Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht durch Insolvenzverwalter
Leitsatz (NV)
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Ehegatten kann bereits vor Aufnahme des Verfahrens Akteneinsicht nehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Klage von beiden Eheleuten erhoben wurde und durch die Akteneinsicht steuerliche Verhältnisse des anderen Ehegatten offenbart werden.
Normenkette
AO § 30; FGO § 78; ZPO § 240
Verfahrensgang
FG München (Beschluss vom 22.11.2006; Aktenzeichen 15 K 3844/02) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und der Beschwerdeführer, ein Steuerberater und Vereidigter Buchprüfer, sind Eheleute. Sie erhoben 2002 Klage u.a. wegen Einkommensteuer 1993 bis 1995. Streitig sind Einkünfte des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit Investitionen in Immobilien; deshalb wurde auch eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt und ein Strafverfahren eingeleitet.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers gestellt hatte, beauftragte das Insolvenzgericht den Rechtsanwalt Dr. L. (Kläger) zunächst mit der Erstellung eines Gutachtens und bestellte ihn durch Beschluss vom 20. Oktober 2006 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beschwerdeführers.
Dem Antrag des Insolvenzverwalters auf Gewährung von Akteneinsicht stimmten die Klägerin, der Beschwerdeführer und das FA nicht zu. Das Finanzgericht (FG) gewährte die Akteneinsicht mit Beschluss vom 22. November 2006. Es führte aus, das Recht auf Akteneinsicht ergebe sich aus der auf den Insolvenzverwalter übergegangenen Prozessführungsbefugnis. Das Steuergeheimnis des vom Insolvenzverfahren betroffenen Beschwerdeführers stehe ebenso wenig entgegen wie das der Klägerin.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, deren angekündigte Begründung nicht eingegangen ist.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet; sie wird zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Verfahrensrechtlich ist, weil mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter übergeht, der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners Partei bzw. Beteiligter des anhängigen Klageverfahrens (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 1997 IX ZR 220/96, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 1445). Ihm steht deshalb bereits vor Aufnahme des Prozesses das Recht zur Akteneinsicht i.S. von § 78 FGO zu (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 23. Mai 2000 IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134; vom 13. November 2003 V B 131/01, BFH/NV 2004, 642). Die durch § 240 der Zivilprozessordnung angeordnete Unterbrechung des von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten betroffenen Prozesses dient u.a. dem Zweck, dem Insolvenzverwalter genügend Zeit zu geben, sich mit dem Prozessgegenstand zu befassen und zu entscheiden, ob es im Interesse der Masse sinnvoll ist, den schwebenden Rechtsstreit fortzuführen. Die hierzu notwendigen Erkenntnisse kann er durch Akteneinsicht gewinnen.
Die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (vgl. § 30 der Abgabenordnung) steht, wie das FG zutreffend entschieden hat, dem nicht entgegen. Soweit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht reicht, kann der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Beschwerdeführers (Gemeinschuldners) Auskunft über dessen steuerliche Verhältnisse auch dann verlangen, wenn dadurch zugleich die steuerlichen Verhältnisse des anderen Gesamtschuldners --im Streitfall der mit dem Beschwerdeführer zusammen veranlagten Klägerin-- offenbart werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 30 AO Rz 22).
Fundstellen