Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldzahlung als Betriebsausgabe; Divergenz; Sachaufklärungspflicht und Zeugenvernehmung über eine Rechtsfrage; rechtliches Gehör; Überraschungsentscheidung; greifbar gesetzwidrige Entscheidung
Leitsatz (NV)
1. Die Unterschiedlichkeit der im angefochtenen Urteil und in der behaupteten Divergenzentscheidung zu beurteilenden Sachverhalte schließt die Annahme einer Divergenz aus.
2. Die Frage, ob eine Zahlung betrieblich oder privat veranlasst ist, ist eine Rechtsfrage und wird durch eine rechtliche Wertung beantwortet und nicht durch Bekundungen eines Zeugen, so dass insoweit von einer beantragten Zeugenvernehmung zu dieser Frage ohne Verletzung der Sachaufklärungspflicht abgesehen werden kann.
3. Ist die Qualifizierung einer Aufwendung als Betriebsausgabe streitig, liegt die Frage nahe, ob sie betrieblich oder privat veranlasst ist und damit die Frage der Anwendung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, so dass insoweit auch dann keine Überraschungsentscheidung vorliegen kann, wenn diese Bestimmung nicht ausdrücklich genannt wurde.
4. Hat das Finanzgericht die im Streitfall maßgebliche Frage, ob die geltend gemachten Aufwendungen der betrieblichen oder der privaten Sphäre zuzuordnen sind, nach den vom Gesetz und der Rechtsprechung vorgegebenen Maßstäben beurteilt, scheidet insoweit die Annahme einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung aus.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 07.11.2007; Aktenzeichen 10 K 2921/06 G) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Keiner der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegt vor.
Der Kläger war als Makler und Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH tätig gewesen. Aus dieser Tätigkeit waren Verbindlichkeiten entstanden. Für deren Absicherung hatte sich im Jahr 1983 ein Bürge verpflichtet, der 1986 in Anspruch genommen wurde. In den Jahren 1995, 1996 und 1997 leistete der Kläger Zahlungen an den Bürgen. Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 begründete er die Zahlungen mit der Erklärung, sie seien geleistet worden, um eine Ende 1998 beantragte Erlaubnis nach § 34c der Gewerbeordnung (GewO) zu erlangen, nachdem er die frühere Erlaubnis 1987 zurückgegeben habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erkannte die Zahlungen nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Die gegen die entsprechenden Einkommensteuerbescheide gerichtete Klage war vom Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 10. Mai 2005 6 K 498/01 E abgewiesen und die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 9. Februar 2006 X B 107/05 (BFH/NV 2006, 938) als unzulässig verworfen worden.
1. Der Kläger sieht in dem angefochtenen Urteil, mit dem seine Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide abgewiesen wurde, eine Abweichung von mehreren Urteilen des BFH (Urteile vom 22. September 1959 I 55/59; vom 2. September 1965 I 390/60; vom 18. April 1972 VIII R 12/66; vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04) und einem Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Dezember 1979 II 539/77 L. In diesen Entscheidungen sei anerkannt worden, dass Ausgaben eines Steuerpflichtigen zur Abwendung einer Gefährdung seines Rufes als ehrlicher Kaufmann Betriebsausgaben sein können. Dagegen beruhe das angefochtene Urteil auf dem davon abweichenden Rechtssatz, rechtstreues Verhalten, das sich auch im Tilgen eingegangener Verbindlichkeiten zeigen könne, sei stets Ausfluss der allgemeinen Lebensführung und damit nicht betrieblich veranlasst.
Der Kläger hat zwar die formalen Anforderungen an die Rüge der Divergenz erfüllt. Er hat Rechtssätze herausgearbeitet und sie einander gegenüber gestellt und zudem die Entscheidungen mit Datum und Aktenzeichen genau benannt. Er hat allerdings außer Acht gelassen, dass in den behaupteten Divergenzentscheidungen die Aufwendungen jeweils getätigt wurden, um Gefahren für eine laufende Tätigkeit abzuwenden. Dagegen gibt der Kläger als Motiv für seine Zahlungen an, sich mit ihnen durch den Erwerb einer Erlaubnis nach § 34c GewO die Basis für eine künftige Erwerbsquelle zu schaffen. Die sich daraus ergebende Unterschiedlichkeit der zu beurteilenden Sachverhalte schließt die Annahme einer Divergenz aus (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53). Der vom Kläger gezogene Schluss, wenn schon Zahlungen zur Rettung des Rufes als Kaufmann im Rahmen eines laufenden Gewerbebetriebs als Betriebsausgaben anzuerkennen seien, dann müsse dies erst recht gelten, wenn mit den Zahlungen die Basis für eine künftige Tätigkeit geschaffen werden solle, beseitigt die bestehende Abweichung im Sachverhalt nicht.
2. Der Kläger rügt die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 FGO), weil das FG trotz des in der mündlichen Verhandlung wiederholten Beweisantrags die vom Kläger angebotenen Beweise zum Nachweis der ausschließlichen betrieblichen Veranlassung der Zahlungen nicht erhoben habe. Die Rüge greift nicht durch.
