Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Veräußerungsgewinns infolge Verzichts auf Ausgleich eines negativen Kapitalkontos; Berücksichtigung von Mietaufwendungen als besondere Belastungen bei der PKH; Beginn der Verpflichtung zur Ratenzahlung bei Bewilligung von PKH; Kostenverteilung im Beschwerdeverfahren gegen Ablehnung von PKH
Leitsatz (NV)
1. Aus der Nichtgeltendmachung eines wertlosen Anspruchs auf Ausgleich eines negativen Kapitalkontos kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß auf den Anspruch verzichtet wird.
2. Es bedarf keiner Stellungnahme zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ungewöhnlich hohe Mietaufwendungen als besondere Belastungen im Rahmen der PKH zu berücksichtigen sind, solange der Antragsteller die Höhe der Miete nicht angibt.
3. Die Verpflichtung zur Ratenzahlung beginnt mit Wirksamwerden der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe, jedoch nicht vor Fälligkeit der Gebühren und Auslagen.
4. Zur Kostenquote bei Begründetheit der Beschwerde im PKH-Verfahren hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage und Unbegründetheit hinsichtlich der Verpflichtung zur Ratenzahlung.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 142; ZPO §§ 114, 115 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) war einzige Kommanditistin der zum 1. Januar 1980 gegründeten Firma X-GmbH & Co., . . . KG. Komplementärin war die Firma X-GmbH. Die Komplementärin war nicht am Kapital der KG beteiligt und erhielt lediglich Ersatz ihrer Aufwendungen. Die Hafteinlage der Kommanditistin betrug 50000 DM und wurde bar eingezahlt. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte der Gewinn im Verhältnis der positiven Kapitalanteile umgelegt werden. Am Verlust der Gesellschaft nahm die Kommanditistin nicht teil. In den Folgejahren erzielte die KG Gewinne, die nach Abzug des Aufwendungsersatzes für die GmbH der Antragstellerin zugewiesen wurden. Über die zugewiesenen Gewinne hinaus entnahm die Antragstellerin jährlich hohe Beträge, die zu einem negativen Kapitalkonto führten. Zum 31. Dezember 1985 wies die Bilanz der KG ein negatives Kapitalkonto der Antragstellerin in Höhe von 157217 DM aus. Am 19. September 1986 beschlossen die Gesellschafter die Liquidation der KG. Am 16. Oktober 1986 wurde die KG im Handelsregister gelöscht. Sie erstellte auf den 1. Oktober 1986 eine Liquiationseröffnungsbilanz, in der das Kapital der Gesellschafter nach Berücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 31000 DM und von Einlagen und Entnahmen 187507 DM betrug. Ein Antrag der KG auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen wurde am 13. Januar 1987 abgewiesen, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Konkursmasse nicht vorhanden war.
Nachdem die Frist zur Abgabe der die KG betreffenden Gewinnfeststellungserklärung für das Jahr 1986 erheblich überschritten wurde, schätzte das Finanzamt (FA) die Besteuerungsgrundlagen. Die Schätzung orientierte sich an der Bilanz auf den 31. Dezember 1985 und der Liquidationseröffnungsbilanz auf den 1. Oktober 1986. Das FA stellte einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 100000 DM fest. Zur Begründung führte es aus, daß im Zuge der Liquidation das negative Kapitalkonto der Antragstellerin nach § 167 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches (HGB) weggefallen sei. Dieser Wegfall stelle einen steuerlichen Gewinn dar.
Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch trugen die Gesellschafter der KG vor, das negative Kapitalkonto sei durch Entnahmen entstanden. Außerdem hafte die Kommanditistin nach § 169 Abs. 1 Satz 2 und § 172 Abs. 4 HGB für die Gesellschaftsschulden. Ein Veräußerungsgewinn sei deshalb nicht entstanden. Der Aufforderung des FA, darzulegen, in welcher Höhe die Antragstellerin bereits in Anspruch genommen worden sei bzw. in welcher Höhe sie mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse, kamen die Einspruchsführer nicht nach. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA den Gewinn für 1986 auf 0 DM fest, wobei es der Komplementär-GmbH einen Verlust in Höhe von 187507 DM und der Antragstellerin einen Veräußerungsgewinn in gleicher Höhe zurechnete. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage zum Finanzgericht (FG) erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe (PKH) gestellt. Das FG gab dem Antrag insoweit statt, als es der Antragstellerin vom Zeitpunkt der Antragstellung ab gegen monatliche Ratenzahlung in Höhe von 90 DM PKH in Höhe von 43 v.H. des Streitwerts gewährte und ihr ihren Prozeßbevollmächtigten als Vertreter zuordnete.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, mit der sie sinngemäß beantragt, ihr PKH in voller Höhe und ohne Ratenzahlung zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
1. Entgegen der Auffassung des FG hat die Klage der Antragstellerin nicht nur teilweise sondern in vollem Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist in rechtlicher Hinsicht erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 123, BStBl II 1986, 526, m.w.N.).
