Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine zulassungsfreie Revision - Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
1. Ein die zulassungsfreie Revision begründender Mangel i. S. d. § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (fehlende Begründung der Entscheidung) liegt auch dann vor, wenn das Urteil des FG bezüglich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen worden ist.
2. Die Eingabe beim Bundesminister der Finanzen, mit der eine Klärung der streitigen Rechtsfragen erreicht werden soll, reicht für eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht aus.
Normenkette
FGO §§ 74, 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat eine Zahnarztpraxis in A. Im Laufe der Jahre erwarb er in der Gegend von B. Land, das er zunächst verpachtete. Die daraus bezogenen Einkünfte wurden steuerlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt. Im Streitjahr 1976 nutzte der Kläger sein Land selbst.
Für den Kläger war früher ein Finanzamt in A. zuständig.
Dieses führte vom 9. August bis 28. Oktober 1977 eine Außenprüfung für die Jahre 1973 bis 1975 durch. Dabei wurde festgestellt, daß wegen des Umzugs des Klägers ab 1974 der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt B - FA -) als Wohnsitz-FA zuständig geworden ist. Bei der Prüfung wurden die Einkünfte aus dem Grundbesitz ausgeklammert, weil die Frage von dem mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten FA B besser beurteilt werden könnte.
Im Januar 1979 reichte der Kläger eine als ,,vorläufig" bezeichnete Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein und erklärte bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen bis zum 30. April 1976 entstandenen Verlust aus der Nutzung seines Grundbesitzes. Für die Zeit danach - so gab er an - werde der Grundbesitz landwirtschaftlich genutzt und erbringe Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
Den im Einspruchsverfahren für das Streitjahr erklärten Verlust aus Land- und Forstwirtschaft hielt das FA entgegen, im Rahmen der ab 1. Mai 1976 erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft könne ein etwaiger Verlust mangels eines Antrags, den Gewinn abweichend von § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln (§ 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG, § 13 a Abs. 2 EStG n. F.) nicht berücksichtigt werden. Im Hinblick auf den Ablauf der Antragsfrist für das im Streitjahr maßgebliche Wirtschaftsjahr 1976/ 77 am 31. Oktober 1977 könne im Jahre 1979 auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter keinen Umständen mehr in Betracht kommen.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, die steuerliche Behandlung der Nutzung seines Grundbesitzes sei offen und müsse aufgeklärt werden. Der Kläger beantragte deshalb u. a. auch, ,,das Gericht möge entscheiden, daß der Beklagte verpflichtet ist, die unterbrochene Außenprüfung fortzusetzen". Im übrigen sei der Antrag nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht verspätet gewesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führt es aus, das Klagebegehren des Klägers lasse auch die Auslegung zu, daß er den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig halte. In diesem Falle wäre die Klage schon als unzulässig anzusehen.Abgesehen davon müsse die Klage aber auf jeden Fall als unbegründet abgewiesen werden. Dabei könne die Frage der Einkunftsart dahingestellt bleiben. Auch im Falle von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sei die Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes nach der dann anzuwendenden Vorschrift des § 13 a EStG nicht möglich. Der Antrag auf eine anderweitige Gewinnermittlung (§ 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG) sei verspätet gestellt. Die Wiedereinsetzung könnte im Streitfall nur noch in dem besonderen Ausnahmefall der höheren Gewalt in Betracht kommen (§ 110 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Voraussetzungen dafür seien offensichtlich nicht erfüllt.
Mit der Revision rügt der Kläger schwerwiegende Verfahrensmängel. Insbesondere sei der Fall nicht entscheidungsreif gewesen. Bei seiner Entscheidung habe das FG unberücksichtigt gelassen, daß die Außenprüfung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Darüber hinaus rügt der Kläger die Verletzung der Aufklärungspflicht.
