Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Kläger eines von zwei in einer Klage verbundenen Klagebegehren zurück, nachdem das FG bezüglich dieses Klagebegehrens eine isolierte Kostenentscheidung erlassen hat und dagegen Beschwerde eingelegt worden ist, so hat der BFH insoweit das Verfahren einzustellen. Über die Kosten des gesamten Verfahrens ist jedoch einheitlich in der das andere Klagebegehren erledigenden Entscheidung zu befinden.
Normenkette
FGO §§ 72, 143 Abs. 1
Tatbestand
Das Hauptzollamt (HZA) forderte vom Kläger durch Steuerbescheid vom 14. November 1969 Mineralölsteuer in Höhe von 49 605,90 DM nach. Außerdem setzte es gegen ihn durch einen weiteren Bescheid vom gleichen Tage 4 111 DM Säumniszuschläge fest. Der Kläger legte gegen den Steuerbescheid Einspruch und gegen den Säumniszuschlagbescheid Beschwerde ein. Nachdem das HZA den Einspruch zurückgewiesen hatte, erhob der Steuerpflichtige Klage zum FG. Darin beantragte er, die Einspruchsentscheidung sowie den Steuerbescheid vom 14. November 1969 und den Säumniszuschlagbescheid vom 14. November 1969 aufzuheben. Durch Verfügung vom 26. Mai 1970 nahm das HZA den Säumniszuschlagbescheid zurück. Dem FG gab der Beklagte hiervon in seiner Klageerwiderung Kenntnis und erklärte, daß die Klage insoweit gegenstandslos sei.
Noch bevor es die Klageerwiderung dem Steuerpflichtigen übersandte, erließ das FG am 15. September 1970 einen Beschluß, in welchem es in dem Rechtsstreit der Parteien wegen Säumniszuschlags dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegte. In den Gründen dieser Entscheidung führte es aus, daß der Kläger mit der Klage vom 12. Mai 1970 beantragt habe, a) den Steuerbescheid vom 14. November 1969 und b) den Säumniszuschlagbescheid vom 14. November 1969 aufzuheben. Das Verfahren zu a) (Az. VII 16/70) sei noch anhängig; über die Klage werde zur gegebenen Zeit entschieden. Im Verfahren zu b) (Az. VII 16a/70) habe der Beklagte den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufgehoben, so daß der Rechtsstreit dadurch in der Hauptsache erledigt sei. Gemäß § 138 Abs. 2 FGO seien die Kosten dieses Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
Mit der gegen diesen Beschluß des FG erhobenen Beschwerde macht das HZA vor allem geltend, daß hinsichtlich des Säumniszuschlagbescheids vom 14. November 1969 kein Vorverfahren durchgeführt worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Kläger hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert. Er hat durch Schriftsatz vom 16. Juni 1972 an das FG zum Az. VII 16a/70 erklärt, daß er die am 12. Mai 1970 erhobene Klage zurücknehme.
Das durch die Klage des Steuerpflichtigen vom 12. Mai 1970 anhängig gemachte Verfahren ist gemäß § 72 Abs. 2 FGO insoweit einzustellen, als es das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Säumniszuschlagbescheids vom 14. November 1969 betrifft. Denn hinsichtlich dieses Klagegegenstandes hat der Steuerpflichtige, wie sich aus dem in seiner Erklärung vom 16. Juni 1972 angegebenen Aktenzeichen VII 16a/70 ergibt, die Klage zurückgenommen.
Der Wirksamkeit der Klagerücknahme steht es nicht entgegen, daß das HZA bereits am 26. Mai 1970 den angefochtenen Säumniszuschlagbescheid aufgehoben hatte und das FG auf Grund dessen den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt ansah und durch Beschluß vom 15. September 1970 isoliert über die Kosten entschied. Dabei kann dahinstehen, ob eine Klage auch noch zurückgenommen werden kann, nachdem die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt und bereits dadurch (vgl. Beschlüsse des BFH V B 46/67 vom 15. Februar 1968, BFH 91, 514, BStBl II 1968, 413, und IV R 170/71 vom 9. März 1972, BFH 105, 3, BStBl II 1972, 466) die Beendigung des Rechtsstreits herbeigeführt haben (bejahend im Hinblick auf den noch anhängig bleibenden Streit über die Kosten: Beschluß des BFH III B 41/67 vom 5. Dezember 1967, BFH 91, 18, BStBl II 1968, 202). Denn im Streitfall hat lediglich durch ein außerprozessuales Ereignis das mit der Klage verfolgte materielle Begehren des Klägers seine Erledigung gefunden. Dagegen hat vor der Klagerücknahme keiner der beiden Beteiligten in dem gerichtlichen Verfahren eine entsprechende, auf die Beendigung des Prozesses ohne Hauptsacheentscheidung gerichtete Prozeßhandlung vorgenommen, weshalb es im übrigen auch unzulässig war, gemäß § 138 FGO durch Beschluß isoliert über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. Urteil des BFH IV 162/65 vom 29. Januar 1970, BFH 99, 157, BStBl II 1970, 623).
