Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei Verlegen eines Schriftsatzes
Leitsatz (NV)
Ist ein bestimmender Schriftsatz bei der Überbringung an das FA durch Verwechslung unbemerkt in der Aktentasche des Überbringers verblieben, so rechtfertigt dies nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO 1977.
Normenkette
AO 1977 § 110
Tatbestand
Die Beschwerde ist gerichtet gegen den Beschluß des Finanzgerichts (FG), mit dem dieses den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) zur Durchführung eines Klageverfahrens betreffend Geschäftsführerhaftung für Lohnsteuerschulden abgelehnt hat.
Zur Begründung hat das FG ausgeführt, der zugrunde liegende Haftungsbescheid sei wegen nicht rechtzeitiger Einlegung des Einspruchs bestandskräftig geworden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zu Recht nicht gewährt worden, weil der Beschwerdeführer nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Einspruchsfrist einzuhalten (§ 110 Abs. 1 AO 1977). Der vom Beschwerdeführer hiergegen geltend gemachte Gesichtspunkt, er sei während des Laufes der Einspruchsfrist hochgradig nervös gewesen und habe das zusammen mit anderen, für das FA bestimmten Schriftstücken, rechtzeitig gefertigte Einspruchsschreiben unbemerkt in seiner Aktentasche belassen und deshalb nicht fristgerecht eingeworfen, sei nicht stichhaltig.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer das Begehren auf Gewährung von PKH unter dem Gesichtswinkel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiter. Er führt unter Hinweis auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23. Februar 1978 III 293/77 (EFG 1978, 308) aus, es mache für die Frage des Verschuldens bei Fristversäumnis keinen Unterschied, ob ein Schriftsatz - wie in dem dort entschiedenen Fall - unbemerkt in den Lüftungsschlitz eines PKW gefallen sei oder aber - wie im Streitfall - unbemerkt in der Aktentasche des Überbringers verblieben sei. Da das Einspruchsschreiben zusammen mit anderen Schriftstücken beim FA habe abgegeben werden sollen, sei es dem Beschwerdeführer entgangen, daß es sich von diesen gelöst habe und in der Aktentasche verblieben sei. Dies könne dem Beschwerdeführer nicht als Verschulden nach § 110 Abs. 1 AO 1977 angelastet werden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung, hier die Klage gegen den Haftungsbescheid, keine Aussicht auf Erfolg bietet, weil der Haftungsbescheid bestandskräftig geworden ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist nicht gewährt werden kann. Das Verlegen oder Verlieren eines Schriftstücks ist grundsätzlich nicht entschuldbar i. S. von § 110 Abs. 1 AO 1977 (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., Tz. 20a zu § 110 AO 1977). Auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23. Februar 1978 kann sich der Beschwerdeführer schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil der Sachverhalt in dem dort entschiedenen Fall anders gelagert war als im Streitfall: Rutscht ein Schriftstück, das zusammen mit anderen Schreiben beim FA abgegeben werden soll, unbemerkt in den Lüftungsschacht eines PKW, so hat sich bei dessen Transport ein mechanischer Vorgang zwischengeschaltet (von dem FG in dem genannten Fall als ,,Tücke der Technik" bezeichnet). Daran fehlt es, wenn - wie hier - der bestimmende Schriftsatz ohne Einwirkung von außen in der Aktentasche des Überbringers schlechthin verblieben ist. In diesem Fall war der Überbringer nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist einzuhalten.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der begehrten PKH ist somit als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416916 |
BFH/NV 1990, 682 |