Leitsatz (amtlich)

Wird formularmäßig der Empfang nur eines einzigen Schriftstücks bekannt, so wird nur ein einziges Schriftstück wirksam zugestellt, auch wenn im Formular des Empfangsbekenntnisses zwei Schriftstücke aufgeführt und dem Empfänger übersandt sind. Im Zweifel ist die Erklärung des Empfängers, den Empfang welchen Schriftstücks er bekannt hat, bindend.

 

Normenkette

FGO § 53 Abs. 2; VwZG § 5 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschluß des FG erging zusammen mit einem weiteren Beschluß über die Kostenverteilung im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung. Die Aktenzeichen beider Beschlüsse hat das FG auf den den Beteiligten zugesandten Empfangsbekenntnissen angegeben. Dem Text des Empfangsbekanntnisformulars zufolge haben die Beteiligten jedoch am 11. Dezember 1973 nur den Empfang eines einzigen Schriftstücks quittiert. Der Text lautet nämlich: "Obiges Schriftstück erhalten am ..." Auf Anfrage des FG teilte das FA mit, daß es den im Hauptverfahren ergangenen Beschluß nicht erhalten habe und ließ am 10. Januar 1974 eine Abschrift des Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis abholen.

Mit Schreiben vom 14. Januar 1974 hat das FA gegen den Beschluß des FG im Hauptverfahren Beschwerde eingelegt. Es vertritt die Ansicht, daß die Beschwerdefrist gewahrt sei, weil der angefochtene Beschluß erst am 10. Januar 1974 zugestellt worden sei. Am 11. Dezember 1973 sei lediglich ein einziger Beschluß zugestellt worden, wie aus dem Empfangsbekenntnis ersichtlich sei. Es habe sich um den Beschluß im Aussetzungsverfahren gehandelt. Der Beschluß im Hauptverfahren sei dagegen nicht zugestellt worden, was bewiesen werden könne...

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Die am 15. Januar 1974 beim FG eingegangene Beschwerde ist rechtzeitig erhoben worden. Die Zustellung am 11. Dezember 1973 ist nicht gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FGO i. V. m. § 5 Abs. 2 VwZG wirksam geworden. Zur Zustellung nach § 5 Abs. 2 VwZG ist neben dem Zugang des zuzustellenden Schriftstücks das Empfangsbekenntnis des Zustellungsempfängers erforderlich. Der Zugang des Schriftstücks reicht für sich allein zur wirksamen Zustellung nicht aus (vgl. Urteil des BFH vom 26. September 1969 VI R 247/66, BFHE 97, 57, BStBl II 1970, 31, und das dort zitierte Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 23. März 1966 9 RV 334/63, HFR 1966, 476). Auf dem dem FA übersandten vorbereiteten Empfangsbekenntnisformular hatte das FG zwar zwei Aktenzeichen vermerkt, woraus entnommen werden kann, daß auch zwei Schriftstücke, nämlich der Beschluß XII 7/73 S und der Beschluß XII (VIII) 43/73 E, übersandt worden sind. Das FA hat jedoch entsprechend der Formulierung auf dem Formular den Empfang lediglich eines einzigen Schriftstücks bekannt, denn das Bekenntnis lautet: "Obiges Schriftstück erhalten am ..." Wenn auch angenommen werden könnte, worauf der Kläger hinweist, daß tatsächlich zwei Schriftstücke zugesandt worden sind, also auch der im vorliegenden Verfahren angegriffene Beschluß des FG, und daß das Bekenntnis, nur ein einziges Schriftstück empfangen zu haben, lediglich auf einer unzureichenden Vorbereitung des Empfangsbekenntnisformulars beruht, indem unterlassen wurde, die Wörter "Obiges Schriftstück" in die Wörter "Obige Schriftstücke" zu ändern, so ergibt sich aus dem Wortlaut des Bekenntnisses eben doch nur der Empfang eines einzigen Schriftstücks. Dieser Wortlaut ist bei der notwendigen strengen Beachtung der Vorschriften im Verwaltungszustellungsverfahren ohne die Möglichkeit einer erweiternden Auslegung maßgebend. Ob dem FA tatsächlich auch der mit der vorliegenden Beschwerde angegriffene Beschluß am 11. Dezember 1973 zugegangen ist, ist dagegen für die Wirksamkeit der Zustellung nicht allein maßgebend, so daß von der Vernehmung der vom FA hierzu angebotenen Zeugen abgesehen werden kann. Den Empfang welchen Schriftstücks das FA im Bekenntnis vom 11. Dezember 1973 bestätigt hat, geht aus dem Bekenntnis nicht hervor. Da aber vom Bekenntnis des FA, also von seiner Handlung, die Bewirkung der Zustellung abhängig ist, ist das FA auch in der Lage, den Inhalt seiner Handlung zu bestimmen, wenn dieser zweifelhaft ist. Das FA hat erklärt, daß es den Empfang des durch seine vorliegende Beschwerde angegriffenen Beschlusses im Bekenntnis vom 11. Dezember 1973 nicht bestätigen wollte. Damit ist der Beschluß dem FA auch nicht an diesem Tag wirksam zugestellt worden. Ob der Beschluß am 10. Januar 1974 wirksam zugestellt worden ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte das FA die Beschwerde rechtzeitig eingelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71592

BStBl II 1976, 218

BFHE 1976, 434

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