Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung bei ausgelaufenem Recht
Leitsatz (NV)
Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise die Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 26.02.2008; Aktenzeichen 3 K 4969/05 F) |
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt --FA--) hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.
1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--).
Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (BFH-Beschluss vom 24. November 2005 II B 46/05, BFH/NV 2006, 587; Senatsbeschluss vom 17. März 2009 X B 34/08, BFH/NV 2009, 1141; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 98 ff. und § 116 FGO Rz 178, jeweils m.w.N.).
2. Das FA stellt die Rechtsfrage heraus, ob der Auflösungsbetrag aus einer in einem verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren Veranlagungszeitraum bei einem den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Steuerpflichtigen zu Unrecht gebildeten Rücklage nach § 7g Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG a.F.) i.V.m. § 7g Abs. 3 EStG a.F. im ersten offenen Veranlagungszeitraum oder erst nach Ablauf des nach § 7g Abs. 4 Satz 2 bzw. § 7g Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 EStG a.F. maßgebenden Investitionszeitraums gewinnerhöhend aufzulösen ist.
3. Der Zulassung der Revision wegen dieser Rechtsfrage steht zunächst entgegen, dass die zu klärende Frage die Auslegung des § 7g EStG a.F., also ausgelaufenes Recht betrifft und das FA einen dennoch bestehenden Bedarf, die im Streitfall zu beurteilende Frage zu klären, nicht dargelegt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Senatsbeschluss vom 18. Februar 2003 X B 58/02, BFH/NV 2003, 622).
Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) wurde § 7g EStG grundlegend geändert, wobei das Konzept der steuerfreien Rücklage aufgegeben und durch den sog. Investitionsabzugbetrag ersetzt wurde. Unterbleibt die Investition bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres, ist der Abzug rückwirkend zu ändern (§ 7g Abs. 3 EStG; vgl. dazu Schmidt/Kulosa, EStG, 28. Aufl., § 7g Rz 27 f.). Die Frage nach dem Zeitpunkt der Auflösung der Rücklage stellt sich damit nicht mehr (so auch Alvermann/Potsch, Finanz-Rundschau 2008, 489), so dass es im Gegensatz zur Auffassung des FA im neuen Recht nicht mehr fraglich ist, in welchem Wirtschaftsjahr ein zu Unrecht in Anspruch genommener Investitionsabzugbetrag rückgängig zu machen ist. Angesichts dieser Rechtslage hätte es einer besonderen Begründung bedurft, weshalb die vom FA aufgeworfene Frage sich für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen kann.
4. Der Zulassung der Revision steht weiterhin entgegen, dass der BFH die vom FA gestellte Rechtsfrage bereits durch das auch in der Beschwerdebegründung zitierte Urteil vom 28. April 2005 IV R 30/04 (BFHE 209, 496, BStBl II 2005, 704) beantwortet hat. Er hat entschieden, dass für einen Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. für die Auflösung einer bestandskräftigen Rücklage gemäß § 7g EStG a.F. Anwendung findet, auch wenn die Rücklage zu Unrecht gebildet wurde.
Hat der BFH eine Rechtsfrage bereits entschieden, muss der Beschwerdeführer substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die bereits entschiedene Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und gewichtigen, vom BFH bisher noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und/oder im Fachschrifttum gegen diese Rechtsprechung vorgebracht werden (BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 2008 VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740, und vom 20. Juni 2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705). Daran fehlt es. Der Hinweis des FA, in dem Senatsurteil vom 21. September 2005 X R 32/03 (BFHE 211, 221, BStBl II 2006, 66) sei eine Tendenz zu erkennen, die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Rücklage nach § 7g EStG a.F. aufzulösen ist, unter Rückgriff auf den Gesamtzusammenhang des § 7g EStG a.F. und nicht isoliert aus dem Gesetzeswortlaut heraus zu beantworten, kann für eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichen. Hinzu kommt, dass das Senatsurteil in BFHE 211, 221, BStBl II 2006, 66 eine zwischenzeitliche Aufgabe der Investitionsabsicht nach zulässiger Bildung einer Ansparrücklage zum Gegenstand hatte, und nicht --wie im vorliegenden Sachverhalt-- die Rechtsfolgen einer zwar unzulässigen, aber bestandskräftig gewordenen Rücklage gemäß § 7g EStG a.F. zu beurteilen waren.
Fundstellen