Aufwendungen sind dann als durch eine Einkunftsart und damit betrieblich veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dafür sind die --wertende-- Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" und die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre maßgeblich (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 938). Somit ist die Frage, ob eine Zahlung betrieblich oder privat veranlasst ist, eine Rechtsfrage. Sie wird durch eine rechtliche Wertung beantwortet und nicht durch Bekundungen eines Zeugen. Infolgedessen konnte das FG von der beantragten Zeugenvernehmung absehen, weil sie für die zu entscheidende Frage unerheblich war (vgl. Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 26, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Zum einen war unstreitig, dass die Verbindlichkeiten, die der Kläger tilgte, in seiner früheren Erwerbstätigkeit begründet waren. Zum anderen hätte die Aussage des Bürgen als Gläubiger des Anspruchs nach § 774 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, er hätte dem Kläger ohne die Tilgung der Schulden einen Neubeginn als Makler unmöglich machen können, die vom FG anzustellende steuerrechtliche Würdigung und Wertung der Zahlungen weder ersetzt noch erübrigt.
3. Der Kläger rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO). Das FG habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen. Es habe seine Entscheidung auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gestützt, obwohl dieser Aspekt im laufenden Rechtsstreit nie angesprochen worden sei und das FG auf diesen Gesichtspunkt auch nicht hingewiesen habe. Das Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme eines Verfahrensfehlers.
Ist die Qualifizierung einer Aufwendung als Betriebsausgabe streitig, liegt die Frage nahe, ob sie betrieblich oder privat veranlasst ist. Stellt sich diese Frage, so kommt zwangsläufig § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG in den Blick, ohne dass die gesetzliche Bestimmung ausdrücklich genannt werden muss. Entgegen der Ansicht des Klägers war dies bereits im Verfahren gegen die Einkommensteuerbescheide der Fall, wie dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 938 über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das in jenem Verfahren erlassene Urteil des FG zu entnehmen ist. In dem Beschluss sind die Abgrenzung zu Aufwendungen, die "nicht oder in nur unbedeutenden Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen" und damit die Kriterien des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich angesprochen. Der bereits im Verwaltungs- und in beiden Klageverfahren fachkundig vertretene Kläger musste sich somit darauf einstellen, dass diesem Gesichtspunkt, der bei der zu beurteilenden Streitfrage schon von der Sache her keinesfalls fern liegt, im Verfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide ebenfalls Bedeutung zukommt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 20. August 1998 XI B 110/95, BFH/NV 1999, 329, und Senatsbeschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947).
4. Mit dem Vorbringen, das FG habe gegen Denkgesetze verstoßen, rügt der Kläger einen materiellen Rechtsfehler (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 83). Ein solcher rechtfertigt die Zulassung der Revision allenfalls dann, wenn das angefochtene Urteil greifbar gesetzwidrig ist.
a) Zwar ist anerkannt, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erforderlich sein kann, wenn ein Urteil an gravierenden Rechtsanwendungsfehlern leidet und deshalb greifbar gesetzwidrig ist.
b) Die Annahme einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung muss jedoch auf ganz außergewöhnliche Fallgestaltungen beschränkt bleiben (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1998 X B 163/98, BFH/NV 1999, 504). So kann eine greifbare Gesetzwidrigkeit bejaht werden, wenn eine Entscheidung jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt, auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte, oder wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen oder eine solche Vorschrift völlig unvertretbar ausgelegt hat. Nach Auffassung des beschließenden Senats beruht nur in solchen Fällen die Entscheidung auf einem gravierenden, unerträglichen und außerdem offenkundigen, d.h. ohne Weiteres erkennbaren Rechtsverstoß, so dass sie als mit der vorliegenden Rechtsprechung schlechthin unvereinbar und an einem so schweren Rechtsfehler leidend angesehen werden kann, dass sie bei verständiger Würdigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheinen kann (Senatsbeschluss vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116).
c) Davon kann bei dem angefochtenen Urteil nicht die Rede sein. Das FG hat die im Streitfall maßgebliche Frage, ob die geltend gemachten Aufwendungen der betrieblichen oder der privaten Sphäre zuzuordnen sind, nach den vom Gesetz und der Rechtsprechung vorgegebenen Maßstäben beurteilt. Seine Überlegung, rechtstreues Verhalten, das sich auch im Tilgen eingegangener Verbindlichkeiten zeigen könne, sei stets Ausfluss der allgemeinen Lebensführung, muss im gegebenen Zusammenhang gesehen werden. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den fraglichen Zahlungen um die Tilgung von Verbindlichkeiten handelte, die in der Vergangenheit begründet wurden und durch die künftige Tätigkeit des Klägers bei wertender Betrachtung weder verursacht noch veranlasst waren. Nur wenn die Aussage des FG aus ihrem Zusammenhang gelöst wird, wirft sie die vom Kläger aufgeworfene Frage nach ihrer Schlüssigkeit und der vom Kläger angeführten Konsequenz auf, dass dann jede Betriebsausgabe ausgeschlossen wäre. Eine solche isolierte Betrachtung wird der Sache jedoch nicht gerecht.
Fundstellen
Haufe-Index 2081437 |
BFH/NV 2009, 209 |