Leitsatz (amtlich)
Der in § 81 ZPO gesetzlich umschriebene Umfang der Prozeßvollmacht kann auf die Vertretung vor dem FG beschränkt werden.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 1, 3, § 115 Abs. 3, § 155; ZPO §§ 81, 83 Abs. 2, § 574; VGFG-EntlG Art. 3 § 1 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts (FG) ist zu verwerfen, weil sie unzulässig ist (§ 155 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 574 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Die beiden Steuerberater, die für die Kläger als Prozeßbevollmächtigte aufgetreten sind, haben nicht innerhalb der ihnen vom Vorsitzenden des Gerichts mit ausschließender Wirkung gesetzten Frist von nahezu drei Wochen eine schriftliche Prozeßvollmacht vorgelegt (vgl. § 62 Abs. 3 FGO, Art. 3 § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit -- VGFG-EntlG --). Die Prozeßvollmacht, die ihnen "zur Vertretung vor dem Finanzgericht Düsseldorf" erteilt worden war, ermächtigte sie nicht, die Kläger auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zu vertreten (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. zuletzt Beschluß vom 11. Juli 1975 III R 124/74, BFHE 116, 110, BStBl II 1975, 714, betreffend die Einlegung einer Revision). Das folgt aus den sinngemäß anzuwendenden einschlägigen Vorschriften der ZPO:
-- Nach § 81 ZPO ermächtigt die Prozeßvollmacht "zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden". Eine Beschränkung dieses gesetzlichen Umfangs der Vollmacht wirkt gegenüber dem Gegner nur insoweit, "als diese Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft" (§ 83 Abs. 1 ZPO) und ihm gegenüber unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird (BGH-Urteil vom 20. Januar 1955 II ZR 239/53, BGHZ 16, 167, 170). Beschränkungen anderer Art sind im Außenverhältnis, d. h. gegenüber dem Gericht und dem Gegner unwirksam (vgl. BGH-Urteil vom 30. März 1976 VI ZR 143/74, NJW 1976, 1581, betreffend die Bestellung eines Rechtsanwalts nur "zur Wahrung der Nichteinlassung"). Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist es, den Prozeßablauf klar, einfach und sicher zu gestalten.
-- Diese Regelung der §§ 81, 83 Abs. 1 ZPO gilt indes nur im Anwaltsprozeß, d. h. vor Gerichten, vor denen die Parteien sich durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen müssen (§ 78 Abs. 1 ZPO). Sie gilt nicht im Parteiprozeß, d. h. soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist (§ 79 ZPO). Insoweit kann eine Vollmacht "für einzelne Prozeßhandlungen" erteilt werden (§ 83 Abs. 2 ZPO). Prozeßhandlungen in diesem Sinne sind alle Handlungen, die das Betreiben des Verfahrens einschließlich der Entscheidung und ihrer Durchführung oder die Beendigung des Rechtsstreits betreffen (BAG-Urteil vom 10. August 1977 5 AZR 394/76, DB 1978, 167).
Diese Vorschriften der ZPO sind sinngemäß auch für das Verfahren nach der FGO anzuwenden, weil die FGO insoweit keine eigenen Bestimmungen enthält und die grundsätzlichen Unterschiede beider Verfahrensarten dem nicht entgegenstehen (§ 155 FGO; im gleichen Sinne Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 155 FGO Tz. 4 zu § 62; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 155 Anm. 18). Daraus folgt, daß im Verfahren nach der FGO der gesetzliche Umfang der Prozeßvollmacht beschränkt werden kann, wenn es sich um ein Verfahren vor dem FG handelt, also einem Gericht, vor dem sich die Beteiligten nicht (wie vor dem BFH) durch einen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater als Bevollmächtigten vertreten lassen müssen, und wenn die Beschränkung der Prozeßvollmacht dem Gericht und dem anderen Beteiligten gegenüber unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird.
Die im vorliegenden Falle den beiden Steuerberatern erteilte und dem FG eingereichte schriftliche Prozeßvollmacht war nach ihrem Wortlaut ("zur Vertretung vor dem Finanzgericht Düsseldorf") unzweideutig auf die Vertretung der Kläger in der Klageinstanz beschränkt; sie war nahezu vollständig maschinegeschrieben und nicht unter Verwendung eines für eine Prozeßvollmacht üblichen Vordrucks erteilt worden. Es war zulässig, sie in diesem Umfange zu beschränken und nicht etwa nur auf "einzelne Prozeßhandlungen", z. B. die Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme (im gleichen Sinne Thomas/Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 12. Aufl., 1982, § 83 Anm. 2 b: ... kann beliebig beschränkt werden). Diese Art der Beschränkung hatte zur Folge, daß die Prozeßvollmacht nicht -- wie sonst (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 1. Oktober 1980 IV b ZR 613/80, Monatsschrift für Deutsches Recht 1981, 126 Nr. 25, betreffend die Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten) -- eine das ganze Verfahren (einschließlich Rechtsmittelverfahren) umfassende Vertretungsmacht gewährte, sondern eine nur auf die erste Instanz (das Verfahren vor dem FG) beschränkte (sog. Instanzvollmacht). Demzufolge erlosch die Vertretungsmacht der beiden Steuerberater mit der Zustellung der das finanzgerichtliche Verfahren abschließenden Entscheidung des FG. Sie umfaßte nicht die Befugnis, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Die Kläger konnten gute Gründe haben, sich diesen Schritt vorzubehalten. Es ist denkbar, daß sie selbst abwägen wollten, ob sie sich mit dem Urteil des FG abfinden oder versuchen sollten, dessen rechtliche Überprüfung durch den BFH zu erreichen und dafür Zeit und Geld aufzuwenden.
Die Entscheidung muß trotz fehlender Prozeßvollmacht gegen die angeblich vertretenen Kläger ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1973 II R 166/71, BFHE 111, 221, BStBl II 1974, 218).
Die Kosten des Verfahrens sind den vollmachtlosen Vertretern aufzuerlegen, weil sie die erfolglose Prozeßführung veranlaßt haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5, und vom 11. Juli 1975 III R 124/74, BFHE 116, 110, BStBl II 1975, 714, beide die Einlegung der Revision betreffend).
Fundstellen
Haufe-Index 74442 |
BStBl II 1983, 644 |
BFHE 1983, 529 |