Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Einbringungsvorgängen
Leitsatz (NV)
1. Die umsatzsteuerliche Beurteilung von Einbringungsvorgängen anlässlich der Gründung von Personengesellschaften ist bereits grundsätzlich geklärt.
2. Die Bildung einer Personengesellschaft durch Einbringung von Sachanlagevermögen der Gesellschafter und die Gründung einer Kapitalgesellschaft mit dem Übergang einer Vorgründungsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft unterscheiden sich grundlegend.
3. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gerügt, so ist vorzutragen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Aufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; UStG
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 19.08.2004; Aktenzeichen 5 K 304/00) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde zum 1. Januar 1987 von X und seinem Schwiegervater Z als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Dabei brachten X einen PKW im Wert von 4 000 DM sowie seine Arbeitskraft und Z seinen Hof gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein.
Mit Vertrag vom 15. Januar 1988 pachtete X den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters mit der Berechtigung, den Betrieb in die von der Klägerin betriebene Gesellschaft einzubringen. Von dieser Berechtigung machte X Gebrauch und brachte den gepachteten Betrieb unter Änderung des Gesellschaftsvertrages mit Wirkung vom 16. Januar 1988 in die von der Klägerin betriebene Gesellschaft ein.
Bereits in den Jahren 1988 und 1989 erteilten die Gesellschafter der Klägerin Rechnungen über die eingebrachten Wirtschaftsgüter (Maschinen, Vorräte, Milchquote). Den daraus von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), weil diese Rechnungen nicht ordnungsgemäß seien (keine Einzelwertermittlung für die Wirtschaftsgüter).
Der Gesellschafter Z schied zum 31. Januar 1992 bei der Klägerin aus. Seinen Anteil übernahm seine Tochter und Ehefrau des Gesellschafters X, U.
Unter dem Datum 20. Juni 1995 stellte der Gesellschafter X der Klägerin für Maschinen, Vorräte und eine Milchquote von 117 855 kg im Einzelnen aufgeschlüsselt 334 786,40 DM zuzüglich 33 147,12 DM Umsatzsteuer in Rechnung. Das FA versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug, weil ihr Gesellschafter X als Leistender kein Unternehmer gewesen sei.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 seien nicht erfüllt, weil der Rechnungsaussteller X kein Unternehmer gewesen sei.
Eine unternehmerische Tätigkeit sei hinsichtlich der von seinem Vater gepachteten Flächen ausgeschlossen, weil X diese zeitgleich in die Klägerin eingebracht habe. Eine eigene landwirtschaftliche Nutzung durch den Gesellschafter X sei insofern ausgeschlossen gewesen.
Auch aus der Nutzung zweier kleiner, von H gepachteter Flächen ergebe sich nicht die Unternehmereigenschaft des X. Hinsichtlich des kleineren der beiden Gundstücke habe X keine Einnahmen erzielt, weil er das dort geerntete Heu der Klägerin unentgeltlich überlassen habe. Die Überlassung des größeren Grundstücks an den Landwirt W, der dort drei Rinder ins Sommerfutter gegeben habe, begründe ebenfalls nicht die Unternehmereigenschaft. Da X pro Rind und Weideperiode lediglich 115 DM jährlich erhalten habe, fehle es an einer nachhaltigen Einnahmeerzielung. Außerdem sei unklar geblieben, über welchen Zeitraum die Weidewirtschaft überhaupt betrieben worden sei.
Selbst wenn man aber die Überlassung des Grundstücks zur Weidewirtschaft als unternehmerische Tätigkeit ansehen wollte, würde der Vorsteuerabzug daran scheitern, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht geschuldet worden sei. Die Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes sei jedenfalls keine Landwirtschaft mit der Folge, dass § 24 UStG 1993 keine Anwendung finde. Der Ausweis der Steuer in Höhe des Durchschnittssatzes nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1993 sei deshalb auch für den Fall, dass man die Unternehmereigenschaft des X bejahen wolle, zu Unrecht erfolgt. Die ausgewiesene Umsatzsteuer werde nicht geschuldet, was nach der Rechtsprechung des BFH zur Folge habe, dass für den Leistungsempfänger keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestehe.
Schließlich führe auch die Einbringung der zuvor gepachteten Wirtschaftsgüter nicht zur Unternehmereigenschaft des X. Hierbei habe es sich um einen einer Veräußerung vergleichbaren einmaligen Vorgang gehandelt.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin Divergenz, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.
