Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrangige Anrufung des FA bei Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (NV)
Ein beim BFH gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermeßbescheiden erfüllt nicht die besonderen Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG, wenn der Steuerpflichtige insoweit - anders als hinsichtlich der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuerbescheide für dieselben Streitjahre - nicht erst das FA angerufen und dieses deshalb auch nur die Vollziehung der Einkommen- und der Umsatzsteuerbescheide ausgesetzt hat.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1
Tatbestand
Die Klage des Klägers, Beschwerdeführers und Antragstellers (Antragsteller) gegen die im Anschluß an eine Außenprüfung geänderten Gewerbesteuermeßbescheide 1977 und 1979 hatte - abgesehen von einer geringfügigen Herabsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags für 1977 - keinen Erfolg gehabt. Auch die Klagen in Sachen Umsatzsteuer 1977 bis 1979 und Einkommensteuer 1979 waren im wesentlichen abgewiesen worden.
Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) teilte daher dem Antragsteller mit Schreiben vom 16. und vom 19. Dezember 1985 zunächst mit, daß die bisher (durch Bescheid vom 3. November 1982) ausgesetzten Einkommen- und Umsatzsteuerbeträge - abzüglich der auf der teilweisen Klagenstattgabe beruhenden Minderungen - jeweils binnen eines Monats nach Zustellung des betreffenden Urteils des Finanzgerichts (FG) zur Zahlung fällig würden. Auf das Schreiben des Antragstellers vom 20. Januar 1986, in dem dieser ausführte, daß er gegen das Urteil in Sachen Umsatzsteuer 1977 bis 1979 Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt habe und dies auch hinsichtlich der Einkommensteuer 1979 tun werde, setzte das FA am 27. Januar 1986 jedoch die Vollziehung der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide wieder aus. In Sachen Gewerbesteuermeßbeträge 1977 und 1979 teilte es der hebeberechtigten Gemeinde mit Schreiben vom 24. Januar 1986 mit, daß das FG die betreffende Klage abgewiesen habe und daß das Urteil am 24. Februar 1986 rechtskräftig würde. Die mit Verfügung vom 3. November 1982 gewährte Aussetzung der Vollziehung ende zu diesem Zeitpunkt.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 1986 gegen das Urteil in Sachen Gewerbesteuermeßbeträge 1977 und 1979 rechtzeitig Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und zugleich Aussetzung der Vollziehung beantragt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Antragstellers ist nicht zulässig, da es an einer vorherigen Anrufung des FA fehlt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist zwar spätestens mit dem Ergehen des Beschlusses des FG, daß dieses der Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers nicht abhelfe, für die Entscheidung nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) - als Gericht der Hauptsache - zuständig geworden (vgl. hierzu den BFH-Beschluß vom 6. August 1970 IV B 13/69, BFHE 100, 17, BStBl II 1970, 786).
Doch erfüllt der Antrag nicht die besonderen Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) und ist mithin unzulässig (siehe hierzu insbesondere den BFH-Beschluß vom 11. Oktober 1979 IV B 61/79, BFHE 129, 8, BStBl II 1980, 49). Der Antragsteller hat sich insoweit - anders als in Sachen Einkommensteuer und Umsatzsteuer - nicht erst an das FA gewandt, sondern unmittelbar den BFH angerufen, ohne daß die Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 VGFGEntlG vorlagen. Es ist vom Antragsteller nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, daß die hebeberechtigte Gemeinde auf Grund des Hinweises des FA auf das Ende der früher gewährten Vollziehungsaussetzung (am 24. Februar 1986) den Antragsteller bereits zur Zahlung aufgefordert hätte. Aber selbst dann, wenn dies der Fall gewesen sein sollte, kann daraus nicht geschlossen werden, daß damit auch das FA zu erkennen gegeben hätte, es werde die Vollziehung der zugrunde liegenden Meßbescheide nicht aussetzen (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VGFGEntlG). Das FA hat vielmehr deutlich gemacht, daß es einem entsprechenden Antrag stattgegeben hätte. Es hat auf das Schreiben des Antragstellers vom 20. Januar 1986 die Vollziehung der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide (wieder) ausgesetzt. Auch hat es unmittelbar nach Kenntnisnahme von der Beschwerdeeinlegung und Antragstellung beim BFH (am 8. April 1986) die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide 1977 und 1979 verfügt. Für ein Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 VGFGEntlG ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Ungeachtet dessen kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch deswegen keinen Erfolg haben, weil die Gewerbesteuermeßbescheide 1977 und 1979 inzwischen unanfechtbar geworden sind (vgl. hierzu Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 69 Anm. 11, mit weiteren Hinweisen). Im Streitfall hatte das FG die Revision nicht zugelassen. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluß III B 47-48/86 vom heutigen Tage als unzulässig verworfen. Daß schließlich die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision nach § 116 FGO gegeben wären, ist nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 414617 |
BFH/NV 1986, 691 |