Entscheidungsstichwort (Thema)
Energiesteuerentlastung nur für reine Biokraftstoffe
Leitsatz (NV)
1. Die Steuerentlastung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG setzt voraus, dass es sich bei den Kraftstoffen um reine Biokraftstoffe handelt. Das Gebot der Reinheit des Biokraftstoffs bezieht sich auf das Fertigprodukt als solches und nicht etwa auf einen Anteil an zugemischten Biostoffen.
2. Eine Vermischung von herkömmlichen Kraftstoffen mit Biokraftstoffen kann nicht als Herstellungshandlung i.S. von § 50 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG angesehen werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 2; EnergieStG § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 Sätze 1-2; BiomasseV § 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) nahm für die von ihr bezogenen Energieerzeugnisse eine Steuerentlastung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Energiesteuergesetz (EnergieStG) in Anspruch. Aufgrund des Ergebnisses einer Untersuchung der bei der Antragstellerin entnommenen Proben der bezogenen Erzeugnisse kam der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) zu dem Schluss, dass es sich nicht um reine Biokraftstoffe, sondern um mit anderen Erzeugnissen vermischte Kraftstoffe handele und dass die Antragstellerin die von ihr geltend gemachte Steuerentlastung zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Mit Energiesteuerbescheid vom 21. August 2007 änderte das HZA die für die Monate Februar, März und April 2007 abgegebenen Steueranmeldungen und setzte die von der Antragstellerin geschuldeten Energiesteuerbeträge entsprechend höher fest. Über den von der Antragstellerin eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Vollziehung des angefochtenen Energiesteuerbescheids in dem Umfang ausgesetzt, in dem der Bescheid gegenüber den ursprünglichen Steueranmeldungen erhöhte Steuerfestsetzungen enthält. Zur Begründung weist das FG darauf hin, dass § 50 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG bestimme, dass Energieerzeugnisse, die anteilig aus Biomasse hergestellt werden, in Höhe dieses Anteils als Biokraftstoffe gelten. Bei einer Zusammenschau der in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG und § 50 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG enthaltenen Regelungen erscheine es völlig unklar, ob die von der Antragstellerin bezogenen Energieerzeugnisse zumindest anteilig als einen Anspruch auf Steuerentlastung begründende Biokraftstoffe anzusehen seien. Die Klärung dieser Frage müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Mit seiner (vom FG zugelassenen) Beschwerde begehrt das HZA die Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung (AdV). Die Vorschrift des § 50 EnergieStG sei völlig klar und eindeutig. Eine Steuerentlastung komme nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG nur dann in Betracht, wenn die Biokraftstoffe nicht mit anderen fertigen Energieerzeugnissen vermischt seien. Im Streitfall habe die entnommene Probe nur zu 31 % aus Biodiesel bestanden, weshalb die Voraussetzungen für die begehrte Steuerbegünstigung nicht vorlägen. Das FG habe nicht beachtet, dass § 50 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG auf die Herstellung als solche abstelle. Die genannten Energieerzeugnisse müssten anteilig aus Biomasse hergestellt worden sein. In diesen Fällen, in denen die eingesetzten Vorprodukte zur Herstellung des Biokraftstoffs zum Teil aus Biomasse bestünden, könne eine Teilversteuerung in Betracht kommen.
Entgegen der in einer anderen Entscheidung des FG geäußerten Auffassung stünden die Vorgaben der Richtlinie 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor --Biokraftstoffrichtlinie-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 123/42) der vorgenommenen Beschränkung der Steuerentlastung auf unvermischte Biokraftstoffe nicht entgegen. Denn die vom Gesetzgeber getroffene Regelung diene insbesondere der Umsetzung von Art. 16 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom --Energiesteuerrichtlinie-- (ABlEU Nr. L 283/51). Danach sei die steuerliche Förderung von Biokraftstoffen den Mitgliedstaaten freigestellt. Auch bei einer richtlinienkonformen Auslegung komme eine Steuerentlastung für vermischte Biokraftstoffe nicht in Betracht.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie weist darauf hin, dass die gezogenen Proben hinsichtlich des Anteils an Fettsäuremethylester zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt hätten. Die Versteuerung der bezogenen Erzeugnisse würde zu einer erdrosselnden Steuerbelastung führen. Eine Steuerverschonung sei aufgrund der umweltpolitischen Zielsetzung der Biokraftstoffförderung und nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts geboten. Bei dem Produkt der Antragstellerin handele es sich um ein Erzeugnis, das mindestens zu 31 % aus Biokraftstoffen bestehe. Dieser Biokraftstoff sei unvermischt, wie dies von § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG gefordert werde. Entgegen der Auffassung des HZA könne es keine Biokraftstoffe geben, die nur anteilig aus Biomasse hergestellt worden seien. Gemäß § 37b Abs. 1 des Bundesimissionsschutzgesetzes seien Biokraftstoffe ausschließlich aus Biomasse hergestellte Energieerzeugnisse.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel, so dass der Antrag abzulehnen ist.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen.