Das Urteil des FG stehe im Widerspruch zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 29. April 2004 Rs. C-37/02, Faxworld GbR (BFH/NV Beilage 3, 2004, 225, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 362). Während der EuGH für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger i.S. des Art. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) eine wirtschaftliche Betätigung ausreichen lasse, verlange das FG eine nachhaltige Betätigung.
Aus dem genannten Urteil des EuGH ergebe sich auch die grundsätzliche Bedeutung der Sache. Beziehe eine natürliche oder juristische Person Gegenstände oder Dienstleistungen allein zu dem Zweck, ein Unternehmen zu gründen, aber nicht zu betreiben, und veräußere sie diese Gegenstände oder Dienstleistungen an eine andere natürliche oder juristische Person (Übernehmer), die beabsichtige, die Vermögensgegenstände für besteuerte Umsätze zu verwenden, so liege der Entscheidung des EuGH zufolge das Recht auf Abzug gezahlter oder zahlbarer Mehrwertsteuer beim Übernehmer, wenn die Steuerlast im Veräußerungspreis an ihn weitergegeben worden sei. Die Frage, ob diese zur Gründung von Kapitalgesellschaften getroffene Entscheidung auch für die Gründung von Personengesellschaften gelte, habe grundsätzliche Bedeutung.
Außerdem leide das Urteil des FG an Verfahrensmängeln. So seien Beweisanträge übergangen worden und das FG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung verletzt. Da dem FG sämtliche Akten vorgelegen hätten, habe sie, die Klägerin, auf eine ordnungsgemäße Sachaufklärung durch das FG vertrauen dürfen. Aus diesem Grund sei sie auch nicht in der Lage gewesen, die Nichterhebung der Beweise rechtzeitig vor Urteilsverkündung zu rügen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). An der grundsätzlichen Bedeutung fehlt es, wenn eine Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist, weil sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom 26. Oktober 1999 X B 40/99, BFH/NV 2000, 563). Die umsatzsteuerliche Beurteilung von Einbringungsvorgängen anlässlich der Gründung von Personengesellschaften ist bereits grundsätzlich geklärt (Entscheidungen des BFH vom 13. November 2003 V R 79/01, BFHE 204, 332, BStBl II 2004, 375; vom 15. Januar 1987 V R 3/77, BFHE 149, 272, BStBl II 1987, 512).
Das Urteil des EuGH Faxworld GbR in BFH/NV Beilage 3, 2004, 225, UR 2004, 362 gibt keine Veranlassung für eine erneute Entscheidung dieser Frage, weil sie die besonderen Probleme der Vorsteuerabzugsberechtigung der Vorgründungsgesellschaft aus Leistungsbezügen betrifft, die nur für Umsätze der aus ihr hervorgehenden juristischen Person als Rechtsnachfolgerin verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil Faxworld GbR in BFH/NV Beilage 3, 2004, 225, UR 2004, 362, Rz. 42). Auf die Gründung einer Personengesellschaft sind diese Grundsätze nicht übertragbar.
2. Eine Entscheidung des BFH ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO), weil aus den unter II.1. genannten Gründen keine Divergenz zwischen dem Urteil des FG und dem des EuGH in der Rechtssache Faxworld GbR in BFH/NV Beilage 3, 2004, 225, UR 2004, 362 besteht. Außerdem erfordert eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH oder der EuGH (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2000 XI R 10/00, BFH/NV 2000, 1239). Der dem FG-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ist dem des EuGH-Urteils in der Rechtssache Faxworld GbR in BFH/NV Beilage 3, 2004, 225, UR 2004, 362 aber nicht vergleichbar, weil sich die Bildung einer Personengesellschaft durch Einbringung von Sachanlagevermögen der Gesellschafter und die Gründung einer Kapitalgesellschaft mit dem Übergang einer Vorgründungsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft grundlegend unterscheiden.
3. Auch die Rüge der Klägerin, das FG-Urteil leide an Verfahrensmängeln, führt nicht zur Zulassung der Revision. Ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2004 hat die Klägerin keine Beweisanträge gestellt. Wird --wie hier-- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so ist vorzutragen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Aufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095; BFH-Beschluss vom 26. Juni 2003 IV B 195/01, BFH/NV 2003, 1437). Ein ausreichender Vortrag der Klägerin hierzu fehlt.
Fundstellen
Haufe-Index 1642126 |
BFH/NV 2007, 280 |