Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist
Leitsatz (NV)
- Die Zweiwochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d.h. mit dem Tag, an dem der Prozeßbevollmächtigte die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erkannte oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können z.B. bei Vorlage der Handakten.
- Der Eingang der Revisionsbegründung innerhalb der Antragsfrist rechtfertigt als solcher keine Wiedereinsetzung von Amts wegen.
- Die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist verlangt eine besondere Sorgfalt des Prozeßbevollmächtigten bei der Notierung der Frist und der Überwachung des damit betrauten Personals. Allein die Verfügung "Frist notieren" im Eingangsstempel erfüllt diese Anforderung nicht.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2, § 120 Abs. 1, § 155; ZPO § 85 Abs. 2
Gründe
Die Revision der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil die gesetzlich vorgesehene Frist für die Begründung der Revision nicht eingehalten und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.
1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen finanzgerichtlichen Urteils schriftlich beim Finanzgericht (FG) einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats --beim FG oder beim Bundesfinanzhof (BFH)-- zu begründen. Die Revisionsbegründungsfrist endete im Streitfall daher mit Ablauf des 1. April 1999. Bis zu diesem Zeitpunkt lag dem BFH noch keine den Anforderungen des § 120 Abs. 1 FGO genügende Revisionsbegründung vor.
2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann der Klägerin nicht gewährt werden.
Eine solche Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, daß innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses der Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (vgl. § 56 Abs. 2 FGO; ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluß vom 7. November 1995 VII R 34/94, BFH/NV 1996, 343). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Wiedereinsetzung kann der Klägerin aber schon deshalb nicht gewährt werden, weil ihr Prozeßbevollmächtigter, dessen Verschulden sie sich zurechnen lassen muß (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung --ZPO--), nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat. Das Hindernis ist an dem Tag weggefallen, an dem der Prozeßbevollmächtigte die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erkannte oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluß vom 20. Oktober 1988 IX R 244/84, BFH/NV 1989, 512). Dies war im Streitfall spätestens der Tag, an dem der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin das Begleitschreiben aufsetzte, mit dem er die Originalvollmacht an den BFH übersandt hat, d.h. am 29. April 1999; denn zu diesem Zeitpunkt mußte der Prozeßbevollmächtigte die Handakten einsehen (vgl. den vorgenannten BFH-Beschluß in BFH/NV 1989, 512). Daß die Handakten vorgelegen haben müssen, ergibt sich auch daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte im gleichen Schreiben mitgeteilt hat, daß "die Revisionsbegründung folgt". Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat es der Prozeßbevollmächtigte schuldhaft unterlassen, die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluß vom 8. April 1992 II R 73/91, BFH/NV 1992, 829). Dieses Verschulden ist der Klägerin zuzurechnen.
Die Zweiwochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung begann daher bereits am 29. April 1999. Die Revisionsbegründung ist zwar innerhalb dieser Frist eingegangen (7. Mai 1999). Wiedereinsetzung von Amts wegen (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO) kann jedoch nicht gewährt werden, weil bis Ablauf der Zweiwochenfrist die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung begründen können, nicht glaubhaft gemacht worden sind und die Tatsachen auch nicht gerichtsbekannt waren (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 56 Rn. 58, m.w.N.).
Da der am 17. Mai 1999 eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung verspätet ist, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob sich aus den darin vorgetragenen Gründen ein mangelndes Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ergibt (vgl. § 56 Abs. 1 FGO). Der Senat hält es allerdings für zweifelhaft, ob das vom Prozeßbevollmächtigten behauptete Büroversehen tatsächlich angenommen werden kann. Denn die Revisionsbegründungsfrist gehört --anders als die Revisionsfrist-- nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen. Vielmehr verlangt die Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist eine besondere Sorgfalt des Prozeßbevollmächtigten bei der Notierung der Frist und der Überwachung des damit betrauten Personals (BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 343, sowie Gräber/Ruban, a.a.O., § 56 Rn. 33, m.w.N.). Allein die Verfügung "Frist notieren" im Eingangsstempel erfüllt diese Anforderungen jedenfalls nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 424744 |
BFH/NV 2000, 470 |