Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Zufluß von Einnahmen aus einer stillen Beteiligung trotz Verwendung zur Auffüllung der Einlage
Leitsatz (NV)
1. Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die inländische Kapitalerträge sind, unterliegen nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG der Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer).
2. Auch Gewinnanteile des stillen Gesellschafters, die zur Wiederauffüllung seiner durch Verluste geminderten Einlage dienen, stellen Einnahmen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG dar.
3. Die zur Auffüllung der Einlage verwendeten Beträge fließen dem stillen Gesellschafter mit der Gutschrift auf seinem Einlagekonto zu. Dem steht nicht entgegen, daß der stille Gesellschafter den gutgeschriebenen Betrag infolge der Wiederauffüllung der durch Verluste geschmälerten Einlage nicht abrufen kann.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 3; DBA USA Art. 6 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das am 30. November endete. Sie nahm am 22. Februar 1978 die Fa. X als stille Gesellschafterin mit einer Einlage von . . . DM auf. Die Gesellschaft konnte frühestens zum 30. September 1993 gekündigt werden. Die X war mit 65 v. H. am Gewinn und Verlust des Handelsgewerbes der Antragstellerin beteiligt, nahm jedoch am Verlust nur bis zum Betrag der Einlage teil. Es waren die für die ,,typische stille Gesellschaft" nach §§ 335 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) a. F. entwickelten Grundsätze zu beachten. Ein etwaiger Verlustanteil wurde der Einlage belastet. Bei Beendigung der Gesellschaft erhielt die X ihre Einlage abzüglich etwaiger Verluste zurück. In diesen Vertrag trat am 29. Dezember 1978 die Y als stille Gesellschafterin anstelle der X ein.
Die stille Einlage von . . . DM wurde bis zum Jahre 1979 durch Anlaufverluste aufgezehrt.
Im Jahre 1983 verpflichtete sich die Y unter bestimmten - unstreitig eingetretenen - Voraussetzungen, ihre stille Einlage bei der Antragstellerin aufzufüllen, was im streitigen Wirtschaftsjahr 1985/86 geschah.
Im streitigen Wirtschaftsjahr 1985/86 erzielte die Antragstellerin erstmalig einen Gewinn von . . . DM, wovon . . . DM (= 65 v. H.) auf die Y entfielen. In Höhe von . . . DM wurde hiermit die Einlage aufgefüllt. Der Restbetrag wurde an die Y ausgeschüttet und mit 25 v. H. der Kapitalertragsteuer unterworfen.Die Gutschrift auf dem Einlagekonto wurde nicht der Kapitalertragsteuer unterworfen.
Am 9. Mai 1988 erließ der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) einen auf § 44 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützten Haftungsbescheid. Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den bis jetzt noch nicht entschieden ist. Sie beantragte gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung.
Die Aussetzung der Vollziehung wurde vom FA abgelehnt.
Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), den Haftungsbescheid in Höhe von . . . DM, hilfsweise in Höhe von . . . DM von der Vollziehung auszusetzen und etwaige angefallene Säumniszuschläge aufzuheben.
Das FG wies den Antrag als unbegründet ab.
Der Hilfsantrag sei ebenfalls nicht begründet. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen (DBA-USA) führe nicht dazu, daß die Kapitalertragsteuer bereits in diesem Verfahren auf 15 v. H. ermäßigt werden müsse (Art. VI Abs. 2 DBA-USA) oder daß aufgrund des Begriffs Einkünfte in Art. VI Abs. 8 DBA-USA die Kapitalertragsteuer entsprechend den Werbungskosten ermäßigt werden müsse oder ganz wegfiele.
Gegen den Beschluß des FG legte die Antragstellerin Beschwerde ein, die das FG zuließ.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 und Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids verneint.
1. Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die inländische Kapitalerträge sind, unterliegen gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG der Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer). Soweit die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters zur Wiederauffüllung seiner durch Verluste geminderten Einlage dienen, liegen bei summarischer Beurteilung der Rechtslage Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor. Einnahmen sind bei Einkünften i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen zufließen (§ 8 Abs. 1 EStG). Die zur Auffüllung der Einlage verwendeten Beträge fließen dem stillen Gesellschafter zu. Ein Zufließen kann auch mit einem buchmäßigen Festhalten einer Schuldverpflichtung verbunden sein, wenn der Verpflichtete durch die Buchung zum Ausdruck bringt, daß dem Berechtigten der Betrag von nun an zur Verfügung steht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Dies ist bei der Gutschrift auf dem Einlagekonto des stillen Gesellschafters der Fall.
