Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung der Zahlungsverjährung
Leitsatz (NV)
Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch Aussetzung der Vollziehung setzt nach der BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Bescheid über die Aussetzung der Vollziehung dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist. Die Absendung des Bescheides durch das FA allein genügt nicht.
Normenkette
AO 1977 § 231 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsnachfolger seines am … 1987 gestorbenen Vaters (V), der Geschäftsbeziehungen mit der I-GmbH (I) ―einer Gesellschaft liechtensteinischen Rechts― unterhielt. Nach einer Steuerfahndungsprüfung bei der I vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, die I habe in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten, die V in den Jahren 1968 bis 1979 geleitet habe. Da V ―so die Ansicht des FA― seine sich aus der geschäftsleitenden Tätigkeit ergebenden steuerlichen Pflichten vorsätzlich nicht erfüllt und dadurch Steuerhinterziehungen zu Gunsten der I begangen habe, nahm das FA den Kläger als Rechtsnachfolger des V durch Haftungsbescheid vom 14. Dezember 1987 für Körperschaftsteuer- und Vermögensteuerschulden der I als Haftungsschuldner in Anspruch.
Der Kläger legte am 23. Dezember 1987 gegen den Haftungsbescheid fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Vollziehung des Bescheides auszusetzen und das Verfahren ruhen zu lassen, bis über die Klagen der I gegen die ihr gegenüber erlassenen Körperschaftsteuer- und Vermögensteuerbescheide entschieden worden sei. Das FA setzte daraufhin durch ein an den Kläger abgesandtes Schreiben vom 4. Januar 1988 die Vollziehung des Haftungsbescheides bis zur Entscheidung über die Klagen der I aus und stimmte dem Antrag, das Einspruchverfahren ruhen zu lassen, zu.
Nachdem die I Anfang 1994 im Handelsregister gelöscht und die sie betreffenden Klageverfahren eingestellt worden waren, teilte das FA dem Kläger mit, der Grund für die Aussetzung der Vollziehung (AdV) und des Ruhens des Einspruchsverfahrens sei entfallen; das FA werde über den Einspruch nach Aktenlage entscheiden und die AdV aufheben, falls der Kläger den Einspruch nicht innerhalb eines Monats begründe. Da innerhalb der gesetzten Frist keine Einspruchsbegründung beim FA einging, wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 29. April 1994 den Einspruch als unbegründet zurück und hob mit Schreiben vom 4. Mai 1994 die AdV und das Ruhen des Verfahrens auf. Außerdem forderte es vom Kläger die Zahlung der Haftungssumme bis zum 20. Mai 1994.
Am 5. Juli 1994 legten die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Einspruchsentscheidung vom 29. April 1994 "Beschwerde" ein und teilten dem FA später mit, der Kläger habe die Einspruchsentscheidung nicht erhalten. Das FA erließ daraufhin am 6. Oktober 1994 eine neue Einspruchsentscheidung, mit der es wegen inzwischen geleisteter Zahlungen die Haftungsbeträge geringfügig auf nunmehr insgesamt … DM herabsetzte.
Die Klage, mit der der Kläger erstmals auch Zahlungsverjährung geltend machte, war erfolglos. Die Revision ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu.
Mit der Beschwerde beantragt der Kläger, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist zum Teil unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet. Sie war insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
1. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), ist die Beschwerde unzulässig. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vom Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Dazu muss der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche abstrakte Rechtsfrage formulieren, die seiner Auffassung nach klärungsbedürftig ist. Außerdem muss er konkret und substantiiert vortragen, weshalb seiner Auffassung nach die Klärung dieser Frage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 17. Juli 2002 I B 119/01, BFH/NV 2002, 1600, m.w.N.). An diesem Vortrag fehlt es. In der Beschwerdeschrift vom 26. Februar 2002 wird auch nicht ansatzweise dargelegt, welche Rechtsfrage nach Auffassung des Klägers klärungsbedürftig ist.
2. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision mit der Begründung begehrt, das FG-Urteil weiche von dem BFH-Urteil vom 22. Juli 1999 V R 44/98 (BFHE 189, 315, BStBl II 1999, 749) ab, weshalb die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erfordere, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
Zur angeblichen Abweichung hat der Kläger sinngemäß vorgetragen: Nach dem Urteil in BFHE 189, 315, BStBl II 1999, 749 setze eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch AdV voraus, dass der Bescheid über die AdV dem Adressaten tatsächlich zugegangen sei, die Absendung des Bescheides durch das FA allein genüge nicht. Das FG habe dagegen die Auffassung vertreten, für die Unterbrechung der Zahlungsverjährung reiche es aus, dass der Bescheid vom FA an den Adressaten abgesandt worden sei und das FA den Zugang beim Adressaten behaupte; das FA müsse die Angabe des Adressaten, er habe den Bescheid nicht erhalten, nicht widerlegen.
Diese vom Kläger dargelegte Abweichung besteht tatsächlich nicht. Die Rechtsausführungen im FG-Urteil zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch das Schreiben vom 4. Januar 1988 entsprechen voll den vom Kläger zitierten Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 189, 315, BStBl II 1999, 749. Auch das FG ist davon ausgegangen, dass die Unterbrechung der Zahlungsverjährung den Zugang des Schreibens vom 4. Januar 1988 voraussetzt. Es hat es nicht für ausreichend erachtet, dass der Zugang beim Kläger vom FA nur behauptet wird. Vielmehr hat es ausführlich geprüft, ob es auf Grund der von ihm festgestellten Tatsachen als bewiesen ansehen kann, dass der Kläger das Schreiben tatsächlich erhalten hat. Dies hat es ―anders als der Kläger― bejaht. Mit dieser Beweiswürdigung ist es nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 189, 315, BStBl II 1999, 749 abgewichen, das dazu keine Ausführungen enthält (s. Teil II.2. des Urteils e.E.).
Fundstellen