Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsvoraussetzungen für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Finanzgericht
Leitsatz (NV)
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das FG, der die Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG nicht erfüllt, ist unzulässig.
Normenkette
VGFGEntlG Art. 3 § 7
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) beteiligten sich 1984 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) an der Bauherrengemeinschaft A und errichteten in der aus . . . Gebäuden mit . . . Wohnungen (überwiegend möblierte Ein- und Zweizimmerwohnungen) bestehenden Wohnanlage eine Eigentumswohnung (Haus X Nr. . . ). Sie vermieteten die Wohnung an die S-GmbH, diese vermietete sie an einen Endmieter.
Die Antragsteller verzichteten auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze an die S-GmbH (§ 4 Nr. 12a, § 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980) sowie auf die Nichterhebung der Umsatzsteuer (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 UStG 1980) und zogen die ihnen im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnung für Leistungen berechnete Umsatzsteuer in den Umsatzsteuererklärungen für 1984 bis 1986 ab. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) stimmte den Steueranmeldungen für 1984 bis 1986 zu.
Das FA machte sich nach einer Steuerfahndungsprüfung die Beurteilung zu eigen, daß die S-GmbH wirtschaftlich nicht eigenständig und nicht auf eigenes Risiko tätig geworden, sondern künstlich am Leben erhalten worden sei. Das Zwischenmietverhältnis, meinte das FA, dürfte wegen Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977) umsatzsteuerrechtlich nicht anerkannt werden.
In Umsatzsteueränderungsbescheiden (§ 164 Abs. 2 AO 1977) - gerichtet an Herrn X. Y. für die GbR Eheleute X. Y. - vom 5. Mai 1989 - zugestellt am 6. Mai 1989 - setzte das FA die Umsatzsteuer gegen die Antragsteller für 1984 bis 1986 ohne die bisher berücksichtigten Vorsteuerbeträge aus Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Eigentumswohnung fest. Über die gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 bis 1986 eingelegten Einsprüche vom 1. Juni 1989 ist noch nicht entschieden worden. Auf den ebenfalls am 1. Juni 1989 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erwiderte das FA mit Schriftsatz vom 6. Juli 1989, die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 bis 1986 vom 5. Mai 1989 seien nicht wirksam bekanntgegeben worden. Die Forderungen, so führte das FA weiter aus, entfielen und der Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung sei gegenstandslos. Dabei ging das FG davon aus, daß nur der Ehemann Eigentümer und Vermieter der Eigentumswohnung gewesen sei. Nachdem eine weitere Prüfung ergeben hatte, daß die Antragsteller die Eigentumswohnung erworben und vermietet hatten, kam das FA dem im Schriftsatz der Antragsteller vom 17. August 1989 vertretenen Begehren, den Bescheid vom 6. Juli 1989 aufzuheben, durch Verfügung vom 12. September 1989 dadurch nach, daß es die Aufhebungsverfügung vom 6. Juli 1989 zurücknahm. Das FA bat um Mitteilung, ob der Antrag nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch bestehe. Darauf teilte das FG dem FA mit, der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bestehe noch. Nunmehr beantragte das FA, diesen Antrag abzulehnen.
Das FG setzte die Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 bis 1986 aus. Es hielt den Antrag - ohne Erörterung der Zulässigkeit des Antrags - für begründet, weil die Zwischenvermietung der Eigentumswohnung durch die Antragsteller im Gegensatz zur Ansicht des FA nicht als Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts zu beurteilen sei.
Mit der Beschwerde wendet sich das FA gegen diese Entscheidung und begehrt, den Antrag vom 1. Juni 1989 auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 bis 1986 vom 5. Mai 1989 unter Aufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.
Die Antragsteller haben sich im Beschwerdeverfahren im einzelnen nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des am 1. Juni 1989 gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 bis 1986 vom 5. Mai 1989.
1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig - was das FG verkannt hat -, weil die Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) nicht vorgelegen haben.
Danach ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO an das FG nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VFGEntlG). Das FA hat keinen Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 bis 1986 vom 5. Mai 1989 abgelehnt, bevor die Aussetzung am 1. Juni 1989 bei dem FG begehrt worden war.
Die in der Antragsschrift an das FG erwähnte Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch das FA (ohne Angabe des Datums) ist dem Schriftsatz - entgegen einer entsprechenden Ankündigung - nicht beigefügt worden. Der vom FG (ohne Datum) erwähnte abschlägige Bescheid des FA ist nach Aktenlage erst nach Antragstellung in dem Schriftsatz des FA vom 23. Oktober 1989 enthalten. Da die Antragsteller Aussetzung der Vollziehung bei dem FA zugleich mit dem Einspruchsschreiben vom 31. Mai 1989 und bei dem FG ebenfalls mit der Antragsschrift vom 31. Mai 1989 - überbracht am 1. Juni 1989 - beantragt haben, ergeben sich für die Darstellung der Antragsteller und des FG keine Anhaltspunkte.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht aus einem der in Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 VGFGEntlG bezeichneten Gründe zulässig.
Das FA hatte vor dem 1. Juni 1989 nicht zu erkennen gegeben, daß es die Vollziehung der streitbefangenen Umsatzsteueränderungsbescheide nicht aussetzen werde (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VGFGEntlG). Vielmehr hatte es die bezeichneten Steueränderungsbescheide durch Verfügung vom 6. Juli 1989 aufgehoben und den Antragstellern mitgeteilt, daß die aus diesen Bescheiden geltend gemachten Ansprüche entfielen. Erst auf Antrag der Antragsteller hat das FA die Steueränderungesbescheide durch Aufhebung der Verfügung vom 6. Juli 1989 wieder in Kraft gesetzt.
Bei Eingang des Antrags der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung bei dem FG am 1. Juni 1989 drohte ihnen keine Vollstreckung (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VGFGEntlG) und es war ihnen auch aus sonstigen Gründen nicht unzumutbar, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zunächst beim FA zu stellen (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 VGFGEntlG).
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das FG (§ 69 Abs. 3 FGO), der die Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG nicht erfüllt, ist unzulässig (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, z. B. Beschlüsse vom 11. Oktober 1979 IV B 61/79, BFHE 129, 8, BStBl II 1980, 49; vom 27. Juni 1986 III S 6/86, BFH/NV 1986, 691). Er wird auch nicht zulässig, wenn das FG die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht prüft und die Finanzbehörde deshalb im Verfahren vor dem FG beantragt, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen (vgl. dazu Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Rdnr. 70).
2. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß er in mit dem Streitfall vergleichbaren Fällen entschieden hat, daß der Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Leistungen im Zusammenhang mit der Vermietung einer Eigentumswohnung ausscheidet, wenn die Eigentumswohnung an einen gewerblichen Zwischenmieter vermietet worden ist, ohne daß dafür beachtliche Gründe vorgelegen haben (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Satz 1, § 15 Abs. 2 Nr 1 UStG 1980; § 42 AO 1977). Andererseits ist im Streitfall nicht verständlich, daß für die Streitjahre 1985 und 1986 Umsatzsteuer für die steuerfreie Vermietung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 34/87 unter II. vor 1., BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007) der Eigentumswohnung festgesetzt worden ist. Falls die Steuerfestsetzung auf § 14 Abs. 3 UStG 1980 gestützt worden sein sollte, wäre zu beachten, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift erst erfüllt worden sind, wenn die Antragsteller Umsatzsteuer in Abrechnungen über die jeweiligen Leistungsabschnitte gesondert ausgewiesen hätten (BFH-Beschluß vom 7. Juli 1988 V B 72/86, BFHE 154, 197, BStBl II 1988, 913).
Fundstellen