Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von ,,Kokosnußpulver"
Leitsatz (NV)
Zur Frage, ob ,,Kokosnußpulver" aus pasteurisierter, sonst behandelter und ergänzter Kokosnußmasse zolltariflich als anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitung einzureihen ist (Vorlage an den EuGH).
Normenkette
KN Unterpos.2106 9099, 1106 3090, 2008 19
Tatbestand
Mit der der Klägerin von der beklagten Oberfinanzdirektion (OFD) erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) vom . . . Mai 1990 wurde festgestellt, daß ,,Kokosnußpulver (Santan Coconut Cream Powder)", Pulver aus einer pasteurisierten, homogenisierten und danach sprühgetrockneten Mischung aus zermahlener und gepreßter Kokosnußmasse mit vor der Trocknung zur Gewinnung der Pulverform zugesetztem Maltodextrin (8%) und Natrium-Kaseinat (5%), mit 6,9 Gewichtshundertteilen Saccharose, bestimmt zur Herstellung von Lebensmitteln, als (andere) anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitung in die Unterposition 2106 9099 0900 7006 des Deutschen Gebrauchszolltarifs einzureihen ist (= Unterposition 2106 9099 der Kombinierten Nomenklatur -KN-). Eine anderweitige Tarifierung, insbesondere nach Unterposition 1106 3090 KN - (anderes) Pulver von Erzeugnissen des Kapitels 8 - schloß die OFD aus, weil die Ware mikroskopisch keine pflanzlichen Gewebeteile enthalte (Einspruchsentscheidung vom . . . Mai 1991).
Mit der Klage wird geltend gemacht, die Verwendung der beiden Zusatzstoffe diene ausschließlich der Gewinnung und Erhaltung eines trockenen, riesel- und verarbeitungsfähigen Kokosnußpulvers. Sie gingen mit diesem keine chemische Verbindung ein und bewirkten keine geschmackliche Verbesserung. Die Zusätze führten, ebenso wie die sonstigen Vorbehandlungen (einschließlich der Pasteurisierung), nicht zur Ausweisung des Kokosnußfleisches von Kapitel 8. Als Pulver gehöre die Ware zu Position 1106. Der Umstand, daß die zermahlene und gepreßte Kokosmasse nur 0,15% erkennbare Rohfaseranteile aufweise, sei ohne Bedeutung. Eine Lebensmittelzubereitung liege nicht vor. Die Ware werde vielmehr als Zutat bei der Herstellung von Lebensmittelzubereitungen - Kuchen, Pralinen, Suppen usw. - verwendet und erst hierbei genußfähig. Die Zusatzstoffe seien (zolltariflich) keine Lebensmittel. Im übrigen werde ein gleichartiges Kokosnußpulver in Belgien auch nicht als Lebensmittelzubereitung, sondern als Ware der Unterposition 2008 1910 tarifiert.
Die OFD trägt zur Sache im wesentlichen vor, das Vorprodukt der Ware enthalte nur einen Pflanzenfasergehalt von 0,15% des Kokosnußfleischs, sie selbst gar keine pflanzlichen Gewebeteile, während Kokosnüsse im eßbaren Anteil (Kokosnußmark) ca. 3,3% Rohfaser aufwiesen. Ein Fruchtpulver liege nicht vor, weil keine Frucht getrocknet werde, sondern ein durch Pressen aus einer zerkleinerten Kokosmasse gewonnenes cremeartiges Erzeugnis. Im übrigen entspreche die Herstellung der Ware nicht der eines Fruchtpulvers. Ihre Zutaten seien Lebensmittel, sie selbst folglich ganz aus Lebensmitteln zusammengesetzt (Lebensmittelzubereitung).
Entscheidungsgründe
Der Senat hat ungeachtet der von der OFD erklärten Erledigung und der darin mitgeteilten Rechtsänderung (Verordnung -EWG - Nr.521/92 des Rates vom 27. Februar 1992, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 56/12) eine Sachentscheidung zu treffen (über die Anfechtungsklage gegen die vZTA oder - im Falle ihres nach innerstaatlichem Recht zu beurteilenden Außerkrafttretens auf Grund einer etwa eingetretenen Änderung in ihr angewendeter Rechtsvorschriften - im Rahmen des nach der Rechtsprechung des Senats für zulässig zu erachtenden, dem Sinne nach hilfsweise erklärten Fortsetzungsfeststellungsbegehrens der Klägerin).