Der Kläger beantragt, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Unter Hinweis auf den Streitwert, der 10 000 DM nicht übersteige, beantragt das FA, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der bis zum 16. Juli 1985 geltenden Fassung ist die Revision gegen ein Urteil des FG nur zulässig, wenn der Streitwert 10 000 DM übersteigt. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn die Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen wurde oder wegen der in § 116 FGO genannten wesentlichen Verfahrensmängel keiner Zulassung bedarf.
Im Streitfall übersteigt der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM nicht; er beträgt lediglich 3 210 DM. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Der Kläger rügt auch keinen Verfahrensmangel i. S. des § 116 FGO.
In seiner Revisionsbegründung trägt der Kläger zunächst vor, die Entscheidung des FG habe noch nicht ergehen dürfen, weil die Sache ,,nicht entscheidungsreif" gewesen sei. Diese mit der Revision erhobene Rüge läßt sich - zugunsten des Klägers - auch dahin verstehen, das FG habe bei seiner Entscheidung das eigentliche Klageziel nicht berücksichtigt.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein solcher Mangel einen Fehler i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO - fehlende Begründung der Entscheidung - ergeben. Nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Februar 1977 I R 136/76 (BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351) ist dies dann der Fall, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, das Urteil mithin bezüglich eines wesentlichen Streitpunkts nicht mit Gründen versehen wurde. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Das FG hat das Klagebegehren vollständig behandelt.
Es hat zutreffend die Frage der Einkünfte für die Berücksichtigung von Verlusten aus Land- und Forstwirtschaft ausdrücklich dahingestellt sein lassen, weil es den Antrag nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG (§ 13 a Abs. 2 EStG n. F.) für verspätet gehalten hat. Damit ist aber auch das eigentliche Klagebegehren behandelt, das sich gerade auf die in der Frage der Einkünfte noch offenen tatsächlichen Verhältnisse gestützt hat. Der vom Kläger für erforderlich gehaltenen Aufklärung bedarf es nach den Urteilsgründen auch für die endgültige Entscheidung eindeutig nicht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das FA zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat unstreitig die Antragsfrist des § 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG (§ 13 a Abs. 2 EStG n. F.) und darüber hinaus auch die Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO 1977 versäumt.
Deshalb könnte Wiedereinsetzung nur im Falle höherer Gewalt gewährt werden. Darunter ist nach allgemeiner Meinung ein der Einhaltung einer Frist entgegenstehendes Hindernis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, von den Betroffenen zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Eine solcher Fall ist hier offensichtlich nicht gegeben.
Darüber hinaus rügt der Kläger mit seiner Revision auch mangelnde Sachaufklärung. Außerdem trägt er vor, ihm hätten die Schriftsätze im Klageverfahren zur Stellungnahme nicht vorgelegen, und rügt damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Beide Verfahrensrügen gehören nicht zu den in § 116 FGO genannten Mängeln und können daher die zulassungsfreie Revision ebenfalls nicht begründen.
Die beantragte Aussetzung des Verfahrens konnte nicht in Betracht kommen. Nach § 74 FGO ist dies nur möglich, wenn ein Rechtsverhältnis, das für die Entscheidung im anhängigen Verfahren eine Vorfrage darstellt, den Gegenstand eines anderen Verfahrens bildet. Darunter fällt aber nicht die bloße Klärung einer Rechtsfrage, wie sie der Kläger durch seine Eingabe beim Bundesfinanzministerium erreichen will (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 74 FGO Tz. 2). Daß seine Eingaben bei übergeordneten Behörden möglicherweise zu einer Rücknahme des angefochtenen Bescheids führen können, reicht ebenfalls nicht aus. In einem solchen Fall ist nach § 155 FGO i. V. m. § 251 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zwar das Ruhen des Verfahrens möglich. Dazu bedarf es aber des Einverständnisses des FA. Eine solche Zustimmung ist hier nur bis zu der - inzwischen ergangenen - Entscheidung über die Eingabe durch den Eingabeausschuß des Schleswig-Holsteinischen Landtages erteilt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 415188 |
BFH/NV 1989, 25 |