Entscheidungsstichwort (Thema)
Schlüssige Darlegung von Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
1. Ob Tabakersatzstoffe trotz abgelaufenen Haltbarkeitsdatums zum Rauchen geeignet sind, ist eine Tatsachenfrage. Mit dem Vorbringen, das FG habe ein entsprechendes Gutachten falsch gewürdigt, wird kein Verfahrensmangel bezeichnet.
2. Auch wenn das FG die Ablehnung eines schriftsätzlich gestellten Beweisantrags im Urteil begründet, gehört zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels der Vortrag, dass die Nichterhebung des Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war.
Normenkette
TabStG § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Aufgrund einer Prüfung bei der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde festgestellt, dass diese im November 2004 Wasserpfeifentabak erworben hatte, der zunächst zum Zolllagerverfahren abgefertigt und von der Klägerin im April 2005 unter Angabe der Codenummer 2401 2090 90 (anderer Tabak) der Kombinierten Nomenklatur (KN) in den freien Verkehr übergeführt worden war. Die Untersuchung einer Probe durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) führte mit Einreihungsgutachten vom … zur Feststellung rötlich-brauner Pflanzenteile groben Zuschnitts, die nach ihrer Beschaffenheit als Wasserpfeifentabak aus Tabakersatzstoffen in üblicher Weise in einer Wasserpfeife geraucht werden könnten und von der Unterpos. 2403 1010 KN (Rauchtabak, auch teilweise oder ganz aus Tabakersatzstoffen) erfasst würden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) erhob daraufhin Tabaksteuer nach. Der Einspruch der Klägerin führte lediglich zu einer Herabsetzung des Steuerbetrags, da das HZA wegen der mangelhaften Qualität des Wasserpfeifentabaks einen geringeren Kleinverkaufspreis der Steuerberechnung zugrunde legte.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Tabaksteuer gemäß § 21 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) i.V.m. Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex zu Recht nacherhoben worden sei, weil der in den freien Verkehr übergeführte Wasserpfeifentabak der Besteuerung nach dem TabStG unterliege. Dies folge aus § 3 Abs. 2 Satz 1 TabStG, wonach Erzeugnisse, die statt aus Tabak ganz oder teilweise aus anderen Stoffen bestehen und die sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder 3 TabStG erfüllen, als Rauchtabak gelten. Dass der streitgegenständliche Wasserpfeifentabak i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 TabStG ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet war, halte das Gericht nach dem Einreihungsgutachten der ZPLA trotz seines abgelaufenen Haltbarkeitsdatums für nicht zweifelhaft. Auch wenn --wie die Klägerin später behauptet habe-- die untersuchte Probe nicht aus der nämlichen Partie gestammt haben sollte, sei doch eine Vergleichbarkeit gegeben, da die untersuchte Warenprobe, die das Gericht in Augenschein genommen habe, ein ähnliches Alter gehabt und der Beschreibung im Einreihungsgutachten entsprochen habe. Die Klägerin habe die Vergleichbarkeit auch nicht bestritten. Der Ablauf des Haltbarkeitsdatums sei für die Steuerbarkeit nicht erheblich, da insoweit nicht die Qualität des Tabaks, sondern seine Eignung zum Rauchen maßgeblich sei. Es könne nicht angenommen werden, dass der Wasserpfeifentabak nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums ungenießbar sei. Mögliche Qualitätseinbußen könne der Konsument durch die Zugabe von Aromen oder Feuchtigkeitsmitteln ausgleichen. Eine industrielle Bearbeitung sei insoweit jedenfalls nicht erforderlich. Die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit der Ware sei jedenfalls nicht Voraussetzung für die Steuerbarkeit nach dem TabStG. Durch ein Sachverständigengutachten könne die Frage, ob der Wasserpfeifentabak im Zeitpunkt seiner Einfuhr zum Rauchen geeignet war, nicht geklärt werden.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Sie meint, dass das FG hinsichtlich der Frage, ob der Wasserpfeifentabak zum Rauchen geeignet war, seine Sachaufklärungspflicht verletzt habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Ob der Wasserpfeifentabak im Zeitpunkt seiner Einfuhr zum Rauchen geeignet war, ist eine tatsächliche Frage, die das FG ohne Verletzung der ihm obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) beantwortet hat. Das FG war dabei insbesondere nicht gehindert, sich die diesbezügliche Bewertung der ZPLA aus dem Einreihungsgutachten zu eigen zu machen. Wenn die Beschwerde meint, dass sich die Eignung des Wasserpfeifentabaks zum Rauchen dem Einreihungsgutachten nicht entnehmen lasse, so würdigt sie dieses Gutachten anders, als das FG getan hat, bezeichnet jedoch keinen Verfahrensmangel.
