Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Anforderung an die Begründung bei grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung hat der Beschwerdeführer eine bestimmte Rechtsfrage herauszustellen, die für den Rechtsstreit erheblich sein kann, und zu begründen, warum sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist.
- Für eine schlüssige Darlegung der Divergenz ist es erforderlich, der angefochtenen Entscheidung des FG einen diese Entscheidung tragenden allgemeinen (abstrakten) Rechtssatz zu entnehmen und ihm einen ebenfalls tragenden (abstrakten) Rechtssatz aus BFH-Entscheidungen bzw. Entscheidungen des BVerfG gegenüberzustellen, der zu ihm in Widerspruch steht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 S. 3; ErbStG § 7 Abs. 7
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sowie dessen Bruder (B) waren zu jeweils 50 v.H. am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Der gemeine Wert der Anteile betrug auf den 31. Dezember 1990 658 v.H. des eingezahlten Stammkapitals. Nach dem Gesellschaftsvertrag war jeder Gesellschafter zur Kündigung der Gesellschaft unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist berechtigt. Die Gesellschaft sollte durch eine Kündigung nicht aufgelöst werden. Der kündigende Gesellschafter war vielmehr verpflichtet, seine Gesellschaftsanteile auf die übrigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Stammeinlagen zu übertragen. Als Abfindung hierfür stand dem ausscheidenden Gesellschafter die eingezahlte Stammeinlage zuzüglich des Anteils an den offenen Reserven und am Gewinnvortrag abzüglich des Anteils am Verlustvortrag zu.
Mit Schreiben vom 18. Juni 1990 kündigte B seine Gesellschaftsbeteiligung und teilte mit, zum 31. Dezember 1990 als Gesellschafter aus der GmbH auszuscheiden. Auf einer Gesellschafterversammlung am 16. Juli 1990 beschlossen die beiden Gesellschafter die Übertragung der GmbH-Anteile des B auf den Kläger gegen Zahlung des von B eingezahlten Stammkapitals als Abfindung. Die dingliche Abtretung der Anteile wurde am 17. Dezember 1990 notariell beurkundet.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) sah in dem Übergang der Gesellschaftsanteile eine Schenkung des B an den Kläger und setzte durch Bescheid vom 28. August 1995 Schenkungsteuer gegen den Kläger in Höhe von … DM fest. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die Steuer auf … DM herabgesetzt und ausgeführt, der Übergang der Gesellschaftsanteile auf den Kläger unterliege nach § 7 Abs. 7 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) der Schenkungsteuer. Des subjektiven Merkmals des Bewusstseins der Unentgeltlichkeit bedürfe es deshalb nicht. Der Übergang beruhe auf dem Gesellschaftsvertrag der GmbH, denn danach sei der kündigende Gesellschafter (B) verpflichtet gewesen, seine Anteile auf den Kläger zu übertragen. Die Kündigung des B sei zwar verspätet, aber nicht unwirksam gewesen. Vielmehr habe die Gesellschafterversammlung diese akzeptiert. Der am 17. Dezember 1990 vereinbarte dingliche Übergang der Anteile auf den Kläger stehe der Annahme eines auf dem Gesellschaftsvertrag beruhenden Übergangs nicht entgegen. Denn anders als bei einer Personengesellschaft, bei der bei Bestehen einer Fortsetzungsklausel eine Anwachsung, d.h. ein gesetzlicher Übergang der Beteiligung auf die übrigen Gesellschafter stattfinde, bedürfe es bei einer Kapitalgesellschaft stets eines dinglichen Vollzugsakts.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend macht. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Dies beurteilt sich nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), wie sich aus Art. 4 dieses Gesetzes ergibt. Denn die angefochtene Entscheidung des FG ist vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden.
Die Begründung der Beschwerde genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach muss in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt bzw. die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und einheitlichen Handhabung des Rechts berührt (Beschluss des BFH vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Der Beschwerdeführer muss demnach eine bestimmte Rechtsfrage herausstellen, die für den Rechtsstreit erheblich sein kann und begründen, warum sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluss vom 3. Februar 1987 V B 99/86, BFH/NV 1987, 312).
Der Kläger hat zwar in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage bezeichnet, nämlich die Frage aufgeworfen, ob das Merkmal "auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend" in § 7 Abs. 7 ErbStG beschränkt sei oder auch einen anschließenden rechtsgeschäftlichen Übergang von Gesellschaftsanteilen mit umfasse, jedoch keine Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage gemacht. Er hat lediglich behauptet, die Frage habe grundsätzliche Bedeutung und sei klärungsbedürftig. Dies reicht nicht aus, denn damit ist die grundsätzliche Bedeutung nicht "dargelegt". Dies gilt auch für den Hinweis des Klägers, der BFH habe bislang noch keine Gelegenheit gehabt, über diese Frage zu entscheiden, sowie seine Behauptung, die Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH im künftigen Revisionsverfahren sei für eine größere Anzahl von Fällen von Bedeutung; denn daraus ergibt sich noch nicht, dass die angeführte Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluss vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603). Hierzu hätte es einer eingehenden Auseinandersetzung mit den beiden BFH-Urteilen vom 1. Juli 1992 II R 70/88 (BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921) und II R 12/90 (BFHE 168, 390, BStBl II 1992, 925) und der zivil- und handelsrechtlichen Unterschiede beim Übergang eines Anteils an einer Personengesellschaft einerseits und an einer Kapitalgesellschaft andererseits bedurft.
2. Soweit der Kläger geltend macht, das Urteil der Vorinstanz weiche von der Entscheidung des BFH in BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921 ab, genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Für eine schlüssige Darlegung der Divergenz wäre es erforderlich gewesen, der angefochtenen Entscheidung des FG einen diese Entscheidung tragenden allgemeinen (abstrakten) Rechtssatz zu entnehmen und ihm einen ebenfalls tragenden (abstrakten) Rechtssatz aus den BFH-Entscheidungen bzw. den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegenüberzustellen, der zu ihm in Widerspruch stehen könnte (BFH-Entscheidungen vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309). Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger referiert zwar den Inhalt des BFH-Urteils in BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921, wonach die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Gesellschaftsanteils durch Verfügung des Gesellschafters über seinen Gesellschaftsanteil als nicht auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend grundsätzlich nicht unter § 7 Abs. 7 ErbStG 1974 falle, stellt diesem aber keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen FG-Urteil gegenüber. Der Kläger tritt insoweit lediglich der rechtlichen Würdigung des FG entgegen, welches im Hinblick auf die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Verpflichtung des ausscheidenden Gesellschafters zur Übertragung seines Anteils an ihn, den Kläger, von einem "auf einem Gesellschaftsvertrag beruhenden" Übergang des Gesellschaftsanteils ausgegangen ist. Daraus ergibt sich jedoch noch keine Abweichung des FG-Urteils von dem Urteil des BFH in BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921.
Fundstellen
Haufe-Index 667069 |
BFH/NV 2002, 500 |