Dem steht nicht entgegen, daß der stille Gesellschafter den gutgeschriebenen Betrag nicht mehr abrufen konnte. Entscheidend ist, daß die Gutschrift zu der bestimmungsmäßigen Verwendung zur Verfügung stand, nämlich zur Auffüllung der Einlage. Die Gutschrift ist der abgekürzte Weg anstelle der Auszahlung des gutgeschriebenen Betrages und der Wiedereinzahlung des gutgeschriebenen Betrages zur Gutschrift auf dem Einlagekonto.
Ein Zufluß von Gütern, der in einem Geldwert besteht, liegt vor, weil die Vermögensposition des stillen Gesellschafters nicht nur durch die Begründung einer Forderung verbessert wurde, was einen Zufluß ausschlösse. Sie wurde vielmehr dadurch verstärkt, daß die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr zur Auffüllung der durch Verlust geminderten Einlage herangezogen werden, als dies ohne die Gutschrift der Fall gewesen wäre. Die Gutschrift ersetzt insoweit eine tatsächliche Einzahlung. Sie steht dem Zufluß des Betrages gleich, der nötig ist, um die durch die Verluste geminderte Einlage aufzufüllen.
Der Umstand, daß sich die Einlage des stillen Gesellschafters durch Verluste mindern kann, steht bei summarischer Beurteilung der Annahme eines Zuflusses nicht entgegen, obwohl dadurch letztlich der Fall eintreten könnte, daß der stille Gesellschafter den zur Auffüllung der Einlage gutgeschriebenen Betrag nie ausbezahlt erhält. Die Gefahr des Verlustes ist die notwendige Folge der bestimmungsgemäßen Verwendung des gutgeschriebenen Betrages. Besteht diese in der Auffüllung der Einlage, nimmt der gutgeschriebene Betrag notwendigerweise auch an den Risiken teil, die mit der Einlage eines stillen Gesellschafters verbunden sind.
Ein vergleichbarer Sachverhalt besteht, wenn sich ein Arbeitnehmer beim Erwerb von Belegschaftsaktien zum verbilligten Kurs verpflichtet, die Aktien während eines bestimmten Zeitraums nicht weiter zu veräußern. Der Vorteil wird aufgrund des Kurses der Aktien zur Zeit der Überlassung ermittelt und fließt dem Arbeitnehmer mit der Überlassung zu, selbst wenn der Wert der Aktien bei einer späteren Veräußerung gesunken ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 1984 VI R 39/80, BFHE 142, 475, BStBl II 1985, 136, und vom 7. April 1989 VI R 47/88, BFHE 156, 468, BStBl II 1989, 608). Anstelle der Gutschrift auf dem Einlagekonto des stillen Gesellschafters tritt im Falle der Überlassung verbilligter Belegschaftsaktien die Übereignung der Aktien, die mit einem zeitlichen Veräußerungsverbot belegt sind und insoweit mit einem Kursrisiko belastet sind, das dem Verlustrisiko des stillen Gesellschafters entspricht.
2. Die Besonderheiten der Regelung betreffend die beschränkte Steuerpflicht rechtfertigen es bei summarischer Beurteilung der Rechtslage nicht anzunehmen, daß bei beschränkt steuerpflichtigen stillen Gesellschaftern die Gewinngutschriften zu keinen Einnahmen aus Kapitalvermögen führen.
