Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens
Leitsatz (NV)
Zur Begründung einer auf Divergenz i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde, wenn das FG die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen hat, der Kläger habe den Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet.
Normenkette
FGO §§ 65, 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 366
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Abweichung von Rechtsgrundsätzen im Beschluß des Großen Senats vom 26. November 1979 GrS 1/78 (BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99) und weiteren im einzelnen bezeichneten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt haben.
Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) in dem angefochtenen Urteil ―zumindest konkludent― einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem ebenfalls tragenden Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. Eine solche Abweichung muß der Beschwerdeführer "bezeichnen" (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die abstrakten Rechtssätze des BFH-Urteils und die hiervon divergierende(n) Aussage(n) des FG so herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, daß die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226; vom 9. Januar 1996 VII B 171/95, BFH/NV 1996, 612; vom 16. September 1996 VIII B 135-136/95, BFH/NV 1997, 298). An einer solchen Darlegung fehlt es hier.
Nach dem Beschluß in BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99 hat das FG eine Sachentscheidung zu treffen, wenn "das Ziel der Klage hinreichend erkennbar" ist. Dazu genüge nicht die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts; der Auffassung im BFH-Urteil vom 24. September 1970 II R 37/70 (BFHE 100, 429, BStBl II 1971, 112) sei nicht zu folgen. Wie weit das Klagebegehren substantiiert werden müsse, hänge "von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von dem Gesamtinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart ab".
Auf dieser Grundlage hat sich ―unter Berücksichtigung der "Umstände des Einzelfalles"― eine umfangreiche Judikatur entwickelt. Zur Bestimmung des Klagegegenstandes mittels Auslegung der Klageschrift sind alle dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) und dem FG bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art einschließlich der dem Gericht vorliegenden Akten zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232; Beschluß vom 17. Juni 1998 X B 139/97, BFH/NV 1999, 187). Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird zu erkennen, worin nach Ansicht des Klägers die ihn treffende Rechtsverletzung liegt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483). Einen von der Aussage der zitierten Entscheidung des Großen Senats abweichenden Rechtssatz des FG haben die Kläger nicht herausgearbeitet.
Das FG hat sich im übrigen auf diese Grundsätze gestützt, ohne eine hiervon abweichende Rechtsauffassung erkennen zu lassen. Die Beschwerde zielt denn auch im Kern darauf ab, daß das FG bestimmte Umstände des Einzelfalles nicht in gebotenem Umfang berücksichtigt habe. Hierauf allein kann indes eine Divergenzbeschwerde nicht gestützt werden, zumal dieses prozessuale Rechtsinstitut nicht dazu dient, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
Schließlich könnte den Klägern nicht darin gefolgt werden, daß mit dem Antrag auf Wiederherstellung der ursprünglichen Bescheide das Klageziel hinreichend bezeichnet worden wäre. Ausweislich der Begründung der Einspruchsentscheidung betreffend die Einkommensteuer 1989 hatte das FA im Einspruchsverfahren dem Einspruch teilweise entsprochen, zum Teil hatten die Kläger ihr Einspruchsbegehren nicht aufrechterhalten. Gerade wenn die Einspruchsentscheidung diesbezüglich keine Details enthält und insofern das FA seine Begründungspflicht (§ 366 der Abgabenordnung ―AO 1977―) verletzt haben sollte, oblag es den Klägern, dem FG darzulegen, inwiefern sie ihrer Ansicht nach durch den angefochtenen Steuerbescheid in ihren Rechten verletzt waren. Das FG mußte jedenfalls nicht davon ausgehen, daß das gesamte Ergebnis der Außenprüfung in Frage gestellt sein sollte. Hinsichtlich der Änderungsbescheide für die Streitjahre 1990 und 1991 folgt dies schon daraus, daß unter dem 27. Oktober 1997 "Teiländerungsbescheide" mit einer ausführlichen Darstellung der in die Änderung einbezogenen Besteuerungsgrundlagen ergangen waren.
Der Senat läßt dahingestellt, ob die Darlegung einer Divergenz im Schriftsatz der Kläger vom 22. Januar 1999 berücksichtigt werden könnte. Das von ihnen angeführte Urteil des BFH vom 22. April 1998 XI R 31-32/97 (BFH/NV 1998, 1245), das auf eine ständige Rechtsprechung verweist, betrifft den hier nicht gegebenen Fall, daß der Kläger zur Bezeichnung des Streitgegenstandes auf eine nach Erlaß des angefochtenen Steuerbescheides eingereichte Steuererklärung Bezug nimmt.
Das BFH-Urteil in BFHE 100, 429, BStBl II 1971, 112 ist, wie ausgeführt, durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99 überholt. Eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 23. Mai 1973 II R 47/72 (BFHE 110, 105, BStBl II 1973, 820) und vom 5. Dezember 1972 VIII R 160/71 (BFHE 108, 276, BStBl II 1973, 498) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 302336 |
BFH/NV 1999, 1374 |