Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht
Leitsatz (NV)
1. Die Vollziehung eines Bescheides kann nur solange ausgesetzt werden, als die Möglichkeit einer Bescheidsänderung durch das Gericht besteht.
2. Die Erklärung des Klägers, das AdV-Verfahren vor dem BFH sei in der Hauptsache erledigt, hat keine Wirkung, wenn die Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 VGFGEntlG nicht erfüllt gewesen waren.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 135 Abs. 1; VGFGEntlG Art. 3 § 7
Tatbestand
Die Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) legten gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), das ihrer Klage teilweise stattgegeben hatte, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Sie begründeten das Rechtsmittel damit, daß ihre Rechtssache wegen der erforderlichen ,,Angleichung" des angefochtenen Urteils an die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Kinderlastenausgleich und zum Grundfreibetrag grundsätzliche Bedeutung habe.
Während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde erließ der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) am 11. April 1991 für beide Streitjahre (1982 und 1983) Einkommensteueränderungsbescheide, die hinsichtlich des Kinderlastenausgleichs und des Grundfreibetrages jeweils vorläufig nach § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) ergingen. Die Kläger erklärten diese Bescheide gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens und beantragten gleichzeitig, ihre Vollziehung in Höhe von . . . DM auszusetzen.
Das FA setzte am 12. August 1991 die Vollziehung des Einkommensteueränderungsbescheides für 1983 aus und änderte diesen Bescheid am 20. August 1991 erneut. Es berücksichtigte dabei den erhöhten Kinderfreibetrag nach § 54 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665). Die Kläger erklärten daraufhin mit Schriftsatz vom 12. September 1991 das vorliegende Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Streitjahres 1983 für erledigt.
Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger mit Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
Auch der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat keinen Erfolg.
Das ergibt sich schon daraus, daß die Kläger den Antrag, ohne sich zuvor an das FA gewendet zu haben, nach § 69 Abs. 3 FGO unmittelbar beim Bundesfinanzhof (BFH) stellten (Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG -). Umstände, nach denen einer der Ausnahmetatbestände des Satzes 2 dieser Vorschrift vorliegen könnte, sind weder von den Klägern vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich.
Ungeachtet dessen kann die Vollziehung eines Bescheides auch nur solange ausgesetzt werden, als die Möglichkeit einer Änderung durch das Gericht besteht (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 69 FGO Tz. 7). Diese Möglichkeit ist aber durch die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangene Entscheidung des Senats vom heutigen Tag entfallen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Das gilt auch hinsichtlich des Streitjahres 1983. Der an sich - auch im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO - möglichen Erklärung, die Hauptsache sei erledigt, kommt im Streitfall keine Bedeutung zu. Denn der Antrag der Kläger war wegen der Nichtbeachtung des Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG (s. dazu oben) von Anfang an unzulässig (s. hierzu Koch in Gräber, FGO-Kommentar, 2. Aufl., § 69 Anm. 70, m. zahlreichen N.). Die spätere Aussetzung der Vollziehung durch das FA konnte mithin für den Ausgang / die Erledigung des Rechtsstreits nicht mehr ursächlich sein (vgl. auch BFH-Beschluß vom 21. Dezember 1988 V S 6/88, BFH/NV 1990, 180).
Fundstellen
Haufe-Index 418086 |
BFH/NV 1992, 328 |