Leitsatz (amtlich)
Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, können Betriebsausgaben und AfA-Beträge, die sich wegen geringen Einkommens in einem Kalenderjahr nicht auswirken, nicht in einem späteren Kalenderjahr mit den dann anfallenden Einnahmen verrechnen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1, 5 Nr. 3, § 4 Abs. 3
Tatbestand
Die Beschwerdeführer sind Ehegatten, die beschwerdeführende Ehefrau Schaustellerin. Als Gewinn setzt sie den Überschuß der Einnahmen über die Betriebsausgaben an (§ 4 Abs. 3 EStG). Im Juli 1962 hat sie für 29 800 DM eine Schießsportanlage und am 28. Juni 1963 für 12 000 DM eine Zugmaschine angeschafft. Die Nutzungsdauer dieser Gegenstände beträgt, wie nunmehr unstreitig ist, fünf Jahre.
Für das Jahr 1963 wurden die Beschwerdeführer nicht zur Einkommensteuer veranlagt, weil sich wegen des geringen Einkommens keine Einkommensteuer ergab. Für die Jahre 1964 und 1965 wurden sie gemäß § 26 Abs. 2, § 26b EStG zusammenveranlagt. Der Beschwerdegegner (FA) berücksichtigte dabei - für das Jahr 1964 aufgrund eines Einspruchs - als Absetzung für Abnutzung (AfA) für die Schießsportanlage und die Zugmaschine (5 960 DM und 2 400 DM =) 8 360 DM. Die Einkommensteuer wurde für das Jahr 1964 auf 0 DM, für das Jahr 1965 auf 114 DM festgesetzt.
Die Beschwerdeführer haben den Einkommensteuerbescheid 1965 und den Gewerbesteuermeßbescheid 1965 angefochten. Sie begehren den Gewinn des Jahres 1965 zusätzlich um die Teile der AfA für die Schießsportanlage und die Zugmaschine zu mindern, die sich im Rahmen der Veranlagungen 1963 und 1964 nicht ausgewirkt haben. Für die Einkommensteuer 1965 verlangen sie damit die Herabsetzung auf 0 DM. Gegen den abweisenden Einspruchsbescheid schwebt Klage vor dem FG.
Die Beschwerdeführer haben die streitige Einkommensteuer zur Abwendung von Beitreibungsmaßnahmen am 6. Oktober 1967 an den Vollziehungsbeamten des FA gezahlt. Ihren Antrag, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1965 aufzuheben, hat das FG durch Beschluß vom 22. Januar 1968 als sachlich unbegründet zurückgewiesen, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1965 beständen. Das FA habe die AfA richtig berechnet. Betriebsausgaben, die sich wegen der geringen Höhe der Einnahmen im laufenden Jahr nicht auswirkten, könnten nicht in einem späteren Jahr von den Einnahmen dieses späteren Jahrs abgezogen werden. Das gelte bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auch für AfA-Beträge, die sich in einem früheren Jahr nicht ausgewirkt hätten (vgl. Urteil des BFH IV 171/58 U vom 13. Mai 1959, BFH 69, 25, BStBl III 1959, 270).
Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids soll auf Antrag des Steuerpflichtigen ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids bestehen. Ist der Steuerbescheid im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen (vgl. § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO).
Im Streitfall ist der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1965 dadurch vollzogen worden, daß das FA die Abschlußzahlung durch seinen Vollziehungsbeamten eingezogen hat. Es hat sich insoweit um keine freiwillige Tilgung der Steuerschuld gehandelt, bei der die Vorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO nicht anwendbar wäre (vgl. Beschluß des BFH I B 3/66 vom 9. August 1966, BFH 86, 723, BStBl III 1966, 646).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids sind dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, auch gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des BFH III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, BStBl III 1967, 182). Das FG hat im Streitfall rechtlich zutreffend ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1965 verneint und deshalb mit Recht die Aufhebung der Vollziehung abgelehnt.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 7 EStG bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen ist, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen). Die Absetzung bemißt sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts; denn es handelt sich um die Berücksichtigung des Wertverzehrs durch den Gebrauch der Sache.
