Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaßunwürdigkeit eines Strohmanns

 

Leitsatz (NV)

Auch der ,,Strohmann" kann in grober Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, so daß die Ablehnung des Billigkeitserlasses der gegen ihn festgesetzten Umsatzsteuer - bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung - unbedenklich sein kann.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114; AO 1977 § 227

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) meldete am 7. Mai 1979 bei der Gewerbemeldestelle der Stadt A ein auf seinen Namen lautendes Einzelunternehmen an. Als Gegenstand des Gewerbes ließ er . . . eintragen. Den ihm vom Beklagten (Finanzamt - FA -) zugesandten Fragebogen wegen Anmeldung einer gewerblichen Tätigkeit schickte er ausgefüllt zurück. Für die Monate Juni bis September 1979 gab er monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen ab. In der Folgezeit kam er seinen steuerlichen Pflichten nicht mehr nach. Er reagierte weder auf Anfragen noch auf Erinnerungen an die Abgabe von Erklärungen, auf Mahnungen, Steuerbescheide, Mitteilungen über die Anordnung von Außenprüfungen, Berichte über die durchgeführten Außenprüfungen u. dgl. Erstmals im Juli 1982 wandte er sich wieder an das FA. Er bezog sich auf ihm zugegangene Mahnungen und bat um Mitteilung, ob die Sache geregelt werden könne.

Am 24. April 1984 beantragte der Antragsteller den Erlaß von . . . DM Steuern, die er laut einem Pfändungsbeschluß schulde. Tatsächlich schuldete er zu dieser Zeit ohne Gewerbesteuer bereits . . . DM Steuern; die Steuerfestsetzungen sind bestandskräftig. Zur Begründung seines Erlaßantrags machte der Antragsteller geltend, ein Herr Z, den er in einem späteren Schriftsatz auch als . . . oder . . . bezeichnet, habe ihn sich als Strohmann ,,angeeignet". Dieser habe die gesamten Vorteile aus dem Geschäft gezogen. Er - der Antragsteller - habe lediglich . . . DM monatlich bekommen sollen.

Mit Verfügung vom 28. Mai 1984 lehnte das FA den beantragten Erlaß ab. Die Ablehnung enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Mit Schreiben vom 29. Juni 1984 legte der Kläger Einspruch ein und mit Schreiben vom 23. August 1984 - vorsorglich für den Fall, daß der Einspruch nicht in eine Beschwerde umgedeutet werde - Beschwerde. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg (Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion - OFD - vom 12. Februar 1986).

Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben, die beim Finanzgericht (FG) noch anhängig ist. Gleichzeitig hat er Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren beantragt. Das FG hat diesen Antrag abgelehnt, da der Antragsteller trotz zweimaliger Aufforderung die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hatte. Hiergegen richtet sich das vorliegende Beschwerdeverfahren, in dem der Antragsteller die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgereicht hat. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat die beantragte PKH im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller hat zwar mittlerweile die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vorgelegt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; der Antragsteller kann deshalb keine PKH erhalten (§ 114 Satz 1 ZPO, § 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder mindestens vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. August 1988 V B 71/88, BFH/NV 1990, 137). Der Regelung in § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist zu entnehmen, daß der Antragsteller die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung einer PKH mit eigenen Angaben aufzuzeigen hat, und zwar durch Darlegungen, aus denen das Gericht erkennen kann, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Diese Darlegungen müssen eine Nachprüfung der Ablehnung des Erlasses aus Billigkeitsgründen nach den bei einer Ermessensentscheidung (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 unter III.) zu beachtenden Grundsätzen möglich machen. Eine Ermessensentscheidung könnte im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahingehend überprüft werden, ob die Ablehnung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 FGO). Maßgebender Zeitpunkt hierfür sind, wenn die Steuer noch nicht entrichtet ist, die tatsächlichen Verhältnisse beim Erlaß der Beschwerdeentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteil des BFH vom 31. März 1976 I R 51/74, BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499 unter 1. Buchst. b).

Bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ergibt die Ablehnung des Erlasses im Streitfall weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensfehlgebrauch. In der Beschwerdeentscheidung hat die OFD im einzelnen ausgeführt, daß ein Erlaß der - bestandskräftig festgesetzten, vom Antragsteller allerdings nur unzulänglich bezeichneten - Steuern weder aus sachlichen noch aus persönlichen Gründen in Betracht komme.

Hiergegen hat der Antragsteller bislang lediglich vorgebracht, daß die OFD zu Unrecht seine Erlaßwürdigkeit verneint habe. Mit der Beschwerdeentscheidung der OFD hat sich der Antragsteller nicht weiter auseinandergesetzt, sondern nur darauf hingewiesen, daß gegen Herrn Z ein Strafverfahren anhängig sei, und daß er sich verspreche, nach Abschluß des Strafverfahrens in der Strafakte genügend Anhaltspunkte dafür zu finden, daß er erlaßwürdig sei.

Damit hat der Antragsteller nicht dargetan, daß die OFD seine Erlaßwürdigkeit in ermessenswidriger Weise verneint hat. Erlaßwürdigkeit setzt ein Verhalten des Steuerpflichtigen voraus, das nicht in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstößt und bei dem die mangelnde Leistungsfähigkeit nicht auf einem Verhalten des Steuerpflichtigen selbst beruht (grundlegend BFH-Urteil vom 14. November 1957 IV 418/56 U, BFHE 66, 398, BStBl III 1958, 153; vgl. auch Beschluß in BFH/NV 1990, 137).

Nach den unbestrittenen Ausführungen in der Beschwerdeentscheidung hat der Antragsteller - wenn auch als Strohmann - bei der Gründung und Führung des von ihm auf seinen Namen angemeldeten Gewerbebetriebs mitgewirkt. Er hat deshalb eine maßgebliche Ursache dafür gesetzt, daß die streitigen Steuerschulden entstanden. Entgegen anders lautender Behauptungen hat er den Gewerbebetrieb nach den Ermittlungen der OFD erst am 25. März 1983 abgemeldet. Von Oktober 1979 bis Juli 1982 hat er auf Schreiben und Maßnahmen des FA überhaupt nicht reagiert. Die Identität der angeblich unter seinem Namen Handelnden hat er im Dunkeln gelassen. Unter diesen Umständen erscheint es nicht ermessenswidrig, wenn die OFD zum Ergebnis kam, das Verhalten des Antragstellers habe in grober Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, und wenn sie deshalb einen Billigkeitserlaß aus persönlichen Gründen abgelehnt hat.

Auch die Ablehnung des Billigkeitserlasses der bestandskräftig festgesetzten Steuer aus sachlichen Gründen erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht ermessenswidrig. Hierzu hat der Antragsteller im Klageverfahren und im vorliegenden Verfahren auch nichts vorgetragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417576

BFH/NV 1991, 577

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