Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßfähigkeit; kein Verfahrensstillstand wegen Strafvollzugs
Leitsatz (NV)
Der Antrag auf PKH für ein Beschwerdeverfahren hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn geltend gemacht wird, für ein Klageverfahren sei wegen der durch die Haftbedingungen bestehenden Erschwernisse bei der Wahrnehmung des Rechtsschutzes ein Verfahrensstillstand anzuordnen.
Normenkette
FGO § 58 Abs. 1, §§ 74, 142; ZPO § 114 Abs. 1, § 251 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag des Klägers, Beschwerdeführers und Antragstellers (Kläger), den Verfahrensstillstand im Klageverfahren ... anzuordnen, mit Beschluß vom 23. Juli 1993, zugestellt am 2. August 1993, abgewiesen. Für die hiergegen form- und fristgerecht am 11. August 1993 erhobene Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, beantragt der Kläger unter Einreichung einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10. August 1993, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und Steuerberater X als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.
Mit Schriftsatz vom 27. November 1993 hat sich der Kläger zu den Zweifeln des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) an den von ihm erklärten Vermögensverhältnissen und zu den Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels geäußert.
Er sei infolge seiner Inhaftierung und mangelnder Vertretung zu einer ordnungsgemäßen Prozeßführung gar nicht in der Lage. Neben den im angegriffenen Beschluß des FG vom 23. Juli 1993 abgehandelten, für einen Verfahrensstillstand sprechenden Umständen seien weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ein Erfolg der Verfahren vor dem Oberlandesgericht ..., vor dem Bundesverfassungsgericht oder der EuGHMR beseitige das Prozeßführungshindernis des Tätigkeitsverbotes und andere Aktionseinschränkungen. Dies folge aus den Geboten der Waffengleichheit und eines fairen Verfahrens. Er sei ferner verhandlungsunfähig und damit prozeßführungsunfähig.
Zwar habe er seither seine Verfahren aus der Haft mit der unentgeltlichen Unterstützung durch Dritte geführt. Durch die erfolgten Einschränkungen, wie die Postkontrolle und Zellenrevision, sei dies jedoch nicht mehr möglich.
Das FA habe unter Verletzung seiner ihm gegenüber dem Kläger obliegenden Fürsorgepflichten die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens verweigert. Das FA sei insbesondere gehalten, die ihm entwendeten Akten wieder zu beschaffen. Weder sei die Rechtsverfolgung mutwillig noch diene sie der Verschleppung des Verfahrens.
Das FA tritt der Bewilligung von PKH entgegen.
Zu den Vermögensverhältnissen des Klägers verweist es von sich aus auf Tz. 6 des Fahndungsberichtes. Der Kläger habe die Verwendung bzw. den Verbleib des dort im einzelnen festgestellten Geldvermögens bei der Bank bislang nicht nachvollziehbar belegt. Der Kläger sei des weiteren Eigentümer einer Eigentumswohnung.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten wird abgelehnt.
1. a) Der Antrag auf PKH für das dem Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs unterliegende Beschwerdeverfahren VIII B 103/93 ist zulässig (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Januar 1988 X B 97/87, BFH/NV 1990, 153 m.w.N.).
b) Der Kläger leitet seine Verhandlungsunfähigkeit aus den für ihn als Strafgefangenen bestehenden sowie den zusätzlich angeordneten Beschränkungen ab. Der Senat versteht dieses Vorbringen nicht in dem Sinne, daß der Kläger von Anfang an oder während der Gerichtsverfahren i.S. des § 58 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) prozeßunfähig wäre, mit der Folge, daß nicht nur eine Sachentscheidungsvoraussetzung fehlte, sondern aufgrund einer mangelnden Prozeßhandlungsvoraussetzung die ohne gesetzliche Vertretung vorgenommenen Prozeßhandlungen unwirksam wären (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1977 VII R 42/74, BFHE 121, 385, BStBl II 1977, 434, 436 m.w.N.). Vielmehr will der Kläger lediglich geltend machen, er sei in der Wahrnehmung prozessualer Möglichkeiten durch außerhalb seiner Person liegende Umstände behindert.
2. Der Antrag des Klägers ist unbegründet.
a) Nach § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 142 Abs. 1 FGO erhält eine Partei auf Antrag PKH, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 142 Abs. 2 FGO kann einem Beteiligten, dem PKH bewilligt worden ist, auch ein Steuerberater beigeordnet werden.
b) Der Antrag des Klägers ist jedoch unbegründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die persönlichen Voraussetzungen im Sinne einer Bedürftigkeit für die Gewährung von PKH vorliegen. Jedenfalls fehlt es in sachlicher Hinsicht an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Aussetzung des Klageverfahrens ... oder des Ruhens dieses Verfahrens nach § 251 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO liegen nicht vor. Der Senat nimmt insoweit zur weiteren Begründung auf den Beschluß vom heutigen Tage in der Beschwerdesache ... Bezug.
Der Kläger hat, worauf bereits das FG in seinem Beschluß vom 23. Juli 1993 zutreffend abgehoben hat, insbesondere nicht dargetan, daß das FG den sich aus den besonderen Bedingungen des Strafvollzugs ergebenden erschwerten Bedingungen einer Prozeßführung nicht angemessen Rechnung getragen habe, insbesondere durch wiederholte großzügig gewährte Fristen, um die vom Kläger für erforderlich gehaltenen Unterlagen zu beschaffen und vorzulegen bzw. den von ihm für erforderlich angesehenen Vortrag einzureichen. Selbst ein beigeordneter Prozeßbevollmächtigter könnte nur die von dem als Juristen und Steuerberater fachkundigen Kläger eröffneten Tatsachen und ihm zugänglichen Beweismittel dem Gericht vortragen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c, § 11 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 419714 |
BFH/NV 1994, 820 |