Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfeantrag per Telefax; Anspruch auf rechtliches Gehör; Versicherung an Eides Statt durch Telefax; Glaubhaftmachung einer Verhinderung
Leitsatz (NV)
- Es bleibt offen, ob ein Antrag auf Bewilligung von PKH wirksam bei Telefax gestellt werden kann.
- Zur Schlüssigkeit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs.
- Das Gericht ist bei der Würdigung einer per Telefax erklärten Versicherung an Eides Statt frei.
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verhinderung aufgrund einer Erkrankung kann nur gewährt werden, wenn der Säumige die Umstände glaubhaft macht, aus denen sich erkennen lässt, dass er so schwer erkrankt war, dass er an der Einreichung eines ihm zumutbaren fristwahrenden Schriftsatzes gehindert war.
Normenkette
FGO §§ 53, 56, 91, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 142; ZPO § 114
Tatbestand
Durch Urteil vom 29. November 2000 wies das Finanzgericht (FG) die Klage des Antragstellers wegen Gewinnfeststellung 1990 bis 1994 als unzulässig ab, weil sie verspätet erhoben worden sei. Zur Begründung führte das FG aus, die Klagefrist von einem Monat sei am Montag, dem 8. Januar 1996, abgelaufen, die Klage sei aber erst am 23. Januar 1996 erhoben worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil der Antragsteller jedenfalls nicht glaubhaft gemacht habe, dass er die Klagefrist nicht schuldhaft versäumt habe. Er habe zwar vorgetragen, dass er ab dem Heiligen Abend wegen eines Darmverschlusses stationär behandelt worden sei. Er habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass seine Erkrankung derart schwer gewesen sei, dass die Einreichung eines fristwahrenden Schriftsatzes nicht möglich gewesen sei. Die Revision ließ das FG nicht zu. Die Entscheidung wurde dem Kläger lt. Postzustellungsurkunde am 9. Dezember 2000 zugestellt.
Mit dem am 24. Januar 2001 beim Bundesfinanzhof (BFH) als Telefax eingegangenen Schriftsatz vom 9. Januar 2001 beantragt der Antragsteller, ihm für die Einlegung der Revision gegen das Urteil des FG sowie für die Erhebung der Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihm zu seiner Vertretung Rechtsanwalt … beizuordnen. Diesem Antrag sind beigefügt die gleichfalls als Telefax übermittelte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 9. Januar 2001 sowie der Bescheid vom 24. Oktober 2000 über die Neuberechnung der Sozialhilfe für den Monat November 2000 (864,50 DM) und das Wohngeld (256 DM).
Der Antragsteller rügt die Nichteinhaltung der Ladungsfrist (§ 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 91 FGO) Die Ladung zum Termin am 29. November 2000 datiert vom 10. November 2000. Kurzfristiger gehe es nach 5 Jahren Prozessdauer nicht mehr. Die Terminsladung sei am 18. November 2000 niedergelegt worden und damit sei auch die Zweiwochenfrist nicht eingehalten. Weiter bestätige der Zeuge X in der beigefügten "Eidesstattlichen Versicherung" vom 9. Januar 2001, der auch in dem vom FG anberaumten Termin erschienen wäre, dass er, der Antragsteller, zum fraglichen Zeitpunkt im Jahr 1995 die Post nicht aus seinem Briefkasten habe entnehmen können und außerdem bis Ende Januar 1996 bettlägerig krank gewesen sei.
Zugleich beantragt der Antragsteller mit dem gleichfalls am 24. Januar 2001 als Telefax beim BFH eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil er durch den technischen Ausfall seines Druckers gehindert gewesen sei, den bereits fertig gestellten Schriftsatz vom 9. Januar 2001 auszudrucken, und legt zur Glaubhaftmachung wiederum eine "Eidesstattliche Versicherung" des Zeugen X vom 24. Januar 2001 vor.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat keinen Erfolg.
