Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (NV)
Aus der Rechtsmittelbelehrung muß erkennbar sein, welches Rechtsmittel innerhalb welcher Frist im konkreten Fall statthaft ist. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß bei mehreren statthaften Rechtsmitteln das im Einzelfall erfolgversprechende benannt wird. So braucht das FG nicht durch eine entsprechende Fassung der Rechtsmittelbelehrung kundzutun, ob nach seiner Auffassung eine Zolltariffrage entscheidungserheblich war und deshalb im Streitfall allein die zulassungsfreie Revision gegen Urteile in Zolltarifsachen (§ 116 Abs. 2 FGO) als Rechtsmittel erfolgversprechend ist.
Normenkette
FGO §§ 55, 116; GKG § 8 Abs. 1
Tatbestand
Durch Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) wurde die von der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin) eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses -- die Vorentscheidung konnte mit der zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angefochten werden -- kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Mit der Erinnerung wendet sich die Kostenschuldnerin gegen die Kostenrechnung des BFH. Sie beantragt, gemäß § 8 Abs. 1 GKG wegen unrichtiger Sachbehandlung bzw. unverschuldeter Unkenntnis rechtlicher Verhältnisse von der Erhebung von Kosten abzusehen. Zur Begründung bringt sie vor, sie habe das kostenauslösende Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren allein aufgrund einer unrichtigen, irreführenden Rechtsmittelbelehrung des FG eingeleitet und betrieben. Das FG habe darin, neben dem Hinweis auf die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 2 FGO, nicht zusätzlich über die "(in diesem Fall gar nicht statthafte) Nichtzulassungsbeschwerde" belehren dürfen. Daß der Senat diese Rechtsmittelbelehrung in seinem Beschluß, mit dem er in derselben Sache die Revision wegen Verfristung als unzulässig verworfen habe, nicht als irreführend für den Steuerpflichtigen qualifiziert habe, erscheine ausgesprochen willkürlich.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung hat keinen Erfolg. Die Kostenrechnung für das Rechtsmittelverfahren entspricht dem Gesetz.
1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben. Voraussetzung für die Nichterhebung ist hiernach eine unrichtige Behandlung der Sache. Eine solche ist weder in der vom FG erteilten Rechtsmittelbelehrung zu sehen noch sonst zu erkennen.
a) Der Einwand der Kostenschuldnerin, die Rechtsmittelbelehrung des FG sei unrichtig und irreführend, ist verbraucht und kann nicht mehr Gegenstand des Erinnerungsverfahrens sein. In seinem Beschluß, in dem der Senat die Revision der Kostenschuldnerin gegen das Urteil des FG wegen Verfristung als unzulässig verworfen hat, hat der Senat nämlich tragend darauf abgestellt, daß die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht greift, weil die Rechtsmittelbelehrung des FG nicht zu beanstanden ist. Daran ist der Senat im vorliegenden Erinnerungsverfahren gebunden.
b) Selbst wenn der Senat im Streitfall nicht gebunden wäre, sähe er keinen Anlaß, seine Rechtsprechung in Frage zu stellen. Die sinngemäße (§ 55 Abs. 1 Satz 2 FGO) Anwendung des § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO auf gerichtliche Entscheidungen bedeutet, daß aus der Rechtsmittelbelehrung erkennbar sein muß, welches Rechtsmittel innerhalb welcher Frist im konkreten Fall statthaft ist (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 55 Rz. 18). Bei Urteilen, in denen die Revision nicht zugelassen worden ist, sind als Rechtsmittel stets die zulassungsfreie Verfahrensrevision (§ 116 Abs. 1 FGO) sowie die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft; auf beide Möglichkeiten muß in der Rechtsmittelbelehrung hingewiesen werden, ansonsten wäre sie unvollständig (BFH-Urteil vom 12. Februar 1987 V R 116/86, BFHE 149, 120, BStBl II 1987, 438). Kommt im Einzelfall auch die zulassungsfreie Revision gegen Urteile in Zolltarifsachen (§ 116 Abs. 2 FGO) in Betracht, so ist auch hierauf in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen (BFH-Urteil vom 13. Februar 1992 V R 140/90, BFHE 167, 232, BStBl II 1992, 573). Die Rechtsmittelbelehrung des FG im Streitfall entspricht diesen Vorgaben. Hingegen geht die Auffassung der Kostenschuldnerin zum Begriff der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels fehl.
Es ist nicht Aufgabe des FG, in der Rechtsmittelbelehrung das von den statthaften Rechtsmitteln konkret erfolgversprechende zu benennen. Deutlich wird dies vor allem bei der zulassungsfreien Verfahrensrevision (§ 116 Abs. 1 FGO). Ob wesentliche Mängel des Verfahrens vorliegen, muß vom Beteiligten mit dem zulassungsfrei eröffneten Rechtsmittel schlüssig vorgetragen und gerügt werden. Dies geschieht auf sein Risiko. Befindet das Rechtsmittelgericht nämlich letztlich, daß ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht schlüssig vorgetragen und gerügt ist, ist die Revision als unzulässig zu verwerfen, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsmittelführer die dann allein in Betracht kommende Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat oder nicht. Das aufgezeigte Risiko ist jedenfalls deshalb zumutbar, weil in der Rechtsmittelinstanz vor dem BFH Vertretungszwang besteht und von einem Prozeßvertreter erwartet werden muß, daß er für seinen Mandanten das erfolgversprechende Rechtsmittel einlegt.
Nichts anderes gilt auch für die Revision gegen Urteile in Zolltarifsachen (§ 116 Abs. 2 FGO), die lediglich einen besonderen Fall der zulassungsfreien Revision darstellt, aber nicht eine besondere Rechtsqualität aufweist, so daß etwa eine von den Fällen des § 116 Abs. 1 FGO unterschiedliche Behandlung in der Rechtsmittelbelehrung gerechtfertigt wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats ist deshalb auch hier eine umfassende -- d. h. die Möglichkeiten der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 Abs. 1 und 2 FGO und der Nichtzulassungsbeschwerde abdeckende -- Rechtsmittelbelehrung die zutreffende und richtig erteilte Rechtsmittelbelehrung i. S. von § 55 Abs. 2 FGO (vgl. Senatsbeschluß vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546). Nicht Aufgabe des FG ist es hingegen, durch eine entsprechende Fassung der Rechtsmittelbelehrung kundzutun, ob nach seiner Auffassung eine Zolltariffrage entscheidungserheblich war (Senatsbeschluß vom 2. August 1994 VII E 4/94, BFH/NV 1995, 253).
2. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG kann im Falle eines abweisenden Bescheids von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Die vertretene Kostenschuldnerin hat indessen nichts dafür vorgetragen, weshalb die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auf dem behaupteten unverschuldeten Rechtsirrtum in einer Verfahrensfrage beruhen könnte.
3. Da auch im übrigen die Kostenrechnung dem Grunde und der Höhe nach dem Gesetz entspricht, war die Erinnerung zurückzuweisen.
4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 421456 |
BFH/NV 1996, 829 |