Leitsatz (amtlich)
Geht der Streit über die Rechtmäßigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheids nur darum, ob Vergütungen, die die Gesellschaft gezahlt hat, gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau darstellen, so ist der Streitwert durch Anwendung eines Vomhundert-Satzes auf den Betrag von 500 DM zu ermitteln.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 3
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt ein ... haus. Persönlich haftende Gesellschafter und Geschäftsführer waren in den Streitjahren 1960 und 1961 die Brüder X mit einer Beteiligung von je 37,83 v. H. Die Ehefrauen der beiden persönlich haftenden Gesellschafter arbeiteten in den Streitjahren im Unternehmen mit und ersetzten eine volle Arbeitskraft. Ihr Arbeitsverhältnis beruhte in den Streitjahren auf einer mündlichen Vereinbarung anläßlich der Besprechung der Bilanz 1958 im Jahr 1959, nach der die Ehefrauen ein Gehalt von je 18 000 DM jährlich erhalten sollten. Am 30. Juni 1962 schloß die Klägerin mit den Ehefrauen mit Rückwirkung auf den 1. Januar 1962 schriftliche Arbeitsverträge, in denen ein Gehalt von monatlich 1 400 DM und eine Weihnachtsgratifikation von 1 200 DM vereinbart wurden.
In den Streitjahren wurden die Gehälter der Ehefrauen jeweils zum Ende des Geschäftsjahrs auf Darlehnskonten der Klägerin in einem Jahresbetrag gebucht und in Höhe von 6 v. H. verzinst. Lohnsteuer wurde nicht einbehalten, Sozialversicherungsbeiträge fielen nach den Angaben des Prokuristen der Klägerin, der als Zeuge vernommen wurde, nicht an. Die Ehefrauen konnten über ihre Konten frei verfügen.
Seit dem 1. Januar 1962 werden die Vergütungen monatlich abgerechnet und ausbezahlt. Lohnsteuer wird einbehalten und abgeführt.
Der Revisionskläger (das FA) behandelte die Gehälter der Ehefrauen in den Streitjahren als Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hin hat das FG die Gewinnfeststellungsbescheide dahin geändert, daß es die Arbeitsverhältnisse zwischen den Ehefrauen der persönlich haftenden Gesellschafter und der Klägerin anerkannt hat.
Den Streitwert hat das FG auf 36 000 DM festgesetzt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA. Das FA rügt Verletzung der §§ 4 Abs. 4 EStG und 140 Abs. 3 FGO.
Das FA meint, die Grundsätze über die steuerrechtliche Anerkennung der Ehegattenarbeitsverhältnisse seien im Streitfall anzuwenden, weil die beiden persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin insgesamt zu mehr als 75 v. H. am Unternehmen beteiligt seien und die alleinige Geschäftsführung innehätten. Wende man aber die Rechtsprechung an, so fehle es im Streitfall an dem tatsächlichen Vollzug der Arbeitsverhältnisse. Die Rechtsprechung verlange, daß die vereinbarte Arbeitsvergütung jeweils zum üblichen Zeitpunkt (monatlich) ausbezahlt werde.
Der Streitwert, den das FG festgesetzt habe, sei überhöht. Tatsächlich seien im vorliegenden Fall auf Antrag der beteiligten und zusammenveranlagten Ehegatten lediglich rund 1 200 DM Einkommensteuer für die beiden Streitjahre ausgesetzt worden.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des FG als unbegründet abzuweisen und den Streitwert auf 1 200 DM festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unzulässig, da der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM nicht übersteigt (§ 115 Abs. 1 FGO), die Revision nicht zugelassen ist und wesentliche Mängel des Verfahrens nach § 116 FGO nicht gerügt werden (§ 124 FGO).
