Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme von Sonder-AfA nach Wechsel von der degressiven zur linearen AfA
Leitsatz (NV)
Gemäß § 7a Abs. 4 EStG sind bei Wirtschaftsgütern, für die Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, die AfA nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG, also linear, anzusetzen. Es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass es an dieser Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung fehlt, wenn der Steuerpflichtige das angeschaffte Wirtschaftsgut gemäß § 7 Abs. 2 EStG zunächst degressiv abschreibt, sodann aber im Jahr der Sonderabschreibung ‐ in Einklang mit § 7 Abs. 3 EStG ‐ zur linearen AfA nach § 7 Abs. 1 EStG übergeht.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; EStG § 7 Abs. 1-4, § 7a Abs. 4; FördG § 4
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (EFG 2003, 217) |
Tatbestand
I. Die im Jahre 1997 errichtete Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine in den neuen Bundesländern ansässige GmbH, erwarb Ende 1998 ein bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, das sie bei einer unterstellten Nutzungsdauer von zehn Jahren gemäß § 7 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) degressiv abschrieb. Im Streitjahr 2000 wechselte sie gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 EStG zur linearen Absetzung für Abnutzung (AfA) nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 EStG und nahm für das Wirtschaftsgut zugleich eine Sonderabschreibung gemäß §§ 1, 4 des Gesetzes über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (FördG) in Anspruch.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) folgte dem nicht. Die Sonderabschreibung könne nicht in Anspruch genommen werden. Die Antragstellerin habe ihr entsprechendes Wahlrecht dahin gehend ausgeübt, das angeschaffte Wirtschaftsgut gemäß § 7 Abs. 2 EStG degressiv abzuschreiben. Neben Sonderabschreibungen seien nach § 7a Abs. 4 EStG aber nur lineare Absetzungen nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG zulässig.
Über die Klage gegen den hiernach ergangenen Körperschaftsteuerbescheid ist noch nicht entschieden. Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheides hat das FA abgelehnt.
Die Antragstellerin beantragte daraufhin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des angefochtenen Bescheides gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Der Antrag blieb ohne Erfolg. Der FG-Beschluss ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 217 abgedruckt.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer ―vom FG zugelassenen― Beschwerde.
Sie beantragt, die Vollziehung des geänderten Bescheides für 2000 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 21. März 2002 insoweit bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das finanzgerichtliche Verfahren 2 K 2188/02 abschließenden Entscheidung unter Aufhebung des angefochtenen FG-Beschlusses auszusetzen, als die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung in Höhe von 360 000 DM abgelehnt wurde.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur AdV des angefochtenen Bescheides in dem beantragten Umfang.
1. Nach § 69 Abs.3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll ―u.a. und soweit hier einschlägig― erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die AdV nicht erforderlich (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). So verhält es sich im Streitfall.
2. Die Antragstellerin begehrt für das Streitjahr die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 4 FördG wegen des von ihr im Jahre 1997 angeschafften Wirtschaftsgutes. Die Inanspruchnahme einer solchen Sonderabschreibung, deren Voraussetzungen im Streitfall im Übrigen erfüllt sind, scheitert nach summarischer Prüfung nicht an § 7a Abs. 4 EStG. Danach sind bei Wirtschaftsgütern, für die Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, die AfA nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG, also linear, anzusetzen. Dem wird die Antragstellerin jedenfalls im Streitjahr gerecht. Sie hat das angeschaffte Wirtschaftsgut zwar im Jahr seiner Anschaffung und im Folgejahr gemäß § 7 Abs. 2 EStG zunächst degressiv abgeschrieben, ist sodann aber im Streitjahr ―in Einklang mit § 7 Abs. 3 EStG― zur linearen AfA nach § 7 Abs. 1 EStG übergegangen.
Den Erfordernissen des § 7a Abs. 4 EStG ist damit dem Wortlaut nach ―und insoweit in ausdrücklichem Unterschied zu dem vom FG angeführten § 7g Abs. 1 EStG― genügt. § 7a Abs. 4 EStG lässt sich hiernach lediglich das Verbot entnehmen, Sonderabschreibungen und degressive AfA zeitlich nebeneinander in Anspruch zu nehmen. Ein weiter gehendes Verbot der zeitversetzt hintereinander geschaltenen Inanspruchnahme beider Abschreibungen würde voraussetzen, dass man den Regelungswortlaut so versteht, dass sich die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen in absoluter Weise und im gesamten Begünstigungszeitraum ausschließlich mit AfA nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG vereinbaren lässt. Dafür könnte sprechen, dass es Regelungszweck sein könnte, eine Begünstigungskumulation zu vermeiden. Allerdings wird in der Regelung allein die Gegenwartsform benutzt ("sind", nicht jedoch "waren und sind"), was auf ein Verbot lediglich der zeitlich parallelen Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und degressiver AfA im betreffenden Veranlagungszeitraum hindeutet. Dafür ließe sich auch anführen, dass in § 7a Abs. 4 EStG ―anders als in dessen Abs. 3 ("in jedem Jahr des Begünstigungszeitraums") ein Zeitbezug fehlt, und zudem, dass § 7a Abs. 4 EStG zwar die AfA nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG verlangt, nicht aber positiv den Ausschluss von § 7 Abs. 2 EStG bestimmt. Jedenfalls kommt die vom FG vertretene Auffassung im Gesetz nicht mit der notwendigen Klarheit zum Ausdruck, so dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen und im summarischen Verfahren zugunsten der Antragstellerin zu entscheiden ist.
3. Der Beschluss des FG, das sich der abweichenden ―und überwiegend vertretenen― Auffassung im Schrifttum angeschlossen hat (vgl. Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 7a Rz. 7, und diesem folgend z.B. Lambrecht in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 7a Rn. 28; Boeker in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 7a Rz. 16; Bordewin in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 7a Rz. 56; Brandis in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 7a EStG Rz. 51; Fleischmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 7a EStG Rz. 72; Ehlers in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 7a EStG Rz, 24; Handzik in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7a EStG Rz. 50; George, daselbst, § 4 FördG Rz. 10; anders möglicherweise Stuhrmann in Blümich, a.a.O., § 4 FördG Rz. 20 a; Kaligin in Lademann, a.a.O., § 4 FördG Rz. 41; Masuch in Bordewin/Brandt, a.a.O., § 4 FördG Rz. 25), war deshalb aufzuheben. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides ist antragsgemäß in jenem Umfang auszusetzen, in welchem die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung vom FA versagt wurde. Die Ermittlung und Berechnung des von der Vollziehung auszusetzenden Steuerbetrages wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 949239 |
BFH/NV 2003, 1053 |
DStRE 2003, 908 |
BBK 2003, 745 |
StuB 2003, 707 |
KÖSDI 2003, 13866 |
ImmoStR 2003, 89 |