Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung und mangelhafter Sachaufklärung
Leitsatz (NV)
- Die Rechtsfrage, ob der Geschäftsführer einer GmbH für deren Steuerschulden in die persönliche Haftung genommen werden kann, wenn die Geschäftsbank der Gesellschaft zu Lasten des Geschäftskontos nur noch solche Verfügungen zugelassen hat, die der Bank selbst einen Vorteil eröffnen, ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt.
- Zur Darlegung des Verfahrensmangels unzureichender Sachaufklärung.
Normenkette
FGO §§ 76, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; AO 1977 §§ 34, 69, 191 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer einer am 1. August 1994 in Konkurs gegangenen und alsbald im Handelsregister gelöschten GmbH. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hat den Kläger durch ―zuletzt während des finanzgerichtlichen Verfahrens geänderten― Haftungsbescheid wegen rückständiger Umsatzsteuer der GmbH für April 1994 und Säumniszuschläge hierzu in Anspruch genommen. Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, eine Haftung scheide aus, weil die Hausbank der GmbH seit dem 28. April 1994 das Geschäftskonto gesperrt und außer Zahlungen für … keinerlei Verfügungen mehr zugelassen habe. Das FA erklärte, die Umsatzsteuer für April 1994 sei am 10. Juni 1994 zur Zahlung fällig gewesen. Den Kredit habe die Hausbank erst am 21. Juli 1994 gekündigt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde das Vorstandsmitglied der Hausbank als Zeuge hierzu vernommen. Die Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe seine steuerlichen Pflichten grob fahrlässig verletzt. Er habe die Umsatzsteuer-Voranmeldung verspätet abgegeben, seit Beginn 1994 gewußt, daß die GmbH überschuldet sei, und trotzdem das Unternehmen nicht eingestellt und keine Anstrengungen zur Sicherstellung der Zahlungsverpflichtungen der GmbH unternommen.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger mangelnde Sachaufklärung und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Senat läßt offen, ob die Beschwerde den an die Darlegung der Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu stellenden Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) genügt.
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob der Geschäftsführer einer GmbH für Steuerschulden in die persönliche Haftung genommen werden kann, wenn die Bezahlung der Steuerschulden lediglich daran scheitert, daß die Geschäftsbank der Gesellschaft nur mehr solche Verfügungen zu Lasten des Geschäftskontos erlaubt, welche ausschließlich der Bank selbst einen Vorteil eröffnen, ist ―ohne daß sich die Beschwerde hiermit auseinandersetzt― durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt. Danach verletzt der Geschäftsführer einer GmbH seine steuerlichen Verpflichtungen auch dann zumindest grob fahrlässig, wenn er stillschweigend duldet, daß die kreditierende Bank durch Auswahl der ihr erteilten Überweisungsaufträge das FA gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsentscheidungen vom 12. Juli 1983 VII B 19/83, BFHE 138, 424, BStBl II 1983, 655; vom 12. Juni 1986 VII R 135/80, BFH/NV 1988, 76, 78; vom 17. September 1987 VII R 101/84, BFH/NV 1988, 345; vom 5. November 1991 VII B 116/91, BFH/NV 1992, 575). Ein Geschäftsführer, der in solcher Situation keine Möglichkeit findet, seine rechtliche Stellung zu verwirklichen und seine Pflichten zu erfüllen, hat entweder von seinem Amt zurückzutreten (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1963 V 45/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 96) oder den Konkursantrag zu stellen. Aus welchem Grunde ein zusätzlicher Klärungsbedarf in dem angestrebten Revisionsverfahren bestehen soll, legt die Beschwerde im übrigen nicht dar.
Soweit die Beschwerde geltend macht, die im angefochtenen Urteil herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht geeignet, die Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) zu stützen, erhebt sie damit lediglich den Vorwurf der materiellen Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist mit solchem Vortrag nicht dargetan (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Juni 1997 X B 236, 237/95, BFH/NV 1997, 883).
Der gerügte Verfahrensverstoß gegen § 76 FGO ist nicht schlüssig dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO verlangt eine Darlegung des Verfahrensmangels, aus der schlüssig hervorgeht, daß er auch tatsächlich vorliegt (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1968 I B 60/67, BFHE 91, 348, BStBl II 1968, 351; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 34, m.w.N.). Macht der Beschwerdeführer mangelnde Sachaufklärung geltend, muß er deshalb vortragen, welche Tatsachen und Umstände das FG nicht aufgeklärt hat, daß die Aufklärung bestimmter Sachverhalte entscheidungserheblich gewesen wäre und warum der fachkundig vertretene Kläger nicht von sich aus einen Antrag zur weiteren Aufklärung des für entscheidungserheblich gehaltenen, bestimmten Sachverhalts gestellt hat (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Juli 1997 VIII B 68/96, BFH/NV 1998, 29).
Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, auf entsprechenden Hinweis des Gerichts hätten Unterlagen über die ―schriftsätzlich vorgetragenen und im Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 1997 festgehaltenen― Zuführungen von Geldmitteln an die GmbH vorgelegt werden können, so verkennt der Kläger, daß das Gericht seine Entscheidung nicht allein darauf gestützt hat, daß sich der Kläger zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer nicht ausreichend um eine Konsolidierung der Finanzen und Sicherstellung der Zahlungsverpflichtungen bemüht hat, sondern daß er, obwohl die Kreditlinie bei der Hausbank seit Ende 1993 permanent überzogen war und er die Überschuldung der GmbH sowie die Tatsache, daß nicht alle Verbindlichkeiten erfüllt werden konnten, erkannt hatte, das Unternehmen weitergeführt hat und seinen steuerlichen Verpflichtungen einfach nicht mehr nachgekommen ist. Zudem waren aus der hier allein maßgeblichen Sicht des FG die Mittelzuführungen vom März und April 1994, die offensichtlich nicht zur Tilgung von Steuerschulden eingesetzt worden sind, für die erst im Juni 1994 fällige Umsatzsteuer, für die der Kläger in Haftung genommen worden ist, ohne Bedeutung. Entscheidungserheblich war allein der Umstand, daß der Kläger keine Mittel für die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten sichergestellt hat.
Das Vorbringen, das Gericht habe ―unerwartet― seinen Verfahrensplan geändert, indem es die haftungsbegründende Pflichtverletzung des Klägers darin gesehen habe, daß er das Unternehmen trotz der bekannten Zahlungsschwierigkeiten weitergeführt habe, anstatt seine Entscheidung auf die durch die Aussage des Zeugen H von der kreditierenden Bank bestätigte Einlassung, daß der Kläger über das Geschäftskonto nicht mehr habe verfügen können, zu stützen, ist nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Erlaß einer Überraschungsentscheidung (§ 96 Abs. 2 FGO) darzutun. Die Beschwerde legt nicht dar, daß der Kläger sich zu diesen, aus den Schriftsätzen bekannten Gesichtspunkten nicht hat äußern können, sondern bemängelt vielmehr, daß das Gericht aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine andere rechtliche Schlußfolgerung gezogen hat als vom Kläger erwartet. Im übrigen wurde in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 1997 nicht nur der wesentliche Inhalt der Akten vorgetragen, aus denen sich auch der Vorwurf des verspäteten Konkursantrages gegenüber dem Kläger ergeben hat, sondern die Streitsache auch mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Einer Erörterung, die auf eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung oder des Urteils überhaupt hinausläuft, bedarf es nicht (BFH-Beschluß vom 19. Juli 1996 VIII B 37/95, BFH/NV 1997, 124, 125).
Fundstellen
Haufe-Index 302389 |
BFH/NV 1999, 1308 |