Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf Schriftsätze in anderen Verfahren; Sachaufklärungsmangel wegen unterlassener Beweiserhebung; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Leitsatz (NV)
- Die Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung wegen Nichtzulassung der Revision in einem anderen Verfahren ist nur zulässig, wenn es sich in beiden Verfahren um dieselben Beteiligten und dieselben Rechtsfragen handelt.
- Die schlüssige Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen unterlassener Beweiserhebung setzt u.a. Ausführungen dazu voraus, weshalb der sachkundig vertretene Kläger nicht bereits im finanzgerichtlichen Verfahren die Erhebung der Beweise beantragt hat.
- Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob ein Leistungsgebot auch dann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden darf, wenn Veranlagungs- und Erhebungsfinanzamt nicht identisch sind, ist nicht schlüssig dargetan, wenn jegliche Darlegungen dazu fehlen, in welchem Umfang und aus welchen Gründen diese Frage umstritten ist.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde am 23. Februar 2000 verkündet. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich daher nach § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG―).
Die Beschwerde ist zu verwerfen, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entspricht.
1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muss dargelegt werden. Dafür ist schlüssig und substantiiert vorzutragen, weshalb die Klärung einer bestimmten Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit geboten ist und dass eine solche Klärung bisher noch aussteht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. Februar 1999 III B 91/98, BFH/NV 1999, 1122, m.w.N.). Hat der BFH die Rechtsfrage noch nicht entschieden, ist darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Liegen bereits Entscheidungen des BFH zu dem Problemkreis vor, ist ferner auszuführen, welche neuen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage vorgebracht werden, die der BFH noch nicht geprüft hat.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sieht als grundsätzlich bedeutsam die Frage an, ob das Leistungsgebot auch dann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden darf, wenn Veranlagungs- und Erhebungsfinanzamt nicht identisch sind. Mit diesen Ausführungen ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargetan. Es fehlen jegliche Darlegungen dazu, in welchem Umfang und aus welchen Gründen diese Rechtsfrage umstritten und worin die Bedeutung einer Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den BFH für die Fortentwicklung des Rechts zu sehen ist. Dazu hätten substantiierte Hinweise zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage gehört, vor allem aber eine Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung und den Äußerungen in der Literatur zu dieser Frage.
2. Der Kläger hat auch nicht den geltend gemachten Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet.
Eine ausreichende Bezeichnung des Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. liegt nur dann vor, wenn mit der Beschwerde Tatsachen vorgetragen werden, die den gerügten Verstoß schlüssig ergeben. Ferner muss dargelegt werden, dass das Urteil des FG ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre. Dabei kommt es auf den Rechtsstandpunkt des FG an, selbst wenn dieser nicht richtig sein sollte (Beschluss des BFH vom 15. März 1999 VII B 8/99, BFH/NV 1999, 1346, m.w.N.).
a) Der Kläger macht geltend, das FG habe den Sachverhalt nicht anhand der Akten ermittelt. Mit diesem Vorbringen wird sinngemäß die Nichtbeachtung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend gemacht. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die vollständige Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 1998 VIII B 11/98, BFH/NV 1999, 629).
Der Kläger führt hierzu im Wesentlichen aus, zu Unrecht habe das FG die Auffassung vertreten, die Leistungsgebote zu den Einkommensteuerbescheiden 1988 bis 1990 seien vom Finanzamt (FA) A erlassen worden. Bl. 4 des Eingabebogens zur Einkommensteuer spreche dafür, dass die Leistungsgebote vom Erhebungsfinanzamt (FA B) erlassen worden seien. Aus diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, welche Teile der Akten das FG nicht beachtet haben soll. Der Kläger macht damit nicht schlüssig einen Verfahrensfehler nach § 96 Abs. 1 FGO geltend, sondern rügt, die Schlussfolgerungen des FG seien fehlerhaft. Kein Verfahrensfehler liegt jedoch vor, wenn das FG zwar alle entscheidungserheblichen Tatsachen berücksichtigt, diese aber anders gewürdigt hat, als vom Kläger angestrebt (BFH-Beschluss vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246).
b) Unzulässig ist auch die Rüge, das FG habe gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen, weil es den Kassenleiter des FA B nicht vernommen habe.
Wird als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO wegen unterlassener Beweiserhebung gerügt, so ist darzulegen, welche weitere Aufklärung sich dem FG nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (BFH-Beschluss vom 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103).
Die Beschwerdeschrift enthält dazu keine näheren Angaben. Insbesondere wird nicht dargelegt, welche Tatsachen der Kassenleiter beim FA B hätte bekunden sollen und inwieweit eine Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Ferner wird nicht dargelegt, weshalb der sachkundig vertretene Kläger bereits im finanzgerichtlichen Verfahren die Sachaufklärung beantragt hat, deren Unterlassung er als Verfahrensmangel rügt.
3. An der schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes fehlt es auch, soweit sich der Kläger zur weiteren Begründung auf die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Einkommensteuer 1988 bis 1990 bezieht.
Der gesetzlich angeordnete Begründungszwang bezweckt eine Entlastung des Revisionsgerichts; dieses soll nicht selbst die Akten auf mögliche Zulassungsgründe durchsehen müssen (BFH-Beschluss vom 12. August 1997 X B 60/97, BFH/NV 1998, 330). Daher wird die Bezugnahme auf Schriftsätze in anderen Verfahren von der Rechtsprechung nur dann als zulässig angesehen, wenn es sich in beiden Verfahren um die gleiche Rechtsfrage und dieselben Beteiligten handelt (BFH in BFH/NV 1998, 330).
Im Streitfall betrifft der in Bezug genommene Schriftsatz zwar dieselben Prozessbeteiligten. Gerügt werden darin aber Verfahrensfehler, die dem FG im dortigen Verfahren angeblich unterlaufen sein sollen; ferner wird behauptet, die Rechtssache sei von grundsätzlicher Bedeutung, weil dem FG verschiedene Rechtsfehler unterlaufen seien. Es ist nicht erkennbar, inwieweit diese Rügen für das vorliegende Verfahren bedeutsam sein könnten.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 624873 |
BFH/NV 2001, 1438 |