Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Bezeichnung eines Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
- Auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer steuerlichen Vorschrift oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung können eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen.
- Der Verfahrensmangel "Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes" (§ 76 FGO) ist nur hinreichend gerügt, wenn in der Beschwerdeschrift dargelegt wird, welche weitere Sachaufklärung sich dem FG nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, welche Beweise das FG nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.
Normenkette
FGO §§ 76, 115; EStG § 10h; GG Art. 3, 6, 14; II. WoBauG §§ 11, 40
Gründe
Im Streitfall richten sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde noch nach § 115 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757); denn das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) ist bereits vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden (Art. 4 2.FGOÄndG).
Nach § 115 Abs. 2 FGO a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.), das Urteil des FG von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) oder die angefochtene Entscheidung auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) nicht hinreichend dargelegt.
Hinreichend dargelegt ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann, wenn der Beschwerdeführer die Rechtsfragen bezeichnet, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt; darzulegen ist insbesondere, dass es sich um aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Fragen handelt und diese Fragen im konkreten Verfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig sind (z.B. Beschluss des BFH vom 18. Januar 1995 VIII B 41/94, BFH/NV 1995, 807).
Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung des BFH zu § 10h des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesichts einer Neufassung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) im Streitjahr 1994 korrekturbedürftig ist, bedarf keiner Klärung: § 11 II. WoBauG wurde seit In-Kraft-Treten des Gesetzes am 1. Mai 1980 nicht geändert; § 40 II. WoBauG wurde mit Wirkung vom 17. Juli 1985 aufgehoben.
Zwar können auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer steuerlichen Vorschrift oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen. Derartige Zweifel sind aber ebenfalls darzulegen. Im Streitfall haben die Kläger jedoch nicht schlüssig vorgetragen, inwieweit die angefochtene Entscheidung Art. 3, 6 und 14 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
2. Auch die Rüge, die angefochtene Entscheidung weiche i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. von der Rechtsprechung des BFH ab, haben die Kläger nicht entsprechend den Anforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. begründet.
Insoweit fehlt es schon an der nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Darlegung, dass das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Diesen Anforderungen entspricht nur eine Begründung, die die Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet, dass eine Abweichung erkennbar wird (Senatsbeschluss vom 29. Juni 1987 X B 26/87, BFH/NV 1988, 239).
3. Die Kläger haben auch den geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.) nicht hinreichend "bezeichnet".
Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 1991 V B 119/89, BFH/NV 1992, 667). In der Beschwerdeschrift wird zwar die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 76 FGO) gerügt. Die Kläger haben jedoch nicht dargelegt, welche weitere Aufklärung sich dem FG nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Beweise das FG nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Im Kern ihres Beschwerdevorbringens wenden sich die Kläger gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 27. April 1999 III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478).
Die Ausführungen der Kläger in den Schriftsätzen vom 2. März und 4. Mai 2001 rechtfertigen schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil sie nicht innerhalb der ―am 28. November 2000 abgelaufenen, nicht verlängerbaren― Beschwerdefrist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO a.F. eingegangen sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind ―abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen― nicht zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, unter 1. der Gründe; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 115 FGO Rz. 205).
Im Übrigen sieht der Senat von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung nach Maßgabe des § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO i.d.F. des 2.FGOÄndG ab.
Fundstellen