Leitsatz (amtlich)
Dem EGH werden nach Art. 177 EWGV folgende Fragen vorgelegt:
- Ist der Begriff „einheitlicher Preis frei Bestimmungsort” in Art. 8 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 803/68 (ZWVO) dahin auszulegen, daß dieser Preis für alle Bestimmungsorte im Zollgebiet der Gemeinschaft einheitlich sein muß?
- Wird die Frage zu 1. bejaht, kann – ggf. wie – berücksichtigt werden, daß einheitliche Preise frei Bestimmungsort nur für einen Mitgliedstaat gelten?
- Wie ist Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ZWVO hinsichtlich der Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis auszulegen?
Normenkette
EWGV 803/68 (ZWVO) Art. 8 Abs. 2; AO § 171 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ heim Zollamt (ZA) X, einer Dienststelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt – HZA –), in der Zeit vom 6. März bis M. November 1972 insgesamt 15 Sendungen mit LKW eingeführtes tiefgefrorenes Obst und Gemüse zum freien Verkehr abfertigen. Nachdem das ZA zunächst die Eingangsabgaben auf der Grundlage der angemeldeten Werte unter Abzug der von der beauftragten Spedition errechneten inländischen Frachtkostenanteile erhoben hatte, forderte es unter Änderung der Zollbescheide Zoll nach mit der Begründung, daß die inländischen Frachtkosten nicht zollwertmindernd berücksichtigt werden könnten, weil die Waren, gleichgültig für welchen Ort sie bestimmt gewesen seien, zu gleichen Preisen berechnet worden seien.
Mit ihrem Einspruch legte die Klägerin eine Bestätigung des Generalvertreters der Lieferfirma vom 11. August 1972 des Inhalts vor, daß in den Fakturenwerten ein Pauschalbetrag von 0,62 DM/kg netto für die Fracht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) angenommen werde. Dasselbe gehe aus dem Schreiben der Lieferfirma vom 30. August 1972 hervor. Danach sei für die deutsche Strecke innerhalb der Lieferpreise ein Durchschnittsfrachtaufschlag von 62 DM/t kalkuliert.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 809/68 des Rates vom 27. Juni 1968 – ZWVO – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 148/6 vom 28. Juni 1968) könnten die inländischen Beförderungskosten im Fall der Berechnung eines einheitlichen Preises frei Bestimmungsort nur dann von diesem Preis abgezogen werden, wenn der Zollstelle nachgewiesen werde, daß der Preis frei Grenze niedriger wäre als der einheitliche Preis frei Bestimmungsort. Nach der Aussage der beiden vernommenen Zollbeamten berechne die Lieferfirma ihre Ware allen Käufern im Bundesgebiet zu einem einheitlichen Preis frei Bestimmungsort. Den Nachweis, daß der Preis frei Grenze für jeden Abnehmer niedriger wäre als der einheitliche Preis frei Haus, habe die Klägerin nicht erbringen können. Das Schreiben vom 30. August 1972 enthalte lediglich die – nachträglich veranlagte – Behauptung, daß die Frei-Grenze-Preise um 62 DM/t niedriger als die Preise auf der Basis franko Station Bundesrepublik seien. Behauptungen, deren Richtigkeit nicht nachgeprüft werden könne, seien allein nicht geeignet, die entsprechenden Tatsachen nachzuweisen. Aus der Berechnung der Deutschen Frachtenprüfstelle in Braunschweig gehe nun hervor, daß der Klägerin ein Frachtanteil von 70,30 DM/t entstanden sei, nicht jedoch, daß ein von der Lieferfirma in Rechnung gestellter „frei Grenze Preis” um diesen Betrag niedriger wäre.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 76 i. V. m. § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO), des § 171 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) und des Art. 8 Abs. 2 ZWVO sowie anderer Vorschriften des formellen und materiellen Rechts. Sie führt aus, das FG verkenne den Inhalt des Schreibens vom 30. August 1972, das verbindlich bekunde, daß die Lieferfirma bei einer Abnahme frei Grenze einen um 62 DM/t geringeren Preis als den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis berechnet hätte. Das FG habe den Umfang der in § 171 Abs. 3 AO normierten Mitwirkungspflicht unangemessen ausgedehnt, indem es die Beibringung weiterer, unzumutbarer Nachweise verlangt habe. Es habe nach den allgemeinen materiellen und prozessualen Regeln über die Würdigung von Beweisen berücksichtigen müssen, daß der von der Lieferfirma der Klägerin bestätigte Frei-Grenze-Preis in seiner Relation (62 DM/t pauschaler Abzug vom Preis franko inländische Station) den gesetzlichen Beförderungstarifen (Reichskraftwagentarif – RKT – gemäß §§ 20 ff. des Güterkraftverkenrsgesetzes – GüKG –) im Inland entspreche, also kein willkürlicher Preisabschlag sei.