Der Streitwert ist unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 140 Abs. 3 FGO). In ständiger Rechtsprechung hat der BFH entschieden, daß im Rechtsstreit über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der Streitwert pauschal in einem Vomhundertsatz des streitigen Gewinns festzusetzen ist, um schwierige Berechnungen zu vermeiden (BFH-Urteil I 268/60 U vom 17. Oktober 1961, BFH 74, 108, BStBl III 1962, 41). In der Regel beträgt der Vomhundertsatz 25 v. H., bei einem Gewinn, der 1 000 000 DM übersteigt, 50 v. H. (BFH-Urteil VI R 131/66 vom 26. Januar 1968, BFH 91, 413, BStBl II 1968, 342). Danach hat das FG im Streitfall den Streitwert auf 50 v. H. von 2x 2x 18 000 DM = 36 000 DM festgesetzt. Der Gewinn der Klägerin liegt, wie aus den Akten ersichtlich ist, über 1 000 000 DM. Der BFH hat aber von dieser Berechnung des Streitwerts eine Ausnahme gemacht für den Fall, daß der Streit nur darum geht, ob die an einen Gesellschafter gezahlte Vergütung zu seinen gewerblichen Einkünften oder zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört. In diesem Fall ist der Streitwert in der Regel durch Anwendung eines Vomhundertsatzes auf den Betrag von 500 DM zu bemessen (BFH-Beschluß IV R 64/66 vom 26. Januar 1967, BFH 88, 21, BStBl III 1967, 254; IV 3/64 vom 25. August 1966, BFH 86, 569, BStBl III 1966, 611). Das gleiche muß gelten, wenn - wie im Streitfall - darum gestritten wird, ob die Vergütungen, die die Gesellschaft gezahlt hat, gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau darstellen. Denn die Zusammenveranlagung bedeutet, daß ein einheitliches Einkommen ermittelt wird und daß dieses Einkommen beiden Ehegatten zugerechnet wird. Die Ehegatten sind Steuerpflichtige und Steuerschuldner in gleichem Umfang und aufgrund des gleichen Einkommens (BFH-Urteil IV 28/62 S vom 5. Dezember 1963, BFH 78, 235, BStBl III 1964, 96). Sie sind Gesamtschuldner (§ 7 Abs. 2 StAnpG). Jeder von ihnen schuldet die ganze Leistung (§ 7 Abs. 3 Satz 1 StAnpG). Nur im Falle der Zwangsvollstreckung kann jeder Ehegatte eine Aufteilung der Steuerschuld beantragen (§ 7 Abs. 3 Satz 4 StAnpG). Aus dem Wesen der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) folgt, daß hier die steuerlichen Verhältnisse der Ehegatten eng miteinander verzahnt werden. Die Wahrung der steuerlichen Interessen des Gesellschafters, die nach dem BFH-Beschluß IV R 64/66 (a. a. O.) der Gesellschaft zusteht, erstreckt sich damit notwendigerweise auf die steuerlichen Verhältnisse der mit dem Gesellschafter zusammenveranlagten Ehefrau. Das Einkommen des Gesellschafters und die Einkommensteuerschuld des Gesellschafters sind mitbestimmt von den Einkünften der Ehefrau (§ 26b EStG).
Sind aber die Grundsätze des BFH-Beschlusses IV R 64/66 im Streitfall anzuwenden, so beträgt der Streitwert 50 v. H. von 2x 2x 500 DM = 1 000 DM und nicht, wie das FA meint, 50 v. H. von 4x 564 DM.
Der Senat sieht keine Veranlassung, dem FA Gelegenheit zu geben, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einzulegen. Denn die Frist für diese Beschwerde wäre versäumt (§ 115 Abs. 3 FGO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) könnte nicht gewährt werden, weil das FA, wenn es sich schon auf den BFH-Beschluß IV R 64/66 (a. a. O.) berufen hat, hätte sehen müssen, daß der Vomhundertsatz auf den Betrag von 500 DM und nicht auf den Betrag von 564 DM anzuwenden ist. Das FA hätte dann wenigstens vorsorglich Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einlegen können.
Fundstellen
Haufe-Index 69643 |
BStBl II 1972, 428 |
BFHE 1972, 499 |