Ist aber der Rechtsstreit bezüglich der Anfechtung des Säumniszuschlagbescheids erst durch die Rücknahme der Klage beendet worden, so sind damit auch die vom Gesetz an diese Prozeßhandlung geknüpften Folgen eingetreten. Dazu gehört es, daß bereits ergangene, nicht rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen wirkungslos werden und der Kläger kraft Gesetzes die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (§§ 136 Abs. 2, 144 FGO). Für das vorliegende Beschwerdeverfahren bedeutet dies, daß der seinen Gegenstand bildende Beschluß des FG vom 15. September 1970 seine Wirksamkeit verloren hat, ohne daß es seiner Aufhebung bedurfte.
Die in § 72 Abs. 2 FGO vorgeschriebene Einstellung des Verfahrens obliegt, soweit es darin um das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Säumniszuschlagbescheids ging, dem BFH, obwohl das FG keine verfahrensmäßige Trennung der beiden in der Klage vom 12. Mai 1970 zusammengefaßten Klagegegenstände (§ 73 Abs. 1 FGO) angeordnet hatte und das Verfahren wegen des Steuerbescheids bei der Vorinstanz anhängig geblieben war. Denn über die Einstellung des Verfahrens kann immer nur das Gericht entscheiden, das zur Zeit der Klagerücknahme mit der Sache befaßt ist. Das ist aber, wenn ein Gericht zunächst nur hinsichtlich eines von mehreren in einem Verfahren zusammengefaßten Klagegegenständen eine (End-) Entscheidung fällt (wie dies im allgemeinen durch ein Teilurteil geschieht und im Streitfall durch eine isolierte Kostenentscheidung erfolgte) und dagegen ein Rechtsmittel eingelegt wird, hinsichtlich dieses einen Klagegegenstandes allein das Rechtsmittelgericht. Dabei macht es keinen Unterschied, daß in dem zuletzt genannten Falle das Beschwerdegericht nicht zur Entscheidung über die Klage selbst, sondern lediglich über die Verfahrenskosten berufen ist. Maßgebend ist nämlich, daß auch eine isolierte Kostenentscheidung, welche auf Grund einer vom Gericht angenommenen Hauptsacheerledigung getroffen wird, eine die Instanz abschließende Entscheidung darstellt mit der Folge, daß auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde allein das Rechtsmittelgericht mit der Sache befaßt ist. Dementsprechend haben BVerwG und BFH für den Fall, daß die Beteiligten während eines bei ihnen anhängigen Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision die Hauptsache für erledigt erklärten, ebenfalls ihre Zuständigkeit für die Einstellung des Verfahrens bejaht (Beschluß des BVerwG III B 6/64 vom 8. Juli 1965, NJW 1965, 1732; Beschluß des BFH VII B 46/71 vom 13. Juni 1972, BStBl II 1972, 706).
Hat sonach der BFH als das insoweit mit der Sache befaßte Gericht über die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich eines der beiden Klagegegenstände, nämlich der Anfechtung des Säumniszuschlagbescheids, gesondert zu entscheiden, so gilt dies nicht auch für die Kosten des Verfahrens. Über sie ist vielmehr, wenn nicht schon vorher eine Trennung der Verfahren vorgenommen wurde, wie in allen Fällen, in denen das Verfahren nur bezüglich eines Teils der Klage abgeschlossen wird, einheitlich zu entscheiden (vgl. für die teilweise Klagerücknahme: Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., Anm. 2A zu § 91 und Anm. 4C zu § 271; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., Anm. VII 2 zu § 271; Thomas-Putzo, Zivilprozeßordnung, 6. Aufl., Anm. 5c zu § 271; für die teilweise Erledigung der Hauptsache: Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Anm. 2A zu § 91a; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Anm. II 3d zu § 91a; Thomas-Putzo, Zivilprozeßordnung, Anm. 9a zu § 91a; Urteil des BVerwG V C 88.63 vom 2. Juni 1965, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 310, § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 16; Beschluß des BGH V ZB 19/62 vom 4. Januar 1963, NJW 1963, 583; für das Teilurteil: Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, Anm. 2A zu § 91; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Anm. IV 3 zu § 91; Thomas-Putzo, Zivilprozeßordnung, Anm. 2 zu § 301; Urteil des BGH VI ZR 205/55 vom 29. Mai 1956, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 20 S. 397). Diese einheitliche Kostenentscheidung obliegt im Streitfall dem FG und ist, je nachdem ob sich die vom Steuerpflichtigen erklärte Klagerücknahme auch auf die Anfechtung des Steuerbescheids vom 14. November 1969 erstreckt oder nicht, durch Beschluß (unter der Voraussetzung des § 144 FGO) oder im Urteil zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 69675 |
BStBl II 1972, 793 |
BFHE 1972, 286 |