Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit bei Saldierungsmöglichkeit nach §177 Abs. 2 AO 1977
Leitsatz (NV)
1. In Fällen, in denen das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt hat, kann eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erfolgen, wenn diese Divergenz nicht hinsichtlich aller dieser Gründe gegeben ist.
2. Das FA darf die Berichtigung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen wegen offenbarer Unrichtigkeit nach §129 AO 1977 ablehnen, wenn es sich im Rahmen seiner Ermessenserwägungen auf §177 Abs. 2 AO 1977 entsprechende Saldierungsmöglichkeiten berufen kann.
Normenkette
FGO §115 Abs. 2 Nr. 2; AO 1977 §§ 129, 177 Abs. 2
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil das Finanzgericht (FG) das angegriffene Urteil außer auf seine Auffassung, daß kein Fall einer offenbaren Unrichtigkeit i. S. von §129 der Abgabenordnung (AO 1977) vorliege, alternativ auf eine zusätzliche Begründung gestützt hat und die gegen diese zusätzliche Begründung erhobene Divergenzrüge unberechtigt ist. Denn in Fällen, in denen das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt hat, kann eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erfolgen, wenn diese Divergenz nicht hinsichtlich aller dieser Gründe gegeben ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 21, m. w. N.).
Entgegen der Auffassung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) weicht das angegriffene Urteil nämlich nicht von einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, soweit die Klage auch deshalb als unbegründet angesehen wird, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) im Rahmen seiner Ermessensausübung die Berichtigung der Steuerbescheide nach §129 AO 1977 unter Hinweis auf bestehende Saldierungsmöglichkeiten habe ablehnen dürfen. Die Kläger legen zwar zutreffend dar, daß nach dem von ihnen angeführten Urteil des BFH vom 8. März 1989 X R 116/87 (BFHE 156, 59, BStBl II 1989, 531) eine Berichtigung nach §129 AO 1977 nicht von §177 Abs. 2 AO 1977 erfaßt wird, wonach bei Vorliegen der Voraussetzung für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen im Umfang der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen auch solche Fehler zu berichtigen sind, die nicht Anlaß der Aufhebung oder Änderung sind. Der BFH hat diese Auffassung u. a. aber ausdrücklich damit begründet, daß sich die Einbeziehung des §129 AO 1977 in der Kompensationsregelung des §177 AO 1977 als überflüssig erweise, weil sämtliche hierdurch, für den Fall der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden eröffneten Saldierungsmöglichkeiten sich auch im Rahmen des §129 AO 1977 im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung erreichen ließen. Sinngemäß geht der BFH also davon aus, daß das FA die Berichtigung eines Steuerbescheides nach §129 AO 1977 ablehnen darf, wenn es sich im Rahmen seiner Ermessenserwägungen auf §177 Abs. 2 AO 1977 entsprechende Saldierungsmöglichkeiten beruft. Hierauf hat sich das FG in dem angegriffenen Urteil zu Recht gestützt, so daß eine Abweichung von der genannten BFH-Entscheidung ausscheidet.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. Novemer 1996 (BGBl I, 1810) ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 302938 |
BFH/NV 1999, 1 |