Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde; Einzelrichterregelung
Leitsatz (NV)
1. Die sog. außerordentliche Beschwerde ist in der FGO grundsätzlich nicht vorgesehen. Sie wird nur ausnahmsweise in Fällen greifbarer Gesetzwidrigkeit für zulässig gehalten.
2. Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gemäß §6 FGO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
FGO §§ 6, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 3
Gründe
Das als "außerordentliche Beschwerde" bezeichnete Rechtsmittel ist unzulässig.
1. Eine solche Beschwerde, die nach Ablauf der Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde (§115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) erhoben werden könnte, ist in der FGO grundsätzlich nicht vorgesehen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird ausnahmsweise in Fällen, in denen eine Entscheidung kraft Gesetzes unanfechtbar wird, die Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit für zulässig gehalten, wenn die Entscheidung unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791; vom 13. November 1996 VIII B 95/96, BFH/NV 1997, 364; Beschlüsse des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 14. November 1991 I ZB 15/91, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 983; vom 8. Oktober 1992 VII ZB 3/92, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1992, 2038, w.m.N.).
Die Voraussetzungen, unter denen eine solche außerordentliche Beschwerde ausnahmsweise zulässig sein könnte, sind im Streitfall weder schlüssig dargetan noch gegeben.
a) Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist durch §6 FGO gedeckt. Dazu hat der BFH wiederholt entschieden, daß gegen die Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. September 1996 IV R 51/94, BFH/NV 1997, 242; vom 24. Oktober 1996 IV R 57/95, BFH/NV 1997, 417; vom 17. April 1997 III R 39/96, BFH/NV 1997, 860). Auch führt die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter nicht zu einer vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts und damit zu einem Verstoß gegen den gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes -- GG -- (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 1996 VI R 66/95, BFH/NV 1996, 572; vom 17. April 1996 VI R 105/95, BFH/NV 1996, 767; in BFH/NV 1997, 860). Der Senat des Finanzgerichts (FG) hat im übrigen mit der Übertragung keinen Verfahrensfehler begangen, denn die Sache wies angesichts nicht vorhandener (Fremd-)Nachweise keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und hatte angesichts der Fülle der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Nachweisproblematik keine grundsätzliche Bedeutung. Darüber hinaus haben die Kläger den Wechsel des Berichterstatters nicht hinreichend spezifiziert (etwa durch Hinweis auf Abweichungen vom senatsinternen Geschäftsverteilungsplan) gerügt.
b) Auch die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör greift -- abgesehen von ihrer fehlenden Schlüssigkeit -- nicht durch. Denn den Klägern ist hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden, und zwar hinsichtlich der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter mit Verfügung zur Anhörung vom 8. Mai 1995 wie auch hinsichtlich der endgültigen Entscheidung durch den Einzelrichter mit Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. April 1996 und im -- mehr als eine Stunde dauernden -- Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 1996. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger davon auch hinreichend Gebrauch gemacht, ohne sich allerdings zur fehlenden Anhörung und Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter zu äußern.
c) Die übrigen gegen die Entscheidung des FG vorgetragenen Gründe (fehlender Ausspruch und fehlende Begründung der Nichtzulassung der Revision, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz) sind nicht schlüssig dargetan.
2. Soweit trotz der ausdrücklich anderweitigen Bezeichnung des Rechtsmittels als "außerordentliche Beschwerde" diese gleichwohl als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision aufgefaßt werden sollte, wäre sie unzulässig. Denn zum einen ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Beschwerdefrist des §115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO begründet worden; die nach Ablauf der Frist eingegangene Begründung ist unbeachtlich (s. dazu Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §115 Rz. 52). Zum anderen entsprechen die eingegangenen Begründungen nicht den Darlegungserfordernissen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn zur gerügten Divergenz fehlen Ausführungen gänzlich; im übrigen erschöpft sich die Begründung in der Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, ohne auf die aufgeworfenen Rechtsfragen konkret einzugehen und sich mit den zu diesen Fragen in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen Auffassungen auseinanderzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 302974 |
BFH/NV 1998, 1487 |