Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung in einer § 3a UStG 1980 betreffenden USt-Sache nach beiderseitiger Erledigungserklärung
Leitsatz (NV)
1. Durch beiderseitige Erledigungserklärung in der Revisionsinstanz erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache, so daß die Vorentscheidung unwirksam ist und nur noch gemäß § 138 FGO über die Kosten des Verfahrens entschieden wird.
2. Die Beteiligten können im Revisionsverfahren die Tatsachen vortragen, aus denen sich die Erledigung in der Vorinstanz ergibt, und die Erledigungserklärungen nachholen.
3. Eine Beschwer im formellen Sinne als Zulässigkeitsvoraussetzung der Revision liegt auch dann vor, wenn das FG die durch Bekanntgabe des USt-Jahresbescheides wirkungslos gewordenen USt-Vorauszahlungsbescheide gleichwohl abgeändert hat (nachteiliger Rechtsschein).
4. Die summarische Prüfung des vermutlichen Prozeßausganges im Rahmen des § 138 Abs. 1 FGO soll nicht dazu dienen, Rechtsfragen grundsätzlich zu klären. Dementsprechend ist es nicht erforderlich, eine ausstehende EuGH-Entscheidung abzuwarten oder gar den EuGH anzurufen.
5. Zur Anwendung des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 a. F. bei der Vercharterung von seegehenden Segelyachten.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1; UStG 1980 § 3a Abs. 1, 2 Nr. 4 a. F
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Klin. und Revisionsbekl. (Klin.) ist die . . . OHG, die sich nunmehr in Liquidation befindet. Gegenstand ihres Unternehmens waren die Vermietung und der Verkauf von Segelyachten sowie die Erbringung von Service-Leistungen (Schiffsausrüstungen und Reparaturen).
In den USt-Voranmeldungszeiträumen Juni bis Oktober 1981, Mai bis August 1982 und Oktober 1982 wurden ungefähr . . . ausschließlich seegehende Segelyachten an private Segler verchartert. Die Charterer der Yachten übernahmen die Segelyachten von der Klin., verließen unverzüglich die Hoheitsgewässer der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und segelten auf offener See. In deutsche Hoheitsgewässer kehrten die Charterer erst zurück, um hierauf unverzüglich die Yachten an die Klin. zurückzugeben.
Regelmäßig wurden die Segelyachten an Selbstsegler verchartert; in seltenen Ausnahmefällen vermittelte die Klin. auch segelerfahrene Personen, die von den Charterern zu entlohnen und zu versorgen waren. Eine komplette Crew stellte die Klin. in keinem Fall zur Verfügung.
In den streitigen USt-Voranmeldungszeiträumen erklärte die Klin. neben steuerpflichtigen Umsätzen ,,nachrichtlich" gewisse nach ihrer Ansicht nichtsteuerbare Umsätze aus der Vermietung von Yachten.
Im Rahmen von Änderungsfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume Juni bis September 1981 vom 2. Februar 1982, für den Voranmeldungszeitraum Oktober 1981 vom 24. Februar 1982, für die Voranmeldungszeiträume Mai bis Juli 1982 vom 19. Oktober 1982, für den Voranmeldungszeitraum August 1982 vom 18. November 1982 und für den Voranmeldungszeitraum Oktober 1982 vom 31. Januar 1983 gingen das zunächst zuständige FA . . . bzw. der Bekl. und Revisionskl. (das FA) davon aus, daß die nachrichtlich mitgeteilten Umsätze aus der Vercharterung von Segelyachten als steuerbar und steuerpflichtig zu beurteilen seien.
Die hiergegen erhobenen Einsprüche wurden vom FA als unbegründet zurückgewiesen.
Das FG hat der Klage stattgegeben. Es führte aus, die Klin. habe mit der Vercharterung von Segelyachten nichtsteuerbare Umsätze außerhalb des Erhebungsgebietes ausgeführt. Da die Segelyachten keine Beförderungsmittel i. S. von § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 seien, würden die Umsätze aus der Vercharterung am Ort der Nutzung der Segelyachten ausgeführt. Die Segelyachten würden fast ausschließlich außerhalb des Erhebungsgebiets genutzt. Die Umsätze aus der Vercharterung seien mithin nichtsteuerbar.
Während des Klageverfahrens vor dem FG hatte das FA mit Bescheid vom 14. Juli 1983 die USt für den Besteuerungszeitraum 1981 festgesetzt.
Mit der Revision beantragte das FA zunächst in vollem Umfang, unter Aufhebung der Vorentscheidung, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klin. beantragte zunächst, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens erließ das FA am 4. Juli 1984 einen USt-Jahresbescheid für 1982.
Die Klin. erklärte daraufhin unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 29. November 1984 V R 146/83 (BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Das FA hat den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
1. Aufgrund wirksamer beiderseitiger, übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten in der Revisionsinstanz hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so daß die Vorentscheidung unwirksam ist und nur noch gemäß § 138 FGO über die Kosten des Verfahrens entschieden wird.
a) Der Wirksamkeit der beiderseitigen Erledigungserklärungen bezüglich des Rechtsstreits wegen Vorauszahlungen VI bis X 1981 steht nicht entgegen, daß durch die entsprechenden Steueranmeldungen die Erledigung der Hauptsache während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten ist (vgl. Urteil in BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370), so daß durch den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses die Klage ihre Zulässigkeit verloren hat. Dies führt nicht etwa zur Zurückweisung der Revision. Denn die Beteiligten können noch im Revisionsverfahren die Tatsachen, aus denen sich die Erledigung ergibt, vortragen und die in der Vorinstanz unterbliebene Erledigungserklärung nachholen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1985 IV R 273/83, BFH / NV 1987, 505, unter 2.).