Der ―per Fax übermittelte― Antrag ist insofern wirksam gestellt, als er auch zu Protokoll einer Geschäftsstelle (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―) erklärt werden kann. Der Senat geht auch davon aus, dass die in den per Telefax übermittelten Schriftsätzen wiedergegebene Unterschrift die des Klägers ist. Ob indes die für einen wirksamen Antrag erforderliche Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers (§ 117 Abs. 2 ZPO) den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, bleibt dahingestellt.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im Streitfall kann dahinstehen, ob der Antragsteller formgerecht dargelegt hat, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der von ihm beabsichtigten Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Zweifel daran bestehen, weil die für einen wirksamen Antrag auf PKH notwendig beizufügende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 ZPO; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. November 1998 XI S 13/98, BFH/NV 1999, 649) dem erkennenden Senat nicht im Original vorliegt und daher nicht sicher ist, ob der Antragsteller die Erklärung ―wie erforderlich (s. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Mai 1999 VII S 13/99, BFH/NV 2000, 51, und vom 10. Juli 1997 XI S 9/97, BFH/NV 1998, 79)― selbst unterzeichnet hat. Es fehlt auch eine ausdrückliche Versicherung des Antragstellers, dass sich seine Verhältnisse gegenüber den früher abgegebenen und auch unterzeichneten Erklärungen nicht geändert haben.
Jedenfalls verspricht das beabsichtigte Rechtsmittel keine ausreichende Aussicht auf Erfolg.
Der vom Antragsteller gerügte Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt augenscheinlich nicht vor. Das FG hatte in der Streitsache und in der Gewinnfeststellungssache des Antragstellers 1985 und 1986 für Mittwoch, den 29. November 2000, mündliche Verhandlung anberaumt und den Antragsteller auch rechtzeitig geladen. Nach den Feststellungen des FG in der Niederschrift über diese mündliche Verhandlung wurde dem Antragsteller die Ladung ordnungsgemäß am 13. November 2000 zugestellt. Die Ladung selbst wurde ―ausweislich der in den FG-Akten― befindlichen Kopie der Postzustellungsurkunde bei der Ausgabestelle der Deutschen Post AG, Filiale …, niedergelegt und die Benachrichtigung über die Niederlegung wie bei gewöhnlichen Briefen üblich in den Briefkasten des Antragstellers eingelegt. Die Ladungsfrist von zwei Wochen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) war danach ―entgegen der Ansicht des Antragstellers― gewahrt. Die Niederlegung vom 18. November 2000 betrifft die Zustellung des Beschlusses vom 9. November 2000, mit dem das FG den Antrag des Antragstellers auf PKH abgelehnt hatte. Die Frage, ob sich etwas anderes daraus ergibt, dass das Original der Postzustellungsurkunde nicht in den FG-Akten ist und damit der Antragsteller möglicherweise nicht ordnungsgemäß geladen war, kann dahinstehen.
Jedenfalls war die Monatsfrist zur Einlegung einer zulassungsfreien Revision oder zur Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 120 Abs. 1 Satz 1, § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO a.F. i.V.m. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze, BGBl I 2000, 1757) bei Eingang des Antrags am 24. Januar 2001 bereits abgelaufen. Denn das Urteil war dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 9. Dezember 2000 (wiederum durch Niederlegung) zugestellt worden.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte dem Antragsteller nicht gewährt werden (§ 56 FGO). Er gibt in dem am 24. Januar 2001 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag nur an, dass er durch Ausfall seines Druckers am 9. Januar 2001 nicht in der Lage war, den bereits im PC fertig gestellten Antrag auf PKH auszudrucken. Die ebenfalls in Form eines Telefax übermittelte "Eidesstattliche Versicherung" des X vom 24. Januar 2001 genügt dem erkennenden Senat indes zur Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens nicht. Der Antragsteller hätte nämlich die hier per Telefax übermittelte Versicherung an Eides