Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Keine Klärungsfähigkeit vom Sachverhalt nicht erfasster Rechtsfragen
Leitsatz (NV)
- Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
- Die Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung zur Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH als Haftungsschuldner nach der Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens gegen die GmbH mangels Masse nach In-Kraft-Treten der InsO zum 1.1.1999 eine Änderung erfahren müsste, kann nicht geklärt werden, wenn die InsO im Zeitpunkt der Verwirklichung des Haftungstatbestandes noch keine Geltung hatte.
- Der Umfang der Haftung bei unzureichender Liquidität der GmbH zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerforderungen ist durch die Rechtsprechung des BFH zur anteiligen Haftung geklärt.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; InsO
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 19.09.2002; Aktenzeichen 5 K 5281/98 U) |
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides, mit dem die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als ehemalige Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH für rückständige Umsatzsatzsteuervorauszahlungen einer GmbH & Co. KG in Anspruch genommen worden ist. Nach erfolglosem Einspruch sah auch das Finanzgericht (FG) den Haftungstatbestand gemäß § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) als erfüllt an. Es hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde erhoben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Ungeachtet der Mängel in der Darlegung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage und des Erfordernisses einer neuerlichen Überprüfung und Entscheidung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) zur Haftung des Geschäftsführers nach § 69 i.V.m. § 34 AO 1977 im Hinblick auf die Ablösung der Konkursordnung durch die Insolvenzordnung (InsO) und die ―allerdings nicht näher bezeichnete― geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den Pflichten eines Geschäftsführers nach § "65 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―" ―gemeint ist hier wohl § 64 Abs. 2 GmbHG i.d.F. vom 5. Oktober 1994 (BGBl I, 2911, 2933)― kann das Rechtsmittel auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Beschwerdebegründung übersieht, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wären.
Die allgemeine Zulassungsvoraussetzung der Klärungsfähigkeit und der zu erwartenden Klärung in dem zuzulassenden Revisionsverfahren hat nicht nur für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), sondern auch für die Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtseinheit zu gelten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., Rz. 43 zu § 115; BFH-Beschluss vom 24. August 1988 I B 108/86, BFHE 154, 486, BStBl II 1989, 104). Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Im Streitfall beruht die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin nach § 69 i.V.m. § 34 AO 1977 im Jahre 1997 u.a. auf dem Umstand, dass die Steuerschulden der KG infolge der Ablehnung eines Konkurseröffnungsantrages mangels Masse von der KG nicht mehr beigetrieben werden konnten. Die Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung des BFH zu den steuerlichen Pflichten eines Geschäftsführers nach In-Kraft-Treten der InsO zum 1. Januar 1999 eine Änderung erfahren müsste, könnte daher in dem sich anschließenden Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil die InsO im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes noch keine Geltung hatte. Ebenso wenig kann sich die Frage nach einer Abweichung zu der ―nur ungenau beschriebenen― neueren Rechtsprechung des BGH zur Zahlungsverpflichtung des Geschäftsführers nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder deren Überschuldung stellen; denn Feststellungen, dass die Klägerin für Abgabenansprüche gegen die KG nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in Anspruch genommen worden wäre, hat das FG nicht getroffen. Im Übrigen trägt die ―auch vom FG herangezogene― Rechtsprechung des BFH zur anteiligen Haftung bei unzureichender Liquidität der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerforderungen gerade dem Umstand Rechnung, dass der Geschäftsführer lediglich verpflichtet ist, die steuerlichen Verbindlichkeiten und die Forderungen der übrigen Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1987 VII R 188/82, BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172, m.w.N., und Beschluss vom 3. Mai 1999 VII S 1/99, BFH/NV 2000, 1).
Fundstellen
Haufe-Index 1075948 |
BFH/NV 2004, 153 |