Entscheidungsgründe
Nach der hier in Betracht kommenden Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 ZWVO sind die innerhalb der Gemeinschaft anfallenden Beförderungskosten nicht von einem Rechnungspreis abzuziehen, wenn dieser einheitlich frei Bestimmungsort berechnet wird und dem Preis am Ort des Verbringens in das Gemeinschaftsgebiet entspricht (Satz 1). Ein solcher Abzug ist jedoch unzulässig, wenn der Zollstelle nachgewiesen wird, daß der Preis frei Grenze niedriger wäre als der einheitliche Preis frei Bestimmungsort (Satz 2). Im Streitfall hat das FG lediglich festgestellt, daß die ausländische Lieferfirma ihre Wagen allen Käufern im Bundesgebiet zum selben Preis frei Bestimmungsort berechnet.
Dies wirft zunächst die Frage auf, ob in diesem Fall Art. 8 Abs. 2 Satz 1 ZWVO angewendet werden kann. Art. 8 ZWVO behandelt die spezielle Frage, wie die Kosten des Beförderns außerhalb und innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zollwertrechtlich zu behandeln sind. Abs. 1 regelt deren Aufteilung im Verhältnis der Streckenanteile außerhalb und innerhalb der Gemeinschaft bei durchgehender Frachtberechnung und gleicher Beförderungsart. Abs. 2 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die sich auf die Beförderung innerhalb der Gemeinschaft beziehenden Kosten von einem einheitlichen Preis frei Bestimmungsort abgezogen werden können. Es liegt daher nahe, auch den Begriff „einheitlicher Preis frei Bestimmungsort” auf das Gemeinschaftsgebiet zu beziehen und ihn dahin auszulegen, daß es sich um einen Preis handelt, der einheitlich für alle Orte der Gemeinschaft in gleicher Höhe ohne Rücksicht auf die tatsächlich angefallenen Beförderungskosten berechnet wird. Es wird jedoch auch die Auffassung vertreten, daß der Preis lediglich für bestimmte Orte einer Preiszone innerhalb des Gemeinschaftsgebiets einheitlich sein muß, z. B. für einzelne Mitgliedstaaten verschieden hoch sein kann, vorausgesetzt, daß er jeweils dem Preis am Verbringungsort entspricht (s. Zepf, Wertverzollung, 3. Aufl., Art. 8 ZWVO A. 3. 4.).
Hierbei stellt sich die weitere Frage, wie der Nachweis in beiden Fällen zu erbringen ist. Nach Ansicht des Senats wäre die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ZWVO nicht notwendig, wenn lediglich nachzuweisen wäre, daß in den einheitlichen Preis frei Bestimmungsort ein durchschnittlicher Beförderungskostenanteil einkalkuliert worden sei. Es bedarf keiner Ausführungen, daß in einem für mehrere Bestimmungsorte einheitlichen Preis jeweils (verschieden hohe) Beförderungskosten enthalten sein müssen. Demnach könnte die Vorschrift nur dahin zu verstehen sein, daß der Nachweis zu erbringen ist, wie hoch der Preis am Verbringungsort sein würde, wenn ein nachzuweisender bestimmter Durchschnittsbetrag von dem einheitlichen Preis frei Bestimmungsort abgezogen würde. Bei einem solchen Nachweis müßte aber sichergestellt sein, daß dieser Durchschnittsbetrag nicht durch Annahme zu hoher innergemeinschaftlicher Beförderungskosten manipuliert wird.
Fundstellen
Haufe-Index 510599 |
BFHE 1979, 469 |