Nach § 2 Abs. 1 EStG bemißt sich die Einkommensteuer nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahrs bezogen hat. Entsprechend ist der Gewinn bei Gewerbetreibenden, die - wie die Beschwerdeführerin - nicht im Handelsregister eingetragen sind, für jedes Kalenderjahr getrennt zu ermitteln (§ 2 Abs. 5 Nr. 3 EStG). Die Zerlegung in einzelne Steuerabschnitte hat zur Folge, daß grundsätzlich jeder Steuerabschnitt (Veranlagungszeitraum) für sich zu betrachten ist. Deshalb dürfen Betriebsausgaben, AfA-Beträge, Freibeträge für den Unterhalt von Kindern und für Körperbeschädigung, die wegen geringen Einkommens sich in einem Kalenderjahr nicht voll auswirken, nicht in einem späteren Kalenderjahr mit den dann anfallenden Einnahmen verrechnet werden. Die von den Beschwerdeführern gewünschte Verrechnung der Betriebsausgaben und AfA-Beträge steht auch im Widerspruch zu § 10d EStG. Nach dieser Vorschrift können nur Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, Verluste aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen abziehen. Bei der einfachen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG - wie die Beschwerdeführerin sie angewendet hat - ist ein solcher Verlustabzug nicht statthaft (Urteil des BFH I 113/65 vom 3. Juli 1968, BFH 93, 230; BStBl II 1968, 736).
Im Veranlagungsverfahren für das Jahr 1963 hatte das FA eine zehnjährige Nutzungsdauer der Schießsportanlage angenommen, danach die AfA für die Schießsportanlage und die Zugmaschine nur mit zusammen 5 254 DM angesetzt und den Gewinn auf 5 860 DM berechnet. Nach Abzug der Sonderausgabenpauschale sowie der Freibeträge für zwei Kinder und für die Körperbeschädigung des Beschwerdeführers blieb keine Einkommensteuer festzusetzen. Deshalb sah das FA von der Durchführung der Veranlagung und der Erteilung eines Steuerbescheids ab. Bei der Veranlagung für das Jahr 1964 ging das FA zunächst wieder von einer zehnjährigen Nutzungsdauer der Schießsportanlage und einer Gesamt-AfA von 5 254 DM aus. Erst im Einspruchsverfahren erkannte es mit Schreiben vom 18. April 1966 eine fünfjährige Nutzungsdauer für die Schießsportanlage und entsprechend eine jährliche Gesamt-AfA von 8 360 DM an. Da für das Jahr 1963 kein Steuerbescheid erteilt worden war, konnte das FA den auf dieses Jahr entfallenden AfA-Betrag rückwirkend auf 8 360 DM erhöhen. Der Gewinn 1963 ermäßigte sich dadurch auf 2 754 DM. An dem Umstand, daß keine Einkommensteuer festzusetzen war, änderte sich nichts, weshalb das FA auch jetzt keinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1963 erließ. Der Gewinn 1964, ursprünglich auf 8 708 DM ermittelt, ermäßigte sich durch die Erhöhung der AfA auf 5 602 DM. In dem nach § 94 AO berichtigten Einkommensteuerbescheid vom 31. Mai 1966 wurde die Einkommensteuer für das Jahr 1964 auf 0 DM herabgesetzt. Bei der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 1965 wurde die AfA von vornherein mit 8 360 DM berücksichtigt.
Aus diesen Darlegungen folgt, daß für die Jahre 1963 bis 1965 jeweils die zutreffenden Absetzungen für Abnutzung von 8 360 DM bei der Gewinnermittlung abgesetzt worden sind. Allerdings waren die steuerbaren Einnahmen in den Jahren 1963 und 1964 nicht so hoch, daß die Betriebsausgaben, AfA, Sonderausgaben und Steuerfreibeträge sich hätten voll auswirken können. Wie oben ausgeführt, ist es jedoch nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung nicht zulässig, einen entsprechenden Teil der AfA (oder der übrigen Abzugsposten) auf das Jahr 1965 zu übertragen. Der Sachverhalt liegt anders als in dem Fall, in dem bei der Gewinnermittlung versehentlich oder wegen unrichtiger Schätzung der Nutzungsdauer die AfA nicht oder nicht in ausreichender Höhe abgesetzt worden ist und in dem unter gewissen Voraussetzungen eine spätere Nachholung möglich ist (vgl. BFH-Urteil VI R 295/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 316, BStBl III 1967, 386, und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 8. Aufl., § 7 Rdnr. 162 ff.).
Fundstellen
Haufe-Index 67772 |
BStBl II 1968, 819 |
BFHE 1968, 431 |