Entscheidungsstichwort (Thema)
Passivlegitimation bei Zuständigkeitsänderung des Finanzamts
Leitsatz (NV)
1. Führt bei einem Zuständigkeitswechsel das bisher zuständig gewesene Finanzamt das Besteuerungsverfahren gemäß § 26 Satz 2 der Abgabenordnung fort, so bleibt dieses Finanzamt im anschließenden Steuerprozess der richtige Beklagte.
2. Ändern sich während des finanzgerichtlichen Verfahrens die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts, wird dadurch die Passivlegitimation der beklagten Behörde nicht berührt.
Normenkette
AO 1977 § 26 S. 2; FGO § 63
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nicht.
a) Im Zusammenhang mit der vom Finanzgericht (FG) bejahten Passivlegitimation des beklagten Finanzamts A (FA) rügt der Kläger, er habe kein rechtliches Gehör zur Verfahrenslage erhalten, nachdem die Vertreterin des FA in der mündlichen Verhandlung auf das Fehlen von Akten hingewiesen und die Möglichkeit angesprochen habe, dass der Rechtsstreit nunmehr durch das Wohnsitz-Finanzamt B geführt werde. Die Verfahrensrüge ist unschlüssig, weil selbst dann, wenn die behauptete Gehörsverletzung vorläge, die Entscheidung des FG nicht darauf beruhen könnte. Denn entgegen der Auffassung des Klägers hätte das FA seine Stellung als Beteiligter des Klageverfahrens nicht durch eine (ohnehin nur vermutete) Beiziehung der Akten durch das Wohnsitz-Finanzamt verlieren können. Wechselt während des Besteuerungsverfahrens die Zuständigkeit des Finanzamts, führt das bisher zuständig gewesene Finanzamt das (Besteuerungs-)Verfahren aber gemäß § 26 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) fort, so bleibt dieses Finanzamt im anschließenden Steuerprozess der richtige Beklagte (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Juli 1997 I R 14/97, BFH/NV 1998, 420). Ähnlich dem Grundsatz der Fortdauer der Gerichtszuständigkeit ("perpetuatio fori") wird die Passivlegitimation der beklagten Behörde nicht berührt, falls sich während des finanzgerichtlichen Verfahrens die Voraussetzungen der §§ 17 ff. AO 1977 für die Zuständigkeit des Finanzamts ändern (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 63 FGO Tz. 6). Deshalb ist auch die Rüge des Klägers unbegründet, das FG sei nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, die Beteiligtenfähigkeit des Beklagten festzustellen.
b) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe seinen Vortrag nicht berücksichtigt, dass das Land X als Arbeitgeber das Darlehen nicht nur vermittelt habe, ist ein Verfahrensfehler nicht gegeben. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt worden, da der --fachkundig vertretene-- Kläger ausreichende Gelegenheit zur Äußerung hatte und diese auch wahrgenommen hat. Das FG war auch nicht gehalten, den Sachverhalt weiter aufzuklären oder Beweise zu erheben. Einen diesbezüglichen Antrag hat der Kläger ausweislich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass das FG auch ohne entsprechenden Beweisantritt den Sachverhalt von Amts wegen hätte weiter aufklären müssen. Insbesondere ist nicht dargelegt, inwiefern eine Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2005 X B 51/05, BFH/NV 2006, 117). Denn entgegen der bereits in der Klageschrift vertretenen Meinung des Klägers, der Darlehensvertrag sei aufgrund der besonderen Gegebenheiten des Falles als Arbeitgeberdarlehen zu beurteilen, ist das FG zu der Auffassung gelangt, dass allein die zwischen dem Kläger und der Bausparkasse Y bestehende Vertragsbeziehung maßgebend sei. Auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung kam es danach nicht an.
2. Mit der Rüge, das Urteil des FG verletze materielles Recht, ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in zulässiger Weise begründet, weil damit keiner der Zulassungsgründe des § 115 FGO geltend gemacht wird (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 27). Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Das finanzgerichtliche Urteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. Januar 1972 III ZR 86/69 (Betriebs-Berater 1973, 258) ab. Dazu trägt der Kläger vor, eine privatrechtliche Darlehensvergabe (hier: durch die Y) hätte nur vorliegen können, wenn die Y das Darlehen unabhängig von dem Bewilligungsbescheid hätte kündigen können. Ein derartiger Rechtssatz lässt sich dem genannten BGH-Urteil nicht entnehmen. Dort heißt es im Zusammenhang mit der sog. Zweistufentheorie lediglich, dass das privatrechtliche Darlehensverhältnis durch eine bürgerlich-rechtliche Kündigungserklärung beendet werden könne, ohne dass es einer Rücknahme des Bewilligungsbescheides bedürfe. Einen dem entgegenstehenden Rechtssatz hat das FG in dem angefochtenen Urteil nicht aufgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 1482566 |
BFH/NV 2006, 805 |