Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; Nachweisanforderungen für eine Ansparrücklage; Rechtsfortbildung; Verfahrensmangel; fehlerhafte Beweiswürdigung; kumulative Begründung
Leitsatz (NV)
1. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen.
2. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt.
3. Es reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Vielmehr ist die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen erforderlich.
4. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung werden aus dem Merkmal "voraussichtlich" in § 7g Abs. 3 EStG Nachweisanforderungen für die Bildung von Ansparrücklagen entnommen. Die danach erforderliche Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist aus der Sicht des Endes des betreffenden Gewinnermittlungszeitraums vorzunehmen.
5. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.
6. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen.
7. Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels verlangt, dass diejenigen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil - nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG - auf ihm beruhen kann.
8. Mit der Rüge, eine Beweiswürdigung sei fehlerhaft, wird kein Verfahrensverstoß, sondern allenfalls ein materiell-rechtlicher Mangel geltend gemacht.
9. Sofern das angefochtene Urteil kumulativ begründet ist, muss für jede dieser das Ergebnis des angefochtenen Urteils eigenständig tragenden Begründungen mindestens ein Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden.
Normenkette
EStG § 7g Abs. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 12 K 5799/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die nach § 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 FGO geltend gemachten Zulassungsgründe nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom 17. Februar 2005 X B 185/03, BFH/NV 2005, 1060; vom 25. September 2002 IX B 14/02, BFH/NV 2003, 191).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat mit ihrer alleinigen Behauptung, das FG stütze seine Begründung ausschließlich auf ihre wirtschaftliche Lage im Jahr 2004 bereits keinen dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden abstrakten tragenden Rechtssatz, der von dem vermeintlichen Divergenzurteil des BFH vom 19. September 2002 X R 51/00 (BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184) abweichen soll, dargetan.
Das FG hat zudem in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich die Rechtsprechung des X. Senats des BFH zu den aus dem Merkmal "voraussichtlich" in § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu entnehmenden Nachweisanforderungen für die Bildung von Ansparrücklagen zugrunde gelegt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184; vom 17. November 2004 X R 38/02, BFH/NV 2005, 846), wonach die danach erforderliche Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG aus der Sicht des Endes des betreffenden Gewinnermittlungszeitraums vorzunehmen sei.
Abgesehen davon, dass die Behauptung, das FG stütze seine Begründung ausschließlich auf die wirtschaftliche Lage der Klägerin im Jahr 2004, in offensichtlichem Widerspruch zu den Ausführungen des FG auf S. 8 seines Urteils unter Ziff. 2.a der Entscheidungsgründe steht, wonach die im Übrigen arbeitslose Klägerin nach den vorgelegten Unterlagen im Jahr 2002 lediglich ein Honorar für … im April/Mai 2002 in Höhe von insgesamt … € bezogen habe, würde es sich insoweit --träfe die Behauptung zu-- allenfalls um eine unzulängliche Rechtsanwendung handeln. Gleiches gilt hinsichtlich der Beanstandung, aus der Sicht des Jahres 2002 sei die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage in 2004 nicht absehbar gewesen, indes sei das FG nicht auf die Möglichkeit der Umsatz- und Gewinnsteigerung durch die Anschaffung neuer Wirtschaftsgüter eingegangen.
Nach der zitierten Rechtsprechung des BFH kommt es für die Entscheidung, ob die voraussichtlichen Investitionen hinreichend konkretisiert sind, auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Das von der Klägerin ebenfalls zitierte BFH-Urteil vom 8. November 2006 I R 89/05 (BFH/NV 2007, 671) betrifft offensichtlich einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt.
2. Mit der Behauptung, das FG habe die Bildung von Rücklagen in einer Summe abgelehnt und entgegen dem Grundsatz der Einzelbewertung nicht die Finanzierbarkeit hinsichtlich jeder einzelnen Rücklage geprüft, hat die Klägerin den dafür benannten Zulassungsgrund einer insoweit gebotenen Rechtsfortbildung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO nicht ansatzweise dargetan.
Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen (BFH-Beschlüsse vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256, m.w.N.; vom 29. Mai 2007 VIII B 200/06, juris).
Die Klägerin hat danach bereits keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dargetan, sondern wiederum allenfalls einen schlichten Rechtsanwendungsfehler des FG geltend gemacht, der indes nicht geeignet ist, zur Zulassung einer Revision zu führen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799).
Im Übrigen entspricht die Prüfung des FG dem Vorgehen des BFH in der unter Ziff. II.1.b der Entscheidungsgründe zitierten Rechtsprechung.
3. In gleicher Weise fehlt es an einer hinreichend substantiierten Bezeichnung von Verfahrensmängeln i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, soweit die Klägerin behauptet, das FG habe mit unzutreffenden Unterstellungen gearbeitet.
a) Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels verlangt, dass diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf ihm beruhen kann (BFH-Beschlüsse vom 6. November 2007 VIII B 25/07, BFH/NV 2008, 241; vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
b) Das FG ist im Rahmen einer Würdigung des Verfahrensablaufs bei der Beantragung der Ansparrücklagen von einer nachträglichen Bildung ausgegangen, weil die Klägerin sie erstmals im Rahmen der berichtigten Einkommensteuer-Erklärung 2002 in Anspruch genommen hat.
Wäre diese Beweiswürdigung fehlerhaft, so handelte es sich allerdings um keinen Verfahrensverstoß, sondern allenfalls um einen materiell-rechtlichen Mangel (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 VIII B 252/05, BFH/NV 2007, 2330).
c) Gleiches gilt hinsichtlich der Einwendungen der Klägerin, das FG sei unzutreffend von einer Ende 2002 noch nicht abgeschlossenen Neugründung des Betriebes ausgegangen, da die geplanten Investitionen eine Betriebserweiterung darstellten, und leite zu Unrecht daraus verschärfte Anforderungen an die Bildung der Ansparrücklage ab.
Im Übrigen muss, sofern das FG --wie im Streitfall-- das Urteil kumulativ begründet, für jede dieser das Ergebnis des angefochtenen Urteils eigenständig tragenden Begründungen mindestens ein Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (BFH-Beschluss vom 28. März 2007 VIII B 50/06, BFH/NV 2007, 1337).
Das FG hat indes für den Fall, dass nicht von einer wesentlichen Betriebserweiterung auszugehen sei, einen atypischen Sachverhalt angenommen, bei dem allerdings gleichermaßen erhöhte Anforderungen an die Konkretisierung der geplanten Investitionen zu stellen seien.
Fundstellen