Der Wirksamkeit der Erledigungserklärungen der Beteiligten bezüglich des Rechtsstreits wegen USt-Vorauszahlungen VI bis X/1981 in der Revisionsinstanz steht ferner nicht der Umstand entgegen, daß im Revisionsverfahren abgegebene Erledigungserklärungen ihre Wirkungen nur entfalten können, wenn die Revision statthaft und auch im übrigen zulässig ist (BFH-Beschluß vom 12. Dezember 1984 I R 78/83, BFHE 143, 8, BStBl II 1985, 258). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Zulässigkeit der Revision ist insbesondere nicht im Hinblick auf das Erfordernis der Beschwer im formellen Sinne in Frage gestellt, also im Hinblick darauf, daß dem Revisionskläger durch die Vorentscheidung nicht dasjenige zugesprochen worden sein darf, was er begehrt hatte (vgl. BFH-Beschluß vom 1. Februar 1983 VIII R 30/80, BFHE 138, 4, BStBl II 1983, 534 unter 1.).
Im Streitfall ist das FA durch das Urteil des FG im formellen Sinne beschwert, obwohl das Urteil wegen der seinerzeit bereits vorliegenden Erledigung der Hauptsache bezüglich der USt-Vorauszahlungsbescheide VI bis X/1981 insoweit wirkungslos ist. Denn das FG hat die mit der wirksamen Bekanntgabe des USt-Jahresbescheids 1981 wirkungslos gewordenen Vorauszahlungsbescheide VI bis X/1981 immerhin abgeändert und damit hinsichtlich dessen Wirksamkeit einen nachteiligen Rechtsschein geschaffen.
2. Die Klin. hat die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 1 FGO zu tragen.
Nach § 138 Abs. 1 FGO ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Hierbei kommt es im wesentlichen darauf an, wie der Rechtsstreit vermutlich ohne das die Hauptsache erledigende Ereignis ausgegangen wäre.
Mit Rücksicht auf den mußmaßlichen Verfahrensausgang hält es der Senat für angemessen, die Kosten des Rechtsstreits der Klin. aufzuerlegen. Der Senat läßt sich dabei im wesentlichen von den Erwägungen leiten, die er in seinem Beschluß vom 8. Dezember 1983 V S 13/83 (UR 1984, 122) wegen Aussetzung der Vollziehung zum Ausdruck gebracht hat. Auch in diesem Verfahren ging es um die Frage, ob die Vercharterung von Segelyachten zu steuerbaren oder nichtsteuerbaren Umsätzen führt. Der Senat hat es für nicht ernstlich zweifelhaft angesehen, daß die entsprechenden Umsätze steuerbar sind, da die Vercharterung von Segelyachten eine Vermietung von beweglichen körperlichen Gegenständen ist, die zu den Beförderungsmitteln gehören (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 a. F.), und der Ort einer sonstigen Leistung in Gestalt der Vermietung von Beförderungsmitteln sich nach § 3a Abs. 1 UStG 1980 bestimmt.
Einer solchen Entscheidung im gegenwärtigen Zeitpunkt steht nicht entgegen, daß das FG Hamburg in seinem Beschluß vom 22. Dezember 1987 VI 305/85 (DVR 1988, 74) eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Frage beschlossen hat, ob Art. 9 Abs. 2 Buchst. d der 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern in den Europäischen Gemeinschaften dahin auszulegen ist, daß hochseegehende Segelyachten, deren Mieter diese Yachten zum Zwecke der Ausübung des Segelsports nutzen, als Beförderungsmittel im Sinne dieser Richtlinie anzusehen sind. Zwar hat die nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO Bedenken gegen eine bestehende Rechtsprechung zu berücksichtigen, ohne daß hierbei aber die Rechtsfrage abschließend zu klären ist (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Juli 1976 VIII B 6/75, BFHE 120, 9, BStBl II 1977, 119). Im Streitfall ergeben sich jedoch aus dem genannten Beschluß des FG Hamburg keine Bedenken gegen die in dem Beschluß in UR 1984, 122 geäußerte Rechtsauffassung zu dem Begriff ,,Beförderungsmittel" in § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 a. F.
Da das Gericht bei der Entscheidung über die Kosten eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens die Prüfung des mutmaßlichen Ausgangs des Prozesses nur summarisch durchzuführen hat und die Prüfung im Rahmen des § 138 FGO nicht dazu dienen soll, Rechtsfragen grundsätzlich zu klären (vgl. Beschlüsse in BFHE 120, 9, BStBl II 1977, 119, und vom 10. November 1971 I B 14/70, BFHE 104, 39, BStBl II 1972, 222), braucht die Entscheidung des EuGH nicht abgewartet oder gar der EuGH angerufen zu werden (vgl. in diesem Zusammenhang BFH-Beschluß in UR 1984, 122, m. w. N.).
Beides würde dem hinter § 138 Abs. 1 FGO stehenden Gedanken der Prozeßwirtschaftlichkeit nicht gerecht. Das Gericht soll aufgrund bloß billigem Ermessens über die Kosten entscheiden, weil es nicht sinnvoll wäre, das Verfahren in der üblichen Weise nur zu dem Zweck fortzusetzen, um für die Kostenentscheidung den mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens zu ermitteln. Der hierfür erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung der Kostenentscheidung, um die allein es noch geht (vgl. Beschluß in BFHE 104, 39, BStBl II 1972, 222).
Fundstellen