FA und FG ist zuzugeben, daß ein Kommanditist, dessen Kapitalkonto durch rückzahlungspflichtige Entnahmen negativ geworden ist, einen Veräußerungsgewinn erzielt, wenn er aus der Gesellschaft ausscheidet, ohne eine Ausgleichszahlung leisten zu müssen (BFH-Beschluß vom 4. Oktober 1979 IV B 52/79, nicht veröffentlicht; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl. § 15a Anm.85b). Das gilt auch dann, wenn der Ausgleichsanspruch, auf dessen Geltendmachung die übrigen Gesellschafter verzichtet haben, uneinbringlich ist (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1966 IV 232/64, BFHE 88, 122, BStBl III 1967, 309). Während jedoch aus der Nichtgeltendmachung eines durchsetzbaren Ausgleichsanspruchs häufig der Schluß gezogen werden kann, daß auf den Anspruch verzichtet wird, ist dies bei einem wertlosen Anspruch entgegen der Auffassung von FA und FG nicht ohne weiteres der Fall. Es kann wirtschaftlich vernünftig sein, mit der Durchsetzung zu warten, bis sich die Erfolgsaussichten bessern. Die spätere Geltendmachung des Anspruchs setzt nicht voraus, daß der Gläubiger bereits zu Zeiten der Wertlosigkeit versucht hat, den Schuldner in Anspruch zu nehmen.
Auch der Umstand, daß die Liquidation der Gesellschaft beendet wurde, ohne daß der Ausgleichsanspruch geltend gemacht worden ist, führt nicht dazu, daß hierin ein Erlaß zu sehen wäre. Die Liquidatoren haben zur Aufgabe, die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen (§ 149 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB). Sodann haben sie das nach der Berichtigung der Schulden verbleibende Vermögen zu verteilen (§ 155 Abs. 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB). Wenn im Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, obliegt es jedoch nicht den Liquidatoren, sondern den einzelnen Gesellschaftern, etwaige Ausgleichsansprüche gegen Mitgesellschafter geltend zu machen.
Das kann auch nach Beendigung der Liquidation geschehen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. April 1966 II ZR 34/64, Betriebs-Berater - BB - 1966, 844). Im Streitfall könnte die Komplementär-GmbH im Wege der Nachtragsliquidation erneut Handlungsfähigkeit erlangen.
2. Zutreffend hat das FG Monatsraten in Höhe von 90 DM festgesetzt, die jedoch bis zur Erreichung des vollen Streitwerts zu leisten sind. Anzahl und Höhe der Raten ergeben sich aus der Anlage 1 zu § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Einwand der Antragstellerin, ihre Mietaufwendungen seien höher als das (vom FG nicht als Einnahme berücksichtigte) Wohngeld, kann keinen Erfolg haben. Der Senat braucht nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen ungewöhnlich hohe Mietausgaben als besondere Belastung i.S. von § 115 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 ZPO anzusehen sind (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, § 115 Rdnr.21). Im Streitfall fehlt es bereits an dem Erfordernis, daß die Antragstellerin die Höhe der Miete anzugeben hätte (§ 117 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 142 Abs. 1 FGO).
3. Die Antragstellerin hat den Tenor des angefochtenen Beschlusses mißverstanden, wenn sie annimmt, sie habe die Raten rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zu zahlen. Die vom FG ausgesprochene Rückwirkung betrifft lediglich die Kosten, die von der PKH umfaßt sind, wirkt sich demnach zugunsten der Antragstellerin aus. Die Verpflichtung zur Ratenzahlung beginnt mit Wirksamwerden der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe, jedoch nicht vor Fälligkeit der Gebühren und Auslagen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Tz.52).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung eines Antrags auf PKH sind Kosten zu erheben (BFH-Beschluß vom 18. Oktober 1988 VII E 9-10/88, BFHE 154, 454, BStBl II 1989, 47). Obsiegt der bedürftige Beteiligte im Beschwerdeverfahren, treffen ihn keine Kosen; diese sind vielmehr der Staatskasse aufzuerlegen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 142 FGO Tz.102). Das Verhältnis des Obsiegens (Erfolgsaussichten der Klage) zum Unterliegen (48 Monatsraten 90 DM) wird auf 50:50 geschätzt.
Fundstellen
Haufe-Index 419115 |
BFH/NV 1993, 658 |