeutung geklärt werden müßte, ob das FA kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist einen Steueränderungsbescheid habe erlassen dürfen. Die Frage ist gesetzlich geklärt. Nach § 164 Abs. 2 AO 1977 i. V. m. § 169 Abs. 1 AO 1977 darf das FA vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ändern. § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 fordert für die Änderung der Steuerfestsetzung nicht, daß zuvor eine weitere Sachverhaltsaufklärung durchgeführt worden ist. Ob aufgrund von Besonderheiten im Streitfall eine andere Beurteilung geboten wäre, ist keine die Allgemeinheit berührende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
c) Eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist aufgrund der Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift nicht auszusprechen. Ein Verfahrensfehler durch Einschränkung des rechtlichen Gehörs braucht nicht vorzuliegen, wenn der Vorsitzende des FG den Prozeßvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nach ca. 15 Minuten aufgefordert hat, seinen im Zitieren aus Schriftsätzen bestehenden Vortrag zu kürzen. Hiermit und mit der Aufforderung, in freier Rede vorzutragen, kam der Vorsitzende seiner Prozeßleitungspflicht (§ 76 Abs. 2, § 92 Abs. 3, § 93 Abs. 1, § 155 FGO i. V. m. § 137 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) nach, für eine Beschränkung auf die für die Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen und einen Vortrag in freier Rede zu sorgen. Sollte der Prozeßbevollmächtigte Anlaß für die Befürchtung gehabt haben, daß der Klägerin der Anspruch auf rechtliches Gehör beschnitten wird, so hätte er entsprechende Rügen geltend machen und ggf. deren Protokollierung beantragen können.
3. Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Bekanntgabe weiterer Gründe.
Fundstellen