Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, wenn das Finanzamt Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt hat
Leitsatz (NV)
1. Keine Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung, wenn das Finanzamt ein Rechtsmittel eingelegt hat.
2. Vor dem Bundesfinanzhof ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters auch dann erforderlich, wenn das Finanzamt Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1-2; ZPO §§ 114, 115 Abs. 1, §§ 117, 119 S. 2, § 121
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) führte für den Kläger, Beschwerdegegner und Antragsteller (Kläger) und seine Ehefrau für 1981 eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer durch. Am 25. November 1982 übermittelte er sowohl dem Kläger als auch seiner geschiedenen Ehefrau einen Einkommensteuerbescheid durch einfache Postsendung. Die Ehefrau machte geltend, ihr sei der Einkommensteuerbescheid nicht zugegangen; sie beantrage die getrennte Veranlagung gemäß § 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Daraufhin hob das FA mit Bescheid vom 16. März 1983 den dem Kläger bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf und führte eine getrennte Veranlagung der geschiedenen Eheleute durch.
Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 16. März 1983 begehrte, hatte Erfolg. Im finanzgerichtlichen Verfahren hatte die als Zeugin geladene geschiedene Ehefrau des Klägers von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 der Zivilprozeßordnung (ZPO) Gebrauch gemacht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision legte das FA Beschwerde ein, mit der es einen Verfahrensmangel rügte. Es machte geltend: Wenn es in einem Rechtsstreit mittelbar oder unmittelbar darum gehe, ob Ehegatten getrennt oder zusammen zu veranlagen seien, so sei der jeweilige Ehegatte des Klägers derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könne. Er müsse daher nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen werden. Das sei hier unterblieben. Die Ladung der geschiedenen Ehefrau als Zeugin entspreche nicht einer Beiladung im Sinne des § 60 Abs. 3 FGO. Der gerügte Verfahrensmangel könne Auswirkungen auf die Vorentscheidung gehabt haben.
Im vorliegenden Verfahren beantragt der Kläger, ihm für das vorstehend erwähnte Beschwerdeverfahren, das unter dem Aktenzeichen . . . beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist, Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 22. Februar 1987 hat er dem BFH vorgelegt. Danach bezieht der Kläger lediglich Arbeitslosengeld in Höhe von . . . DM wöchentlich und muß . . . DM Miete zahlen. Außerdem sind . . . DM wöchentlich zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau aufgrund eines Pfändungsbeschlusses gepfändet. Im übrigen hat die geschiedene Ehefrau nach der Erklärung eigene Einkünfte von ca. 1 400 DM netto. Als unterhaltsberechtigt ist in der Erklärung auch der 1976 geborene Sohn angegeben. Der Kläger hat ferner erklärt, daß eine Rechtsschutzversicherung bestehe, die jedoch im vorliegenden Fall nicht eintrete.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist begründet. Dem Kläger ist für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Nach § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO wird einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Daß die subjektiven Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe erfüllt sind, hat der Antragsteller gemäß § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO durch eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzutun, die auf amtlichem Vordruck zu erfolgen hat.
Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichem Vordruck hat der Kläger hier vorgelegt. Nach dieser zeitnah abgegebenen Erklärung ist der Kläger nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen. Auch die Festsetzung von Raten kommt nicht in Betracht. Selbst wenn der Kläger gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau - wegen deren eigener Einkünfte - im Hinblick auf § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht als unterhaltspflichtig in dem hier interessierenden Sinne anzusehen sein sollte, so ist er jedenfalls seinem Sohn gegenüber unterhaltspflichtig. Nach der Tabelle gemäß Anlage 1 zu § 114 ZPO sind beim Bestehen einer Unterhaltspflicht gegenüber einer Person bis zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 1 300 DM keine Raten festzusetzen. Das Nettoeinkommen des Klägers liegt aber unter dieser Grenze, da von dem bezogenen Arbeitslosengeld jedenfalls der zugunsten seiner früheren Ehefrau gepfändete Betrag von . . . DM wöchentlich abzusetzen ist.
Die Frage, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, ist nicht zu prüfen, weil der Gegner, das FA, die Beschwerde eingelegt hat (§ 119 Satz 2 ZPO).
Gemäß § 121 ZPO, § 142 Abs. 2 FGO ist dem Kläger ein Rechtsanwalt oder Steuerberater beizuordnen. Zwar hat der Kläger dem BFH gegenüber ausdrücklich erklärt, er halte die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht für notwendig, da er der Beschwerde keine Erfolgsaussichten beimesse. Im Hinblick auf das gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs bestehende Vertretungsgebot vor dem BFH ist jedoch die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters erforderlich, da die Gewährung der Prozeßkostenhilfe anderenfalls ins Leere gehen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 415062 |
BFH/NV 1987, 599 |