Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Leistungsempfängers im Abzugsverfahren.
Orientierungssatz
Die Beschwerde des Finanzamts gegen die Aussetzung der Vollziehung des gemäß § 55 UStDV 1980 erlassenen Haftungsbescheids war unbegründet. Der BFH bestätigte die ernstlichen Zweifel des Finanzgerichts und stellte fest, daß das FG zutreffend davon ausgegangen sei, gewichtige Gründe sprächen für die Annahme, der Unternehmer, der die Rechnungen mit offenem Steuerausweis ausgestellt und die Leistungen erbracht hatte, sei ein im Erhebungsgebiet ansässiger Unternehmer gewesen.
Normenkette
UStG 1980 § 18 Abs. 8; UStDV 1980 § 51 Abs. 3 S. 3, § 55; FGO § 69 Abs. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin (Klägerin) betreibt in S ein Bauunternehmen und ein Werk für Stahlbeton-Fertigteile. Nach den Ermittlungen einer Umsatzsteuersonderprüfung hatte sie im Prüfungszeitraum Januar 1980 bis August 1981 die ..... Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit der Ausführung von Bauarbeiten beauftragt.
Die GmbH hat der Klägerin im Jahre 1980 drei Schlußrechnungen über von ihr erbrachte Leistungen mit einem Gesamtbetrag von 544 216,34 DM erteilt. In den Rechnungen war die Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 62 608,96 DM offen ausgewiesen. Im Jahre 1981 erteilte die GmbH über weitere Leistungen Rechnungen in Höhe von 90 010,86 DM; in diesen war die Umsatzsteuer in Höhe von 10 351,23 DM ebenfalls gesondert ausgewiesen.
Das Finanzamt zog auf Grund verschiedener, von ihm für bedeutsam erachteter Umstände den Schluß, die Klägerin hätte Zweifel haben müssen, ob es sich bei der GmbH um einen im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer gehandelt habe und daher gemäß § 51 bis 54 UStDV 1980 die Umsatzsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen müssen. Es hat gegen die Klägerin gemäß § 55 UStDV 1980 einen Haftungsbescheid über 72 964,19 DM erlassen. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie hat zugleich beim Finanzgericht die (vom Finanzamt abgelehnte) Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides beantragt.
Das Finanzgericht hat über die Hauptsache noch nicht entschieden. Auf Antrag der Klägerin hat es die Vollziehung ausgesetzt: Es bestünden ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs.2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides. Gewichtige Gesichtspunkte sprächen dafür, daß die GmbH im Erhebungsgebiet ihren Sitz gehabt habe. Da im Aussetzungsverfahren davon ausgegangen werden könne, daß die GmbH ein im Erhebungsgebiet ansässiger Unternehmer gewesen sei, brauche die Frage nicht mehr beantwortet zu werden, ob die Antragstellerin Zweifel im Sinne des § 51 Abs.3 Satz 3 UStDV 1980 hinsichtlich der Ansässigkeit der GmbH im Erhebungsgebiet hätte haben müssen.
Das Finanzgericht hat die Beschwerde gegen seinen Beschluß wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.
Mit der Beschwerde erstrebt das Finanzamt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung: Das Finanzgericht habe verkannt, daß es in erster Linie darauf ankomme, ob die Antragstellerin Zweifel im Sinne von § 51 Abs.3 Satz 3 UStDV 1980 hätte haben müssen. Diese Frage sei auf jeden Fall zu bejahen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Finanzamts ist unbegründet.
1. Die Besteuerung im Abzugsverfahren gemäß §§ 51 bis 58 UStDV ist gerechtfertigt, soweit sie sich im Rahmen der Ermächtigung hält, die dem Bundesminister der Finanzen in § 18 Abs.8 UStG 1980 erteilt ist. Nach dieser Ermächtigung kann der Bundesminister der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, daß die Steuer für die Umsätze eines nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers im Abzugsverfahren durch den Leistungsempfänger zu entrichten ist (§ 18 Abs.8 Satz 1 UStG 1980). Dabei kann der Bundesminister der Finanzen unter anderem die Haftung des Leistungsempfängers für die einzubehaltende und abzuführende Steuer regeln (§ 18 Abs.8 Satz 2 Nr.3 UStG 1980).
Eine solche Ermächtigung gibt dem Bundesminister der Finanzen sachnotwendig auch ohne ausdrückliche Aussage die Möglichkeit, die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Steuer auch in den Fällen zu regeln, in denen dem Leistungsempfänger Zweifel kommen müssen, ob sich der Leistungsaustausch mit einem im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer vollzieht. Letztlich als Haftender einzustehen hat der Leistungsempfänger indessen nach dem eindeutigen Wortsinn der Ermächtigung nur für die Steuer, die auf die Umsätze eines nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers entfällt. Das ist auch sachgerecht, weil in den Fällen, in denen feststeht, daß der Umsatz von einem im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer erbracht worden ist, der Steuergläubiger ohnehin stets das Risiko des Steuereingangs trägt.
2. Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, gewichtige Gründe sprächen für die Annahme, bei der GmbH habe es sich um einen im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmer gehandelt. Es hat hieraus zutreffend gefolgert, daß die Vollziehung des Haftungsbescheids auszusetzen sei, weil ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs.2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestünden.
Fundstellen
Haufe-Index 60902 |
BFHE 143, 169 |
BFHE 1985, 169 |
BB 1985, 1184-1184 (LT) |
DB 1985, 1446-1446 (LT) |
HFR 1985, 280-281 (LT) |