Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Auslegung von Verwaltungsanweisungen
Leitsatz (NV)
Verwaltungsanweisungen -- hier: Betriebsprüfungsordnung (Steuer) --, die die Selbstbindung der Verwaltung bei Ermessensentscheidungen herbeiführen, sind von den Gerichten bei der Prüfung der Ermessensausübung zu beachten. Überprüft werden kann aber lediglich die Tatsache der gleichmäßigen und einheitlichen Beachtung der ermessensregelnden Vorschriften. Eine Auslegung solcher Vorschriften ist den Gerichten versagt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BpO (St) § 4; BpO (St) § 3; AO 1977 § 194 Abs. 1 S. 2; UStG § 19 Abs. 4
Gründe
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) eine grundsätzliche Bedeutung (vgl. §115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) in der Frage sieht, in welcher Weise der Begriff des Gesamtumsatzes in den amtlichen Einheitlichen Abgrenzungsmerkmalen für den XI.--XII. Prüfungsturnus (BStBl I 1984, 502) zu verstehen sei, ist die Beschwerde unbegründet. Sie scheitert daran, daß diese Frage in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Denn die Einstufung der Steuerpflichtigen in Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe hat gemäß §4 i.V.m. §3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) -- BpO (St) -- in der hier anwendbaren Fassung vom 27. April 1978 (BStBl I 1978, 195) den Zweck, den Umfang des Prüfungszeitraums nach §194 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) festzulegen. Die BpO (St) beinhaltet insoweit ermessensregelnde Anweisungen, die -- über Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -- zu einer behördlichen Selbstbindung führen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. Juni 1992 I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784, m.w.N.). Verwaltungsanweisungen, die eine Selbstbindung der Verwaltung bei Ermessensausübung herbeiführen, sind von den Gerichten bei der Prüfung der Ermessensausübung zu beachten. Den Gerichten ist es aber grundsätzlich versagt, eigenes Ermessen an die Stelle der behördlichen Ermessensentscheidung zu setzen. Überprüft werden kann lediglich die Tatsache der gleichmäßigen und einheitlichen Beachtung der ermessensregelnden Verwaltungsvorschriften (Senatsurteil in BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §4 AO 1977 Tz. 38).
Dazu hat das Finanzgericht (FG) im Streitfall festgestellt, daß die Finanzverwaltung den hier in Rede stehenden Begriff des Gesamtumsatzes nicht i.S. von §19 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), sondern durchgängig unter -- weiterreichendem -- Einschluß sämtlicher (steuerpflichtigen ebenso wie steuerbefreiten) Umsatzerlöse versteht und dementsprechend bei der Einstufung der Steuerpflichtigen in Größenklassen anwendet. Es ist nicht zu erkennen oder geltend gemacht, daß dieses Verständnis mit dem Gesetz nicht in Einklang stünde. Ein Zwang zum einheitlichen Verständnis des Begriffs Gesamtumsatz in der BpO (St) und im UStG besteht nicht. Damit wäre die tatrichterliche Feststellung für den erkennenden Senat in einem nachfolgenden Revisionsverfahren bindend (vgl. §118 Abs. 2 FGO). Die Abgrenzungsmerkmale wären keiner Auslegung zugänglich.
2. Soweit die Klägerin sich auf Verletzung ihres rechtlichen Gehörs beruft, weil ihr die "Dienstanweisung zur Neuaufstellung der Betriebskartei zum 1. 1. 1985" nicht ausgehändigt worden und ihr diese Anweisung auch nicht bekannt und nicht zugänglich gewesen sei, ist die Beschwerde unzulässig. Diese Rüge genügt nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 FGO. Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels hätte die substantiierte Darlegung gehört, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355; Beschluß vom 16. März 1988 II B 175/87, BFH/NV 1989, 586). Das ist unterblieben.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen