Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für einzulegende NZB
Leitsatz (NV)
Hat ein nicht vertretener Prozessbeteiligter die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt, weil sein früherer Prozessvertreter das Rechtsmittel entgegen seiner Zusage nicht eingelegt hat, so muss er, sofern er PKH für die noch einzulegende Beschwerde begehrt, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sowohl den PKH-Antrag als auch die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einreichen.
Normenkette
FGO §§ 56, 62; ZPO §§ 114, 117
Tatbestand
I. Der aus dem Libanon stammende Kläger und Antragsteller (Kläger) erhielt Kindergeld für seine beiden leiblichen Töchter sowie für seine Stieftochter. Nachdem die Beklagte (Familienkasse) davon erfahren hatte, dass die drei Mädchen eine Schule in X (Libanon) besuchten, hob sie die Festsetzung ab August 2003 auf und forderte das bis September 2004 gezahlte Kindergeld zurück. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Kinder hätten im streitigen Zeitraum keinen inländischen Wohnsitz gehabt. Ihre Aufenthalte im Inland während der Ferien hätten nur Besuchscharakter gehabt. Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 28. März 2008 zugestellt.
Mit Schreiben vom 28. April 2008, eingegangen am 30. April 2008, beantragt der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) für die einzulegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das FG-Urteil. Außerdem begehrt er Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist. Zur Begründung trägt er vor, sein bisheriger Anwalt habe das Mandat niedergelegt, habe aber auf seine Bitte hin zugesagt, zumindest noch die Beschwerde einzulegen. Auf eine telefonische Nachfrage hin habe ihm der Anwalt am 28. April 2008 mitgeteilt, dass er ihn, den Kläger, schriftlich davon unterrichtet habe, dass er die Beschwerde nur dann einlegen würde, wenn der Kläger die Kosten dafür übernehmen würde. Dieses Schreiben sei ihm jedoch nicht zugegangen. Es solle nochmals eine Frist gewährt werden, damit ein anderer Anwalt beauftragt werden könne.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt.
1. Der vom Kläger selbst gestellte Antrag ist zwar zulässig. Für ihn besteht kein Vertretungszwang nach § 62a der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692, und vom 9. April 2002 X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949) bzw. nach § 62 Abs. 4 FGO (ab 1. Juli 2008).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
b) Im Streitfall hätte eine Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat die am 28. April 2008 abgelaufene Beschwerdefrist von einem Monat (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) versäumt. Bei einer nachträglichen Einlegung der Beschwerde könnte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
aa) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Wiedereinsetzungsantrag ist bei Versäumnis der Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.
bb) Im Streitfall hat der Kläger zwar möglicherweise zunächst die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Verschulden versäumt, weil er --die Richtigkeit seines Vortrags unterstellt-- sich darauf verlassen konnte, dass sein Anwalt die Beschwerde fristgemäß einlegen würde. Nachdem er aber am letzten Tag der Frist erfahren hatte, dass der Anwalt nicht tätig geworden war, musste er dafür Sorge tragen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingelegt wurde. Sollte dies nicht möglich gewesen sein, z.B. weil ihm für die Beauftragung eines Anwalts die finanziellen Mittel fehlten, so musste er innerhalb der Frist zumindest einen ordnungsgemäßen Antrag auf PKH und Beiordnung eines Prozessvertreters stellen. Einem Beteiligten, der ein dem Vertretungszwang unterliegendes Rechtsmittel wegen Mittellosigkeit nicht erheben kann, ist nach ständiger Rechtsprechung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er rechtzeitig PKH für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde beantragt (z.B. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2007 IX S 10/07 (PKH), BFH/NV 2007, 1918). Einem derartigen PKH-Antrag muss nach § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt beigefügt sein (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2005 X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249, und in BFH/NV 2007, 1918; vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Februar 2000 2 BvR 106/00, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 3344). Dem um PKH nachsuchenden Beteiligten ist es zuzumuten, sich über die formalen Erfordernisse ggf. beim FG oder BFH zu erkundigen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2249).
cc) Der Kläger hat im Streitfall lediglich die Ablichtung eines Berechnungsbogens zur Ermittlung des Arbeitslosengelds II vorgelegt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wird dadurch jedoch nicht ersetzt. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde könnte damit nicht gewährt werden. Eine Beschwerde hätte demnach keine Aussicht auf Erfolg.
c) Unabhängig hiervon hat der Kläger keine Gründe vorgetragen, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder dass die Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Nr. 3 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).
Fundstellen