Da sich bei der Auslegung der hier anzuwendenden Zolltarifvorschriften des Gemeinschaftsrechts Zweifel ergeben, ist der Senat verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einzuholen (Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft).
Die angefochtene vZTA wäre rechtmäßig, wenn es sich bei der Ware um eine Lebensmittelzubereitung im zolltariflichen Sinne handelte. Die Position 2106 ist ein Auffangtatbestand, vor dessen Anwendung zu prüfen ist, ob die Ware anderweitig erfaßt ist. In Betracht kommen insoweit die Positionen 1106 und 2008.
Die von der Klägerin für anwendbar gehaltene Unterposition 1106 3090 KN - Mehl, Grieß und Pulver von Kokosnüssen (Unterposition 0801 10) - erfaßt durch die darin angesprochenen Herstellungsverfahren - hier: Pulverisierung - gewonnene Erzeugnisse, die sich zuvor als solche des Kapitels 8 dargestellt haben. Es erscheint fraglich, ob die Ware - aus gehäckseltem, zermahlenen und gepreßten Kokosnußfleisch erhaltene pasteurisierte, homogenisierte Kokosnußcreme, versetzt mit Maltodextrin und Natrium-Kaseinat - vor ihrer Pulverisierung (Sprühtrocknung) noch als Erzeugnis des Kapitels 8 anzusehen war.
Bereits das Pasteurisieren des Produkts könnte im Rahmen von Kapitel 8 unzulässig sein. Zwar sind gewisse einfache Behandlungen, z.B. Maßnahmen der vorläufigen Haltbarmachung, gestattet (vgl. Erläuterungen Harmonisiertes System zu Kapitel 8 Rz.01.0, 03.0, 04.0), doch ist zweifelhaft, ob zu diesen Maßnahmen auch das Pasteurisieren zu rechnen ist (vgl. hierzu Nr.2 des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr.316/91 der Kommission vom 7. Februar 1991, ABlEG L 37/25). Auch im übrigen bestehen nach der Herstellungsart Zweifel, ob die Gewinnung des Vorprodukts (,,Kokosnußcreme") als durch einfache Behandlungen bewirkt gewertet werden kann.
Gegen eine Zuweisung zu Unterposition 2008 19 - (andere Schalen-)Früchte, in anderer Weise zubereitet oder haltbar gemacht, anderweit weder genannt noch inbegriffen - könnte gleichfalls die Art der Herstellung des Vorprodukts sprechen (unabhängig davon, ob es sich dabei um eine ,,Emulsion" handelt). Insbesondere könnte der Umstand, daß die Ware vor ihrer Trocknung Zusätze - Maltodextrin, Natrium-Kaseinat - erhalten hat, den Charakter als ,,Frucht" beeinträchtigen. Wäre die Position 2008, die selbst nur einen Auffangtatbestand (für Waren des Kapitels 20) enthält, auszuschließen, so bliebe allein übrig, das Erzeugnis, wie geschehen, als ,,Lebensmittelzubereitung" einzuordnen. Dies widerspräche aber möglicherweise der vorbezeichneten Einreihungs-Verordnung, nach der ,,Creamed coconut" zu Unterposition 2008 19 gehören soll (vgl. auch Erläuterungen KN zu Position 2008 Rz.08.0).
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen und der nach dem Vortrag der Klägerin in Belgien geübten Einreihungspraxis hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
,,Ist der Gemeinsame Zolltarif (Kombinierte Nomenklatur 1990) dahin auszulegen, daß ,,Kokosnußpulver" aus einer pasteurisierten, homogenisierten und danach sprühgetrockneten Mischung aus zermahlener und gepreßter Kokosnußmasse mit vor der Trocknung zur Gewinnung der Pulverform zugesetztem Maltodextrin und Natrium-Kaseinat, wie in den Gründen näher beschrieben, als (andere) anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitung in die Unterposition 2106 9099 einzureihen ist?"
Fundstellen
Haufe-Index 418693 |
BFH/NV 1993, 211 |