statt anschließend im Original übersenden müssen. Nach § 62 Abs. 3 FGO a.F. reichte eine durch Telefax übermittelte Vollmacht zum Nachweis der Bevollmächtigung nicht aus (s. z.B. aus jüngster Zeit den BFH-Beschluss vom 8. September 2000 XI B 90/99, BFH/NV 2001, 457). Sie erfüllte nicht das Erfordernis, dass die Vollmacht in schriftlich erteilter Form vorliegen musste. Die Rechtsprechung hat ferner die Fotokopie einer unterzeichneten "Eidesstattlichen Versicherung" nicht zur Glaubhaftmachung der versicherten Tatsachen ausreichen lassen, weil in einem solchen Fall die strafrechtliche Sanktion (§ 156 des Strafgesetzbuches ―StGB―) nicht greifen soll (FG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 22. April 1996 1 V 127/96 E, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1996, 717). Das Bayerische Oberste Landesgericht hat indes die Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides Statt angenommen, wenn der Absender das Original unterschrieben hatte und die Erklärung von seinem Telefaxgerät aus dem Gericht übermittelt worden war (Urteil vom 23. Februar 1995 5 St RR 79/94, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1996, 406). Damit ist der Streitfall aber nicht vergleichbar. Da die Versicherung an Eides Statt der Glaubhaftmachung von Tatsachen dienen soll, die in anderen Verfahren insbesondere durch eine Zeugenvernehmung belegt werden müssen, kann es dem Gericht nicht verwehrt sein, sich erst anhand des Originals davon zu überzeugen, dass zumindest die Versicherung auch von der Person unterzeichnet ist, die die Richtigkeit der erklärten Tatsachen angeblich bezeugt. Das ist aber bei der Vorlage einer Versicherung an Eides Statt in Form eines Telefax nicht ohne weiteres möglich. Ohnehin macht die Tatsache, dass eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt wurde, die in ihr enthaltenen Erklärungen nicht zwangsläufig glaubhaft; vielmehr ist das Gericht in seiner Beweiswürdigung frei (vgl. z.B. das BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 XI R 42/91, BFH/NV 1993, 666; auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 88 AO 1977 Tz. 20, Abs. 3 a.E.).
Ein Rechtsmittel in Form einer Nichtzulassungsbeschwerde oder einer zulassungsfreien Revision verspricht indes auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg (vgl. § 126 Abs. 4 FGO), weil das FG im Klageverfahren zu Recht entschieden hat, dass der Antragsteller das nach seiner Ansicht fehlende Verschulden an der Versäumung der Klagefrist nicht glaubhaft gemacht hatte. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Senatsurteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BFHE 169, 503, BStBl II 1993, 259) muss der Antragsteller innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO diejenigen Umstände vortragen, aus denen sich ergibt, dass ihn an der Versäumung der Klagefrist kein Verschulden trifft. Der Antragsteller hat zwar in der Klageschrift vom 22. Januar 1996 ausgeführt, dass er ab Heiligabend 1995 stationär behandelt wurde und anschließend zwei Wochen bettlägerig gewesen sei. Daraus ergibt sich indes nicht, dass er ―worauf das FG abgestellt hat― so schwer erkrankt gewesen wäre, dass er auch an der Einreichung eines fristwahrenden Schriftsatzes gehindert gewesen wäre. Zudem hat er nicht im Einzelnen dargestellt, wann die stationäre Behandlung endete und wann er wieder arbeitsfähig war. Im Schriftsatz vom 1. März 1996 hat er diese Darstellung nicht einmal mehr ausdrücklich aufrecht erhalten, sondern nur ganz allgemein angegeben, dass es durch seine stationäre Behandlung erhebliche Probleme gegeben habe und außerdem noch eine Angestellte ausgefallen sei. Unter diesen Umständen kommt es auch nicht darauf an, ob die in der "Eidesstattlichen Versicherung" vom 24. Januar 2001 enthaltenen und per Telefax übermittelten Angaben von Herrn X zur Fortdauer der Bettlägerigkeit des Antragstellers bis Ende Januar 1996 und zu dem Auftrag, die Post im Jahr 1995 abzuholen, glaubhaft sind oder nicht.
Die Entscheidung löst keine Gerichtskosten aus (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 4 und 5 ZPO).
Fundstellen