2. Solche gewichtigen Gründe sind für den Senat nicht ersichtlich. Entgegen der Rechtsauffassung des FG bestehen bei der Auslegung und Anwendung von § 50 EnergieStG keine Unsicherheiten von solchem Gewicht, dass eine AdV des angefochtenen Steuerbescheids geboten erschiene.
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG setzt eine Steuerentlastung voraus, dass es sich um vollversteuerte Biokraftstoffe handelt, die nicht mit anderen Energieerzeugnissen vermischt worden sind. Aufgrund einer entsprechenden Änderung des Energiesteuerrechts wird ab dem 1. Januar 2007 ein Steuervorteil nur noch für reine Biokraftstoffe gewährt. Wie die Antragstellerin selbst einräumt, weisen die von ihr bezogenen Energieerzeugnisse einen Biokraftstoffanteil von lediglich 31 % auf. Da es sich somit nicht um reine Biokraftstoffe handelt, sind die Entlastungsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Diesem Ergebnis kann entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden, das Erfordernis der Nicht-Vermischung mit anderen Energieerzeugnissen beziehe sich lediglich auf den Anteil an Biokraftstoffen in einem Kraftstoffgemisch. Einer solchen Auslegung stünde die Systematik der Vorschrift entgegen. Bei den in § 50 Abs. 1 EnergieStG aufgeführten Entlastungsgegenständen handelt es sich ausschließlich um Erzeugnisse, die als Fertigprodukte eingesetzt werden. Angesprochen werden nicht Anteile in Mischungen, sondern Energieerzeugnisse als solche. Darauf deutet die Entlastungsmöglichkeit für bestimmte Energieerzeugnisse hin, die (besonders förderungswürdige) Biokraftstoffe enthalten (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4 und 5 EnergieStG). Einen der Bestimmung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG entsprechenden Zusatz, dass diese Biokraftstoffanteile mit anderen Energieerzeugnissen nicht vermischt sein dürfen, hat der Gesetzgeber in die anderen Tatbestandsalternativen nicht aufgenommen. Daraus erhellt, dass sich das Gebot der Reinheit des Biokraftstoffs auf das Fertigerzeugnis als solches und nicht lediglich auf den Biokraftstoffanteil beziehen kann.
b) Die Auffassung der Antragstellerin findet auch keine Stütze in den Materialien. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Biokraftstoffquotengesetz sollte aus Gründen des Vertrauensschutzes die nach den Regelungen des 2006 geänderten Energiesteuergesetzes geltende Steuerentlastung für reine Biokraftstoffe in bestimmtem Umfang bestehen bleiben (BTDrucks 16/2709). Ausdrücklich wird in der Begründung darauf hingewiesen, dass Beimischungen von Biokraftstoffen künftig nicht mehr steuerlich begünstigt sind. Unschädlich sei lediglich die Beimischung von anderen Biokraftstoffen oder Additiven der Position 3811 der Kombinierten Nomenklatur.
c) Der Senat vermag die Auffassung des FG nicht zu teilen, dass die in § 50 Abs. 4 EnergieStG festgelegten Definitionen die Entlastungsvorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG "völlig unklar" erscheinen lassen. Zur Festlegung der Begriffe "Biokraft- und Bioheizstoffe" wird in § 50 Abs. 4 Satz 1 EnergieStG auf die Biomasseverordnung vom 21. Juni 2001 (BiomasseV) Bezug genommen. Als begünstigte Energieerzeugnisse können grundsätzlich nur solche angesehen werden, die ausschließlich aus Biomasse bestehen. Abweichend davon bestimmt § 50 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG, dass Energieerzeugnisse, die anteilig aus Biomasse hergestellt werden, in Höhe dieses Anteils als Biokraft- oder Bioheizstoffe gelten. Durch diese Fiktion wird die steuerliche Förderung auch auf andere Energieerzeugnisse als reine Biokraft- oder Bioheizstoffe ausgedehnt. Entscheidend ist der Herstellungsprozess unter zumindest teilweiser Verwendung von Biomasse anstelle von fossilen Brennstoffen, die nicht als Biomasse im Sinne der BiomasseV gelten (§ 3 Nr. 1 BiomasseV). Das von der Antragstellerin bezogene Erzeugnis ist nicht anteilig aus Biomasse hergestellt worden, sondern der Biokraftstoffanteil ist auf eine Vermischung von Biokraftstoff mit herkömmlichen Kraftstoffen zurückzuführen. Diese Vermischung kann nicht als Herstellung i.S. von § 50 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG angesehen werden.
3. Wie der Senat bereits entschieden hat, steht das Gemeinschaftsrecht der vom Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 2007 getroffenen Regelung, die zur Besteuerung des Biokraftstoffanteils in Mischungen mit normalem Kraftstoff führt, nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 14. April 2008 VII B 216/07, BFH/NV 2008, 1261), so dass auch insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Energiesteuerbescheids nicht bestehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2093107 |
BFH/NV 2009, 171 |