Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe eines Änderungsbescheids bei Identität von Kläger und Prozessbevollmächtigtem
Leitsatz (NV)
- Bei Identität von Kläger und Prozessbevollmächtigtem ist es für die Wirksamkeit eines im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheids i.S. von § 68 FGO a.F. unerheblich, ob er an den Kläger als Privatperson oder in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt bekanntgegeben wurde.
- Betrifft die in der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage ausgelaufenes Recht und stellt sich die Problematik nach der neuen Rechtslage nicht mehr, kommt eine Zulassung der Revision nur in Betracht, wenn in der Beschwerde dargelegt wird, inwieweit die Problematik auch für eine Vielzahl anderer gleich liegender oder vergleichbarer Fälle von Bedeutung ist.
- Eine fehlerhafte Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision nur rechtfertigen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen.
Normenkette
FGO § 68; AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 3; FGO § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie wird verworfen. Die Begründung wird den Erfordernissen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gerecht.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend. Zur Begründung weist er im Wesentlichen darauf hin, die Änderung eines Bescheids sei inhaltlich eine Teilrücknahme, die den nicht geänderten Teil des Verwaltungsakts unberührt lasse. Die Rechtsprechung des BFH zu § 68 FGO i.d.F. bis 2000 habe zur Folge gehabt, dass ein Kläger gegen seinen Willen aus dem Verfahren habe geworfen werden können. Dies widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens. Die Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung sei umso mehr angezeigt, als der Gesetzgeber den geltend gemachten Bedenken inzwischen durch die Neufassung des § 68 FGO ab 2001 Rechnung getragen habe. Im Übrigen seien die Änderungsbescheide, da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) den Zusatz "Rechtsanwalt" weggelassen habe, an ihn, den Kläger, als Steuerpflichtigen und nicht als Prozessbevollmächtigten zugestellt und damit nicht wirksam bekannt gegeben worden.
2. Mit diesen Ausführungen hat der Kläger keinen Grund für die Zulassung der Revision i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit oder der Rechtseinheitlichkeit dienen kann. Der Beschwerdeführer muss dazu konkret darauf eingehen, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Hat der BFH bereits über die Rechtsfrage entschieden, ist zu begründen, weshalb gleichwohl eine erneute Revisionsentscheidung im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich gehalten wird. Dazu ist anzugeben, welche neuen und gewichtigen vom BFH noch nicht geprüften Argumente gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgetragen werden (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Februar 2002 X B 157/01, BFH/NV 2002, 803; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32 ff., m.w.N.).
Der Kläger legt bereits nicht dar, inwieweit die aufgeworfene Problematik des Hinausdrängens aus dem Verfahren auch für eine Vielzahl anderer gleich liegender oder vergleichbarer Fälle von Bedeutung ist. Dazu hätte vor allem deshalb Veranlassung bestanden, weil es sich bei der Regelung in § 68 FGO a.F. um ausgelaufenes Recht handelt und sich die Problematik nach der Neufassung nicht mehr stellt. Im Übrigen hat der BFH zu § 68 FGO a.F. in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass nach Ergehen eines Änderungsbescheids ―entgegen der vom Kläger angeführten Auffassung von Tipke/Kruse (Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 68 FGO, 83. Lfg. Oktober 1997, Rz. 20)― stets ein Antrag nach § 68 FGO a.F. bzw. ein Einspruch gegen den Änderungsbescheid erforderlich war, um zu verhindern, dass der Änderungsbescheid bestandskräftig und die Klage unzulässig wurde (z.B. BFH-Urteile vom 24. Oktober 2000 IX R 65/97, BFH/NV 2001, 785, und vom 22. Januar 2002 I R 41/01, BFH/NV 2002, 672, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat insoweit keine neuen, vom BFH noch nicht geprüften Gesichtspunkte vorgetragen.
Da die Rechtsfragen sonach geklärt sind, bietet der Fall auch keine Veranlassung, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtschöpferisch zu schließen. Der Kläger hat diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2002 V B 36/01, BFH/NV 2002, 824) nicht dargelegt. Er hat auch keine bestehenden oder zu erwartenden Rechtsprechungsdivergenzen als Gründe für die Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtsprechungseinheit nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (z.B. BFH-Beschluss vom 15. März 2002 V B 33/01, BFH/NV 2002, 1040; Ruban in Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 43 ff.) aufgezeigt.
Soweit der Kläger rügt, der Änderungsbescheid sei nicht wirksam geworden, weil er nicht an ihn in seiner Eigenschaft als Prozessbevollmächtigten bekannt gegeben worden sei, wendet er sich gegen die materiell-rechtliche Beurteilung durch das Finanzgericht (FG). Abgesehen davon, dass eine fehlerhafte Rechtsanwendung die Zulassung der Revision allenfalls dann rechtfertigen kann, wenn es sich um einen schwerwiegenden Fehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2002 III B 155/01, BFH/NV 2002, 804, m.w.N.), lässt das FG-Urteil auch keinen Rechtsfehler erkennen.
Die Entscheidung, ob das FA einen Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen persönlich oder seinem Bevollmächtigten bekannt gibt, liegt gemäß § 122 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Da durch die Bekanntgabe eines nach Klageerhebung erlassenen Änderungsbescheids gemäß § 68 Satz 2 FGO a.F. eine prozessuale Frist in Lauf gesetzt wurde und ein fristgebundenes Tätigwerden des Klägers im anhängigen Klageverfahren erforderte, das bei Bestellung eines Prozessbevollmächtigten zu dessen Aufgabenbereich gehörte, war nach Auffassung des BFH das Ermessen des FA in der Regel dahin eingeengt, dass nur die Bekanntgabe des Änderungsbescheids gegenüber dem Prozessbevollmächtigten fehlerfrei war (z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 98/93, BFHE 174, 208, BStBl II 1994, 806). Diese Gründe für eine Ermessenseinengung liegen bei Identität von Kläger und Prozessbevollmächtigten aber nicht vor. Im Streitfall ist es daher für die Wirksamkeit des Änderungsbescheids unerheblich, ob er an den Kläger als Privatperson oder in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt bekannt gegeben wurde.
Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.
Fundstellen