Leitsatz (amtlich)
Eine Aussetzung der Vollziehung wird nicht dadurch unzulässig, daß in der Hauptsache das Urteil des FG durch Fristablauf zwar rechtskräftig geworden ist, wegen Versäumung der Revisionsfrist aber ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden ist.
Normenkette
FGO §§ 56, 69
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines gegen ihn ergangenen Grunderwerbsteuerbescheides. Das FG hat den Antrag abgelehnt, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides beständen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Inzwischen hat das FG die Klage abgewiesen, mit der Steuerfreiheit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung (GrESt-AgrG) geltend gemacht wird. Dieses Urteil ist mit Ablauf des 7. Februar 1972 rechtskräftig geworden. Der Antragsteller hat, nachdem er durch eine Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 12. Juni 1972 hierauf hingewiesen worden ist, mit Schreiben vom 20 Juni 1972, das am 21. Juni 1972 beim BFH und nach Weiterleitung am 23. Juni 1972 beim FG einging, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und am 29. Juni 1972 die Revision nachträglich eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung nicht gegeben sind.
Eine Aussetzung der Vollziehung scheitert allerdings nicht daran, daß die vom FG in der Hauptsache getroffene Entscheidung wegen Versäumung der Revisionsfrist rechtskräftig geworden ist. Damit wurde zwar der angefochtene Bescheid bestandskräftig, und grundsätzlich kann nur die Vollziehung eines noch angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt werden (Beschluß des BFH vom 30. Mai 1967 VI S 3/67, BFHE 89, 114 [115], BStBl III 1967, 530). Der Antragsteller hat aber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Sollte dieser Antrag Erfolg haben, würde die Rechtskraft des Urteils der Vorinstanz rückwirkend gehemmt. Es ist deshalb gerechtfertigt, den Verwaltungsakt nach Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frage der Zulässigkeit des Aussetzungsantrages als einen noch angefochtenen Verwaltungsakt zu behandeln. Diese Auffassung steht im Einklang mit der vom VII. Senat zur Vollziehungsaussetzung bei Rechtshängigkeit einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage vertretenen Auffassung (Beschluß vom 24. Januar 1967 VII B 9/66, BFHE 88, 18, BStBl III 1967, 253). Sie entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 707 ZPO.
Eine Aussetzung der Vollziehung kann jedoch deshalb nicht gewährt werden, weil bei voller Ausschöpfung des im Aussetzungsverfahren vorliegenden Prozeßstoffes (BFH-Beschluß vom 23. Juli 1968 II B 17/68, BFHE 92, 440, BStBl II 1968, 589) keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, daß der angefochtene Bescheid mit der Rechtskraft des FG-Urteils unanfechtbar geworden ist und daß der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg haben wird, weil die Revisionsfrist nicht ohne Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers versäumt worden ist, dessen Verschulden dem Antragsteller zuzurechnen ist (§ 155 FGO, § 232 Abs. 2 ZPO). Die Aussetzung der Vollziehung muß abgelehnt werden, ohne daß es noch darauf ankommt, ob in materieller Hinsicht ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grunderwerbsteuerbescheides bestehen (BFH-Beschluß vom 31. Juli 1970 III B 44/69, BFHE 100, 166, BStBl II 1970, 846).
Mit dieser Entscheidung, die nur für die Vollziehungsaussetzung Bedeutung hat, wird der im Revisionsverfahren zu treffenden Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorgegriffen.
Fundstellen
Haufe-Index 70211 |
BStBl II 1973, 854 |