An der schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels fehlt es auch, soweit die Beschwerde die Ansicht vertritt, dass die von der ZPLA begutachtete Warenprobe nicht aus der im April 2005 in den freien Verkehr übergeführten Sendung stamme und mit diesem Wasserpfeifentabak auch nicht vergleichbar sei. Das FG hat das Vorbringen der Klägerin, die untersuchte Probe stamme nicht aus der streitigen Einfuhrsendung, als zutreffend unterstellt, hat jedoch gemeint, dass in Anbetracht des ähnlichen Alters von Probe und Einfuhrsendung eine hinreichende Vergleichbarkeit bestehe. Wenn die Beschwerde demgegenüber diese Würdigung des FG als eine bloße Vermutung bezeichnet und die Vergleichbarkeit der Probe mit dem Wasserpfeifentabak aus der Einfuhrsendung bestreitet, zeigt sie keinen Verfahrensmangel auf, sondern würdigt die Tatsachen anders als das FG.
Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde die Ansicht des FG für unzutreffend hält, die sich aus dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums möglicherweise ergebenden Qualitätseinbußen könnten durch die Zugabe von Aromen oder Feuchtigkeitsmitteln kompensiert werden.
Auch der gerügte Verfahrensmangel eines vom FG zu Unrecht übergangenen Beweisantrags ist nicht schlüssig dargelegt.
Hat das FG --wie im Streitfall-- in seinem Urteil begründet, weshalb es von der Erhebung beantragter Beweise abgesehen hat, kommt dem Kläger zwar für die Verfahrensrüge unterlassener Beweiserhebung hinsichtlich der erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung insoweit zu, als er davon absehen kann, anzugeben, was die Beweisaufnahme ergeben hätte und inwieweit dieses Ergebnis zu einer anderen Beurteilung des Streitfalles durch das FG hätten führen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597, m.w.N., und vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147).
Diese Begründungserleichterung hat jedoch nicht zur Folge, dass in der Beschwerdebegründung auch auf Ausführungen zum Nichteintritt des Rügeverlustes verzichtet werden könnte (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 147). Zur "Bezeichnung" des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrags kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seines Beweisantrags erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 597).
Die Klägerin hat innerhalb der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) nicht dargelegt, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens gerügt hat oder weshalb ihr die Erhebung einer solchen Rüge nicht möglich war. Allein die Behauptung eines "wiederholt vorgetragenen Beweisangebots" reicht insoweit nicht. Auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ist keine entsprechende Rüge ersichtlich. Danach haben die Bevollmächtigten der Klägerin den Klageantrag gestellt und rügelos zur Sache verhandelt, obwohl das FG bis zu diesem Zeitpunkt keine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen hatte.
Die Beschwerde hat erstmals mit Schriftsatz vom …, also erst nach Ablauf der Begründungsfrist, vorgetragen, dass der damalige Bevollmächtigte der Klägerin das FG in der mündlichen Verhandlung aufgefordert habe, den schriftsätzlich gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Dieses Vorbringen kann daher im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden.
Im Übrigen bezogen sich die im finanzgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich gestellten Beweisanträge auf die nach dem Hinweis im Einreihungsgutachten vom … noch ausstehenden "lebensmittelrechtlichen" Untersuchungen zur Feststellung der nach § 1 i.V.m. der Anlage 1 der Tabakverordnung in Tabakerzeugnissen zulässigen Zusatzstoffe. Für die Steuerbarkeit der Einfuhrware kam es indes auf diese Art Untersuchungen nach dem --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunkt des FG nicht an.
Fundstellen