Die Regelung im EStG bezüglich der Kapitaleinkünfte beschränkt Steuerpflichtiger geht davon aus, daß die Besteuerung der Kapitaleinkünfte dem Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Empfängers der Bezüge zusteht. Die Besteuerung durch die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) beschränkt sich auf die Vornahme eines Kapitalertragsteuerabzugs. Der Senat muß nicht prüfen, welche Auswirkungen sich im Streitfall nach dem Steuerrecht des jeweiligen Wohnsitz- bzw. Sitzstaates ergeben. Besteht in dem Wohnsitz- bzw. Sitzstaat eine Rechtslage, die mit der in der Bundesrepublik bestehenden vergleichbar ist, sind die Ungereimtheiten nicht vorhanden, auf die sich die Klägerin beruft. Der stille Gesellschafter kann dann regelmäßig die Gewinnanteile von der Bemessungsgrundlage für die ausländischen Steuern abziehen (sei es, weil das ausländische Steuerrecht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen so verfährt wie die deutsche Rechtsprechung oder weil die stille Beteiligung zu einem Betriebsvermögen gehört und sich der Verlust dort auswirkt - vgl. hierzu nach deutschem Steuerrecht Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 EStG Anm. 838 -); die in der Bundesrepublik erhobene Kapitalertragsteuer kann der stille Gesellschafter auf die ausländische Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer anrechnen (vgl. zur Rechtslage in der Bundesrepublik § 34 c EStG). Besteht in dem ausländischen Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des stillen Gesellschafters keine entsprechende Regelung (insbesondere weil nach dem maßgebenden ausländischen Steuerrecht die Verlustanteile die Bemessungsgrundlage nicht mindern), ist dies kein Anlaß für eine andere Auslegung der deutschen Vorschriften betreffend den Kapitalertragsteuerabzug. Die höhere Belastung entsteht dann in erster Linie durch die Regelung im Wohnsitz- bzw. Sitzstaat und nicht durch die Erhebung der Kapitalertragsteuer in der Bundesrepublik, die regelmäßig auf die ausländische Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer angerechnet werden kann (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 4. Februar 1987 I R 252/83, BFHE 149, 50, BStBl II 1987, 682).
3. Die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer ist durch das DBA-USA vom 22. Juli 1954 (BGBl II 1954, 1119, BSTBl I 1955, 70) nicht eingeschränkt. Nach Art. VI Abs. 2 DBA-USA darf die Steuer der Bundesrepublik von Dividenden, die eine amerikanische Körperschaft von einer deutschen Gesellschaft bezieht, 15 v. H. des Bruttobetrages nicht übersteigen. Die Einkünfte eines stillen Gesellschafters gehören auf seiten der Bundesrepublik gemäß Art. VI Abs. 8 DBA-USA zu den ,,Dividenden". Die Einkünfte wurden von einer amerikanischen Körperschaft bezogen. Die Y ist eine nach dem Recht der Vereinigten Staaten errichtete Körperschaft und damit eine amerikanische Körperschaft (Art. II Abs. 1 e DBA-USA). Im Streitfall kann offen bleiben, ob Art. VI Abs. 8 DBA-USA nur eine stille Beteiligung betrifft, die an einer deutschen Gesellschaft besteht (vgl. Art. VI Abs. 2 DBA-USA); denn die Antragstellerin ist eine deutsche Gesellschaft. Sie ist eine juristische Person, die ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz in der Bundesrepublik hat (vgl. Art. II Abs. 1 f DBA-USA). Aus der Verwendung des Begriffs ,,Einkünfte" in Art. VI Abs. 8 DBA-USA folgt nicht, daß die Nettoeinkünfte zugrunde zu legen sind und damit bei der Anwendung des DBA-USA die Bemessungsgrundlage für die deutsche Kapitalertragsteuer um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bzw. einen Verlustabzug zu mindern ist. Art. VI Abs. 2 DBA-USA, der bei dem Vorliegen von Einkünften aus einer stillen Beteiligung zur Anwendung kommt, stellt auf den Bruttobetrag der Dividenden ab. Wenn Art. VI Abs. 8 DBA-USA die Einkünfte aus einer stillen Beteiligung den Dividenden gleichstellt und nach der für die Dividenden maßgebenden Vorschrift die Bemessungsgrundlage der Bruttobetrag ist, geht für die Bemessungsgrundlage die ausdrücklich in Art. VI Abs. 2 DBA-USA getroffene Regelung vor. Art. VI Abs. 8 ermöglicht lediglich Einkünfte aus einer stillen Beteiligung der deutschen Kapitalertragsteuer zu unterwerfen; die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Kapitalertragsteuer ergibt sich aus Art. VI Abs. 2 DBA-USA.
Der Erhebung der Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 v. H. der Bemessungsgrundlage steht nicht entgegen, daß Art. VI Abs. 2 DBA-USA von 15 v. H. des Bruttobetrages ausgeht. Dies hindert die Bundesrepublik nicht, den Steuerabzug an der Quelle, wie im innerstaatlichen Recht vorgesehen, vorzunehmen und den Empfänger der Bezüge auf ein Erstattungsverfahren zu verweisen (BFH-Urteil vom 18. März 1982 I R 165/78, BFHE 135, 470, BStBl II 1982, 518).
Fundstellen
Haufe-Index 416895 |
BFH/NV 1991, 683 |