Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschaler Vorsteuerabzug bei Dienstreisen
Leitsatz (NV)
1. § 38 UStDV 1980 begrenzt den vereinfachten Vorsteuerabzug auf die Fälle erstatteter Pauschbeträge aus Anlaß einer Dienstreise im lohnsteuerrechtlichen Sinn.
2. Eine Dienstreise setzt voraus, daß eine von der tatsächlichen Arbeitsstätte abweichende regelmäßige Arbeitsstätte vorhanden ist.
Normenkette
UStG 1980 § 15 Abs. 8 Nr. 4 a.F., Abs. 5 Nr. 4 n.F.; UStDV 1980 § 36 ff.; EWGRL 388/77 Art. 17, 19; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), ein Bauunternehmen, setzt auf ihren Baustellen Arbeiter ein, die an ihrem Betriebssitz keine Tätigkeiten verrichten. Soweit die Arbeitnehmer nicht täglich zur Einsatzstelle fahren, wohnen sie in von der Klägerin zur Verfügung gestellten Unterkünften oder in angemieteten Zimmern.
Die Klägerin erstattete im Streitjahr (1987) den Arbeitnehmern die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle und zahlte ihnen sog. Auslösungen nach Dienstreisegrundsätzen. Hierfür wandte sie insgesamt rd. ... DM auf. Aus diesem Betrag rechnete sie rd. ... DM heraus und machte diese als Vorsteuerbeträge gemäß § 36 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1980) geltend.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) versagte den Vorsteuerabzug. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, die Arbeitnehmer der Klägerin hätten keine Dienstreisen durchgeführt. Sie hätten neben ihrer Arbeitsstätte auf den jeweiligen Baustellen keinen davon abweichenden regelmäßigen Arbeitsplatz gehabt. Die im Streitfall vorliegende Einsatzwechseltätigkeit könne Dienstreisen umsatzsteuerrechtlich nicht gleichgestellt werden.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung geltend. Zur Begründung bringt sie im wesentlichen vor: Die Vorsteuerpauschalierung gemäß §§ 36, 38 UStDV 1980 sei zulässig, obwohl die Arbeitnehmer an wechselnden Einsatzstellen beschäftigt worden seien. Sie - die Klägerin - habe die Auslösungen in ihrem ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse gezahlt, und zwar nach Dienstreisegrundsätzen. Der Begriff der Dienstreise im steuerrechtlichen Sinn sei weit auszulegen. Entscheidend sei allein die dienstliche oder berufliche Veranlassung. Die Einsatzwechseltätigkeit habe zumindest dienstreiseähnlichen Charakter (Hinweis auf Urteil des Niedersächsischen FG vom 25. September 1989 VIII 785/88, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1990, 142, mit Anmerkung Höhndorf). Die Auslegung der §§ 36 ff. UStDV 1980 durch das FG führe zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitgeber, die nicht von den Vereinfachungsregelungen in diesen Bestimmungen Gebrauch machten und mittels Einzelerfassung den Vorsteuerabzug nach den tatsächlich in Rechnung gestellten Entgelten vornähmen. Dies verstoße gegen § 15 Abs. 5 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Diese Verordnungsermächtigung sehe die Schaffung gleicher Wettbewerbsverhältnisse vor. Die am Wortlaut orientierte Auslegung der §§ 36 ff. UStDV 1980 verletze Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie Art. 17 und 19 der Sechsten Richtlinie des Rates (77/388/EWG) vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 1977 L 145 S. 1; im folgenden: Sechste EG-Richtlinie). Die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluß vom 29. Januar 1987 V B 33/85 (BFHE 148, 560, BStBl II 1987, 316) bedürfe der Überprüfung und betreffe zudem einen anderen Sachverhalt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Vorsteuerpauschalierung nach §§ 36 ff. UStDV 1980 für Aufwendungsersatz, den ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gewährt, das Vorliegen einer Dienstreise voraussetzt, ist in der Rechtsprechung des BFH ebenso geklärt wie die Begriffsbestimmung der Dienstreise.
a) Nach § 38 Satz 1 UStDV 1980 ist bei Anwendung der Vorschriften der §§ 36 und 37 UStDV 1980 der Begriff der Dienstreise nach den für die Lohnsteuer geltenden Merkmalen abzugrenzen. § 38 Satz 2 UStDV 1980 stellt Dienstgänge des Arbeitnehmers den Dienstreisen gleich.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschlüsse in BFHE 148, 560, BStBl II 1987, 316; vom 24. August 1987 V S 10/86, BFH/NV 1988, 59), begrenzt § 38 UStDV 1980 den vereinfachten Vorsteuerabzug in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage in § 15 Abs. 8 Nr. 4 UStG 1980 a.F. (jetzt: § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1980) auf die Fälle erstatteter Pauschbeträge aus Anlaß einer Dienstreise im lohnsteuerrechtlichen Sinn. Dies hat der Senat im Urteil vom 15. Oktober 1992 V R 81/87 (BFHE 169, 543, BStBl II 1993, 207) erneut bestätigt.
Die Klägerin legt im übrigen nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechenden Weise dar, inwiefern in der Rechtsprechung oder in der Literatur gegen diese Rechtsprechung gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte vorgetragen worden sind, die der Senat noch nicht geprüft hat. Der Hinweis auf das Urteil des Niedersächsischen FG in DStR 1990, 142 und die Anmerkung dazu reicht nicht aus. Das Urteil des FG ist zum Einkommensteuerrecht ergangen. Höhndorf führt in der Anmerkung aus, daß bei einer Einsatzwechseltätigkeit die Voraussetzungen des pauschalen Vorsteuerabzugs nach dem Wortlaut der §§ 36 bis 38 UStDV 1980 nicht erfüllt seien. Seine Auffassung, daß dieses Ergebnis nicht einzusehen sei, begründet Höhndorf nur kursorisch mit zwei Sätzen, ohne sich mit der Rechtsprechung des BFH auseinanderzusetzen.
Geklärt ist in der Rechtsprechung des BFH auch der Begriff der Dienstreise im lohnsteuerrechtlichen Sinn. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH setzt eine Dienstreise voraus, daß eine von der tatsächlichen Arbeitsstätte abweichende regelmäßige Arbeitsstätte vorhanden ist (BFH-Urteil vom 28. September 1990 VI R 98/89, 100/89, BFHE 162, 414, BStBl II 1991, 363, unter 4. m.w.N.).
2. Soweit sich die Klägerin auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG beruft, fehlt es an einer Darlegung, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen diese Frage umstritten sei (vgl. BFH-Beschluß vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842 unter 2. c).
Entsprechendes gilt auch, soweit die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 17 und 19 der Sechsten EG-Richtlinie rügt. Die Klägerin führt nicht einmal aus, aus welchem konkreten Teil dieser umfangreichen Bestimmungen sie das Recht auf den pauschalen Vorsteuerabzug ableiten will. Rechtsprechung oder Literatur zu dieser Frage gibt sie nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 419123 |
BFH/NV 1994, 349 |