Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde; Verfahrensmangel; Terminsverlegung; Besetzungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Bei Vorliegen erheblicher Gründe ist das FG verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen. Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt.
2. Eine Besetzungsrüge hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist.
3. Verweigert das Finanzamt die Erörterung der Sach- und Rechtslage, so könnte darin allenfalls ein Verfahrensfehler der Finanzverwaltung liegen, nicht aber ein solcher des FG. Fehler der Finanzverwaltung sind keine Verfahrensmängel im Sinne des Revisionsrechts.
4. Zu den formellen Erfordernissen an die substantiierte Begründung einer mehrere 100 Seiten umfassenden Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 155; ZPO § 227 Abs. 1
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 1 K 2183/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargetan werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift in keiner Weise (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 25 ff. und § 115 Rz 23 ff., jeweils m.w.N.).
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in der Beschwerdeschrift Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils erhebt, wird damit kein Zulassungsgrund dargelegt. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können. Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
2. Indem die Klägerin rügt, das Finanzgericht (FG) habe ihren Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und sie sei deshalb im erstinstanzlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, beruft sie sich zwar auf eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör. Darin kann ein Verfahrensmangel liegen. Die Klägerin hat diese Rechtsverletzung jedoch nicht schlüssig dargelegt.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein FG zwar grundsätzlich verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520; vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938; vom 18. März 2003 I B 122/02, BFH/NV 2003, 1584). Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 71/01, BFH/NV 2003, 178, m.w.N.).
b) Im Streitfall ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass bei Anlegung dieser Maßstäbe das FG den anberaumten Verhandlungstermin hätte verlegen müssen. Denn wie aus dem hier ausdrücklich in Bezug genommenen Parallelverfahren vor dem FG des Saarlandes 1 K 2060/03 ersichtlich ist, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Gründe für seine Verhinderung trotz mehrfacher Aufforderung des FG nicht glaubhaft gemacht, sondern vielmehr den Eindruck erweckt, er versuche das Verfahren zu verzögern. Demgemäß bestand für das FG keine Verpflichtung zur Verlegung des anberaumten Termins.
3. Die Rüge, das FG habe die Ablehnungsgesuche der Klägerin gegen den Berichterstatter und den Vorsitzenden des FG-Senats rechtsfehlerhaft abgelehnt und das FG sei damit im Ergebnis falsch besetzt gewesen, ist ebenfalls unzulässig. Die Klägerin macht damit zwar geltend, die nach ihrer Ansicht zu Recht abgelehnten Richter hätten an dem angefochtenen Urteil infolgedessen zu Unrecht mitgewirkt, wodurch ihr Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Die Rüge ist aber unsubstantiiert, denn das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) greift nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640; vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218; Gräber/Ruban, a.a.O., § 128 Rz 9). Davon kann hier keine Rede sein, zumal das FG in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich Bezug genommen hat auf die Entscheidungsgründe im Parallelverfahren vor dem FG des Saarlandes (Urteil vom 25. April 2007 1 K 2060/03). In jenem Verfahren sind die Befangenheitsanträge, die zugleich für den Streitfall gestellt wurden, als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen worden.
4. Hinsichtlich der Rüge, das FG habe seine Hinweispflicht verletzt, nimmt der Senat auf die ständige Rechtsprechung des BFH Bezug, nach der § 76 Abs. 2 FGO das FG nicht verpflichtet, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 4. August 1999 VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204). Das gilt insbesondere dann, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten war (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 204). Die Klägerin hätte deshalb darlegen müssen, weshalb das FG auch bei diesem rechtlichen Ausgangspunkt seine Fürsorgepflicht ihr gegenüber verletzt haben soll. Dazu fehlt indes jeglicher substantiierte Vortrag.
5. Mit der Rüge, das FG habe durch Nichterhebung angebotener Beweise seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, macht die Klägerin zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Den Anforderungen der Vorschrift genügt ihr Vorbringen aber nicht, weil § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte --ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Es muss daher außerdem vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 1994 I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Das Übergehen eines Beweisantrages kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl dort zu erkennen war, dass das Gericht den Beweis nicht erheben wird (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätte, trägt nicht einmal sie selbst vor. Dieses Unterlassen kann auch nicht dadurch geheilt oder entschuldigt werden, dass ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung nicht zugegen war.
6. Unzulässig ist auch die Rüge, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hätte die Erörterung der Sach- und Rechtslage verweigert. Diese "Verweigerung" könnte allenfalls einen Verfahrensfehler der Finanzverwaltung bezeichnen, nicht aber einen solchen des FG. Fehler der Finanzverwaltung sind aber keine Verfahrensmängel im Sinne des Revisionsrechts; im Übrigen sind auch Fehler des FG bei der Auslegung der Vorschriften der Abgabenordnung und anderer das Besteuerungsverfahren regelnder Vorschriften keine Verfahrens-, sondern nur materiell-rechtliche Mängel (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 77, m.w.N.), die nicht zur Zulassung der Revision führen.
7. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die äußerst umfangreiche Beschwerdebegründung von mehreren hundert Seiten auch ansonsten den formellen Erfordernissen, die an die substantiierte Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu stellen sind, in keiner Weise Genüge tut. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die Gründe des Beschlusses des VI. BFH-Senats vom 23. Juli 2008 im Parallelverfahren VI B 78/07 (juris), auf die in vollem Umfang Bezug genommen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 2083440 |
BFH/NV 2009, 179 |
BFH/NV 2009, 180 |