Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls
Leitsatz (NV)
1. Von dem Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden, wenn dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet werden; die Feststellungslast trägt der Steuerberater.
2. § 12 GewO kann auf den Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht, auch nicht entsprechend, angewendet werden.
3. Das FG ist nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung über die Klage des Steuerberaters gegen den Widerrufsbescheid bis zu dem ungewissen Zeitpunkt zu vertagen, zu dem die Vermögensverhältnisse des Steuerberaters möglicherweise wieder geordnet wären und er einen Anspruch auf Wiederbestellung haben würde.
4. Auf die Ablehnung eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Normenkette
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4; GewO § 12; FGO § 108 Abs. 2 S. 2, § 124 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen 6 K 42/02) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--) abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet, der Kläger in das Schuldnerverzeichnis eingetragen und die daraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls vom Kläger nicht widerlegt worden sei. Der Kläger habe auch nicht den Nachweis erbracht, dass eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall ausgeschlossen sei. Vielmehr ließen das pflichtwidrige Verhalten des Klägers in eigenen Steuerangelegenheiten sowie seine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis und hohe Steuerschulden gegenüber dem Finanzamt den Schluss zu, dass Mandanteninteressen gefährdet seien. Alle diese Umstände lägen auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert. Ob dem Kläger wegen der erst nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) eingegangenen Seite 2 seiner Beschwerdebegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (§ 56 Abs. 1 FGO), kann offenbleiben, da auch dieser verspätet bei Gericht eingegangene Teil der Begründung nichts enthält, was als schlüssige Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Revision angesehen werden könnte.
1. Die von der Beschwerde sinngemäß bezeichneten Fragen,
- ob der Vermögensverfall als solcher bereits ausreicht, die Vermutung der Gefährdung der Interessen der Auftraggeber zu begründen, und ob der Steuerberater beweisen muss, dass eine solche Gefährdung nicht besteht, und
- ob auf den Fall eines Steuerberaters im Insolvenzverfahren § 12 der Gewerbeordnung (GewO) anzuwenden ist,
sind durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt.
Aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG folgt, dass im Regelfall die Bestellung zu widerrufen ist, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist. Nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") kann von dem Widerruf abgesehen werden, wenn dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet werden. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls grundsätzlich davon aus, dass die Interessen der Auftraggeber des Steuerberaters potenziell gefährdet sind. Die Vorschrift gestattet allerdings dem betroffenen Steuerberater den Nachweis, dass Auftraggeberinteressen in seinem konkreten Fall trotz des Vermögensverfalls nicht gefährdet sind; die entsprechende Feststellungslast obliegt dem betroffenen Steuerberater (Senatsurteil vom 3. November 1992 VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624). § 12 GewO kann auf den Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht, auch nicht entsprechend, angewendet werden (Senatsbeschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).
Da somit die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen als durch die Rechtsprechung des Senats geklärt anzusehen sind, hätte die Beschwerde zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2003 1 BvR 238/01 (BVerfGE 108, 150), auf den die Beschwerde sich beruft, hat mit dem Widerruf der Bestellung wegen Vermögensverfalls nichts zu tun. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2004 AnwZ (B) 43/03 (Neue Juristische Wochenschrift 2005, 511) ist eine Einzelfallentscheidung, in der das Gericht die Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden verneint hat. Dass die jener Entscheidung zugrunde liegenden Umstände und diejenigen des Streitfalls gleich liegen, ist nicht erkennbar. Das FG hat vielmehr die Gefährdung der Auftraggeberinteressen in Anbetracht des in der Vergangenheit festgestellten pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers in eigenen steuerlichen Angelegenheiten bejaht, was --wie in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils zutreffend wiedergegeben ist-- der Rechtsprechung des beschließenden Senats entspricht. Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vermag an der Beurteilung der sich im Zusammenhang mit dem geltenden § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG stellenden Rechtsfragen nichts zu ändern.
2. Auch die --jedenfalls sinngemäß-- gerügten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt.
Die Rüge der Beschwerde, dass das FG den Antrag auf Tatbestandsberichtigung mit Beschluss vom 13. September 2005 zu Unrecht als unzulässig abgelehnt habe, ist schon deshalb unberechtigt, weil das FG diesen Beschluss unter dem 26. Oktober 2005 aufgehoben und den Antrag auf Tatbestandsberichtigung nunmehr als unbegründet abgelehnt hat. Dieser Beschluss ist gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO unanfechtbar. Auf die Ablehnung der Tatbestandsberichtigung kann der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde daher nicht stützen (§ 124 Abs. 2 FGO). Das Gleiche gilt hinsichtlich des durch das FG abgelehnten, gegen den FG-Senat gerichteten Befangenheitsantrags: Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen sind gemäß § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar.
Die rechtliche Bedeutung der sich auf die Frage der Gefährdung von Auftraggeberinteressen beziehenden Tatsachen lag auf der Hand und musste dem sachkundig vertretenen Kläger deutlich sein, so dass der angeblich unterlassene Hinweis des FG keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 1997 VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693, m.w.N.). Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, was der Kläger bei einem entsprechenden Hinweis des FG noch vorgetragen hätte.
Auch soweit die Beschwerde meint, dass das FG die noch bestehenden Verbindlichkeiten und Steuerschulden des Klägers nicht geklärt habe und dass es die Insolvenzakten hätte beiziehen müssen, fehlt es an Darlegungen, welche konkreten Tatsachen sich aus den Akten ergeben hätten und inwiefern diese zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können. Allein mit dem Beschwerdevorbringen, die Höhe der Steuerschuld des Klägers sei bis heute nicht geklärt, wird ein Zulassungsgrund nicht dargelegt. Die Beiziehung der Insolvenzakten oder sonstige Sachverhaltsfeststellungen mussten sich dem FG auch nicht aufdrängen, weil der Vermögensverfall wegen des eröffneten Insolvenzverfahrens zu vermuten ist und weil --wie das FG unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats ausgeführt hat-- die bloße Möglichkeit, die schlechte wirtschaftliche Situation des Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu beseitigen, nicht zur Folge hat, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse trotz der unbeglichenen Forderungen gegen ihn als geordnet zu betrachten wären.
Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens lagen offensichtlich nicht vor. Dass die Voraussetzungen für eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens gegeben waren (§ 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung), legt die Beschwerde nicht dar. Das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG weist aus, dass der Vertreter der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) dem Ruhen des Verfahrens widersprochen hat. Das FG war auch nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung bis zu dem ungewissen Zeitpunkt zu vertagen, zu dem die Vermögensverhältnisse des Klägers möglicherweise wieder geordnet wären und er einen Anspruch auf Wiederbestellung haben würde (Senatsbeschluss vom 20. April 2006 VII B 330/05, nicht veröffentlicht).
3. Auch für den Senat besteht kein Anlass, das Verfahren, in dem allein zu beurteilen ist, ob nach dem Beschwerdevorbringen des Klägers die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO vorliegen, auszusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1703555 |
BFH/NV 2007, 983 |