Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Rechtsfrage voraus, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt; zudem muss die Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall im beabsichtigten Revisionsverfahren auch klärungsfähig sein (Rechtsprechung).
2. Zum Verlust der wirtschaftlichen Identität gemäß § 8 Abs. 4 KStG.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 4; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Thüringer FG (Urteil vom 27.11.2003; Aktenzeichen II 411/01) |
Nachgehend
Tatbestand
1. Das Finanzgericht (FG) hat den von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) begehrten Abzug von Verlusten einer von ihrer Rechtsvorgängerin übernommenen Kapitalgesellschaft versagt, da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der für die Streitjahre 1995 und 1996 geltenden Fassung i.V.m. § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht gegeben seien; vielmehr sei wegen Wechsels der wirtschaftlichen Identität und Einstellung des Geschäftsbetriebes der betreffenden Gesellschaft ein Mantelkauf erfolgt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Dabei beruft sich die Klägerin auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 11. Juni 1990 IV B 7 -S 2745- 7/90 (BStBl I 1990, 252) und die dort vertretene Auffassung, dass ein Geschäftsbetrieb nicht eingestellt sei, wenn die Gesellschaft lediglich auf einem anderen Gebiet tätig werde. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor. Von grundsätzlicher Bedeutung sei daher die Rechtsfrage, ob in eine im Vertrauen auf diese Veröffentlichung getroffene Gestaltung rückwirkend durch das FG belastend eingegriffen werden könne.
Entscheidungsgründe
2. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die vorliegende Beschwerdebegründung im Hinblick auf die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet und war daher zurückzuweisen.
a) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Rechtsfrage voraus, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt; zudem muss die Frage klärungsbedürftig und im konkret beabsichtigten Revisionsverfahren auch klärungsfähig sein (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232).
b) Die von der Klägerin bezeichnete Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn die Vorentscheidung steht inhaltlich im Einklang mit der Aussage des bezeichneten BMF-Schreibens in BStBl I 1990, 252 und kann bereits aus diesem Grunde keinen dadurch möglicherweise gesetzten Vertrauenstatbestand verletzen. Die für den Streitfall erhebliche Nr. 1.1 des Schreibens lautet: "Die Kapitalgesellschaft hat ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis aufgehört hat, werbend tätig zu sein. Die bloße Abwicklung noch ausstehender Forderungen und Verbindlichkeiten, etwa im Falle der Liquidation des Betriebes, steht in der Regel nicht der Annahme einer Einstellung des Geschäftsbetriebs entgegen. Nicht erforderlich ist, dass über den Betrieb ein Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet worden oder eine Liquidation erfolgt ist. Der Geschäftsbetrieb ist dagegen nicht eingestellt, wenn die Gesellschaft lediglich auf einem anderen Gebiet tätig wird oder ihren Geschäftsbetrieb im ganzen verpachtet."
Aus diesem Kontext ergibt sich erkennbar die Verwaltungsauffassung, dass mit dem Ende der wirtschaftlich werbenden Tätigkeit einer Gesellschaft von der Einstellung ihres Geschäftsbetriebes auszugehen ist. Besteht die wirtschaftlich werbende Tätigkeit der Gesellschaft hingegen weiter, ist ein Branchenwechsel nicht als Einstellung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes zu werten.
c) Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO im Revisionsverfahren gebunden wäre, hat die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin übernommene Gesellschaft ihre wirtschaftlich werbende Tätigkeit mit dem 15. Dezember 1995 eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt seien die gesamte Geschäftsausstattung und die Vorräte, somit die gesamten Betriebsgrundlagen von einem ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer übernommen worden, um damit ein eigenes Einzelunternehmen zu betreiben. Die Gesellschaft habe zudem ihren Namen und Sitz gewechselt und damit auch ihren Kundenstamm aufgegeben. Damit sei vom ursprünglichen Betrieb außer den streitigen Verlusten nichts verblieben.
Darüber hinaus hat das FG festgestellt, dass der Betrieb der übernommenen Gesellschaft auch nach Änderung der Art seiner Geschäftstätigkeit "wahrscheinlich erst 1996", jedenfalls aber nicht vor Ende Dezember 1995 wieder aufgenommen worden sei. Insoweit wird im Einzelnen auf die Vorentscheidung (S. 12 ff.) verwiesen.
Aufgrund dieser Feststellungen gelangte das FG zu der Wertung, dass im Streitfall sowohl von einem Untergang der ursprünglichen wirtschaftlichen Identität der übernommenen Gesellschaft (§ 8 Abs. 4 Satz 1 KStG) als auch einer Einstellung und Wiederaufnahme des Betriebes (§ 8 Abs. 4 Satz 2 KStG) auszugehen sei. Daher ist das FG erkennbar von der im BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 252 für die Einstellung des Geschäftsbetriebes genannten Voraussetzung ausgegangen, dass die übernommene Gesellschaft (zeitweise) aufgehört hatte, werbend tätig zu sein. Die Änderung des Geschäftsgegenstandes als solche war daneben nicht entscheidungserheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 1374679 |
BFH/NV 2005, 1376 |